laut.de-Kritik
Das Dio-Ying bedingt das Iommi-Yang und umgekehrt.
Review von Ulf KubankeAm 30. Juli 2009 gab Ronnie James Dio in Wacken mit Heaven And Hell sein letztes Deutschlandkonzert. Skeptisch durfte man aus zwei Gründen sein. Zum einen haftet vielen posthumen Veröffentlichungen der faulige Gestank ruchloser Fledderei an. Mercury und Hendrix sind solche Beispiele.
Ebenso steht das Wacken mit seinen Konzerten am Fließband nicht gerade für filigrane Topleistungen. Doch alle, die meine Bedenken teilten, können beruhigt sein. Der Final Gig ist ein würdiger Epitaph für einen großen Sänger, dem auch medial nach seinem Ableben kaum ein gelungener Nachruf zuteil wurde.
Obwohl sich die Band an diesem Abend in bestechender Form präsentiert, und sogar der sonst versteinert wirkende Sauertopf Tony Iommi hie und da lächelnd fast den Eindruck vermittelt, er würde sich gar unfreiwillig amüsieren, steht die Show ganz im Zeichen des gebürtigen Herrn Padavona. Kraftstrotzend wie eh und je mutiert der damals 67-Jährige binnen Sekunden nach dem Entern der Bühne zur totalen Inkarnation des Metal.
Die Magie des Abends ergibt sich aus zwei scheinbaren Gegensätzen: Dem Publikum zeigt er sein menschenfreundlich sympathisches Gesicht. Die Fähigkeit, in kurzen Ansprachen zwischen den Songs gleichzeitig elegant distanzierter Gentleman als auch jedermanns knuffiger Kumpel aus New Hampshire zu sein, war stets Teil des Zaubers seiner Persönlichkeit.
Sobald der britisch zurückhaltende Black Sabbath-Gründer Iommi seine unnachahmlich misanthropische Doom-Gitarre erklingen lässt, geht jedes mal ein Ruck durch den zierlichen Dio. Etwas raubtierhaft Wildes manifestiert sich knurrend in Gesang, Gestik und Mimik. Solch urwüchsig berstende Energie findet sich fast in jedem Song. Diese fühlbare Spannung ist sogar in der nicht gerade kleinen Sammlung brillanter Dio-Konzerte ein echtes Highlight. "I" sei hier besonders empfohlen.
Der Hauptakzent des Abends liegt wenig überraschend auf dem großartigen letzten Studiowerk The Devil You Know. Live entfalten die Tracks allesamt das Charisma einer unheilvoll metallischen Götterdämmerung ganz zeitloser Schule. Ronnies Edelstahlstimme bleibt bei aller Härte durchgehend warm, vital und organisch.
Der ideale Kontrast zu Iommis tödlicher Axt zeigt einmal mehr, wie perfekt beide als Songwriter-Duo und Performance-Gespann füreinander funktionierten. Das Dio-Ying bedingt das Iommi-Yang und umgekehrt.
Bei der fast liebevollen Ansage vor "Falling Off The Edge Of The World" stockt einem kurz das Herz: "You've got us. We've got you. We've got the music. So don't worry". Allzu gern hätte man die unsterbliche Stimme auch physisch zurück. Das von "Mob Rules" stammende Lied selbst gerät zum einsamen Höhepunkt des Konzerts. Die Zeilen "I think about closing the door
and lately I think of it more" wirken im Nachhinein ein wenig makaber, fast tragisch. Doch die Vocal-Glanztat übertönt sogar diesen für empfindsame Gemüter nicht unbeträchtlichen Wermutstropfen schier mühelos.
Sogar den hundertfach gespielt atmosphärischen Übersongs "Children Of The Sea" und "Heaven And Hell" fügt der Mano Cornuto-Erfinder mit seiner energetischen Präsentation nach 30 Jahren noch eine neue Nuance hinzu. Bei "Die Young" kann man sich nach einem wundervollen Gitarrenintro eine Träne im Knopfloch kaum verkneifen, als der nur scheinbar kerngesunde Dio die viel zu gut passende Titelzeile zum Ende schier endlos wiederholt.
Nach dem Verklingen der letzten Note bleibt man bewegt zurück. Das war es jetzt tatsächlich mit dieser einmaligen Stimme? Nun, unsterblich wird er bleiben. Und eines fernen Tages vielleicht auch die verdiente Anerkennung der breiten Öffentlichkeit erhalten, die ihm außerhalb des Metalgenres zu Lebzeiten verwehrt blieb. Denn wie heißt es so schön: "It goes on an on and on. It's Heaven and Hell." Farewell!
5 Kommentare
Sehr schöne Kritik. Und hier scheiss ich gepflegt auf die absichtliche Subjektivität. Hab beim lesen ja schon beinahe feuchte Augen bekommen
Hab das Konzert damals in Wacken glücklicherweise live erlebt - absolut einmalig. Fantastisches Album (The Devil You Know), legendäre Band, Gänsehaut-Auftritt. Und bei der Rezession hätte ich auch flennen können. Schönes Ding.
Only the good die young. Endlich mal ne angemessen Kritik!
die treffenden worte gefunden. kompliment ulf.
Es heißt übrigens "Yin und Yang".