laut.de-Kritik
Spirituelle Lyrics und Hardcore-Raps.
Review von Dani Fromm"This rap game want me buried alive." Nun, auch wenn sich das Rap-Game über die vielen Jahre, die Hell Razah bereits im Hip Hop-Zirkus mitmischt, alle Mühe gegeben hat: Dieser Plan ging nicht auf. Mit seinem Solo-Debüt (erstaunlicherweise handelt es sich bei "Renaissance Child" tatsächlich um seinen ersten Alleingang) gelingt dem Sunz Of Man-MC eine eindrucksvolle Selbst-Exhumierung.
Bei der Wahl der Labels für seine Veröffentlichungen bewies Hell Razah in den vergangenen Jahren nicht unbedingt das goldene Händchen. Um so erfreulicher, dass er inzwischen bei Nature Sounds eine einigermaßen stabile Basis gefunden hat. Anders wäre die traumwandlerische Sicherheit, mit der sich der Mann aus Brooklyn auf dem schmalen Grat zwischen fast schon spirituellen Lyrics und Hardcore-Raps von der Straße bewegt, wohl kaum zu erreichen gewesen. Dieser Drahtseilakt, den so gelassen zu absolvieren man ein wahrhaft gewiefter alter Hase sein muss, bildet Hell Razahs große Stärke.
Die wirklich umwerfenden Höhepunkte gehen "Renaissance Child" zwar ab. Was vorgelegt wird, besticht im Ausgleich jedoch durch solide Qualität. Nach donnerndem Einstieg nimmt "Nativity" einen soullastigen Verlauf. Krohmes Opener stellt keine hohen Ansprüche an Rap-Skills, schafft aber dennoch einer überaus angenehmen Stimme einen würdigen Rahmen. Ebenso einfach wie sicher reimt sich Hell Razah zur "Buried Alive". Wer derart langen Atem bewiesen hat, dem sei am Ende der letzte hämische Lacher von Herzen vergönnt.
Dies tönt nicht wirklich nach "the return of the living dead". Im Gegenteil: Das soeben wiedergeborene Baby wirkt vielmehr quicklebendig. In "Renaissance" fordert Hell Razah den ihm zustehenden Platz in der Geschichte ein. Zum wiederholten Male frage ich mich, warum man nicht viel mehr von R.A. The Rugged Man zu hören bekommt: Regelmäßig entpuppt sich der Mann als nicht gerade leicht verdaulicher, dafür aber stets gehaltvoller Brocken.
Hell Razah spannt eine ganze Kompanie verschiedener Produzenten für seine Zwecke ein und erschließt sich so ein breites Spektrum unterschiedlicher Sounds. Übersichtliche Strukturen (wie in "Renaissance") treffen unmittelbar auf komplexe Konstrukte, wie sie nur ein MF Doom rund um eine Saxophon-Melodie kreieren kann ("Project Jazz"). Pumpende Drums, veredelt mit energiegeladenen Claps und filigranen orientalischen Melodien liefert der italienische Jazzmusiker Fabrizio Sotti für "Yours Truly".
Der ewige Weggefährte 4th Disciple bemüht in "Glow" gespenstische Computerspiel-Klänge, während Krohme "Lost Ark" beinahe hymnischen Charakter verleiht. Sowohl Bronze Nazareth ("Millennium Warfare") als auch der Mainzer Wunderknabe Shuko ("Thankful") wagen sich an melodische, im Ansatz schon seifige Streicher, ohne im Kitsch kleben zu bleiben. Die Maccabeez, Ras Kass, Killah Priest: Auch, wenn die ganz großen Momente ausbleiben, treiben doch alle Beteiligten ordentlichen Wortsport.
Sein ganz persönliches "Project Jazz" realisiert Hell Razah Seite an Seite mit Talib Kweli und MF Dooms Alter Ego Viktor Vaughn: ein in der Tat ungewöhnliches, nichtsdestotrotz aber einwandfrei funktionierendes Gespann. "Chain Gang" dürfte nicht nur geschichtlich interessierten Heads gefallen: Lyrics und DJ Battles wuchtig-eindringliches Instrumental verzahnen sich in einer Weise miteinander, dass mich die klassische Henne oder Ei-Problematik überfällt: Ich wüsste wirklich gerne, was zuerst dagewesen ist.
Kritische Beobachtungen, politische Statements, bildhafte Predigten: Bis zum artig-versöhnlichen Ausklang "Thankful" zeigt Hell Razah zahlreiche Facetten eines Lyricists, den diverse Widrigkeiten gereift, aber nicht verbittert zurück ließen. "I stand stronger than the Berlin wall." Zumindest in diesem Punkt nickt nicht nur die historische Entwicklung zustimmend mit dem Kopf.
1 Kommentar
Album ist ne Granate. Da kann man ohne zu Zögern 4 von 5 geben.