laut.de-Kritik

Kraftvolle Worte in kraftvollen Songs.

Review von

Man mag kaum glauben, dass es bereits so lange her sein soll, dass man als junger, musikhungriger Teenager den Evergreen "Fuel for the Hate Game" entdeckte. Hot Water Music standen für energiegeladene Shows, die Musik immer in der perfekten Schnittmenge von Punk und Hardcore und vor allem mit ungewöhnlich smarten Lyrics ausgestattete Songs. Seit dieser wunderbaren Zeit hat sich natürlich allerhand verändert und weiterentwickelt, doch die Qualität bleibt unverändert.

Mit ihrem zehnten Longplayer "Vows" erscheint die Band aus Gainesville, FL vitaler und frischer denn je. Ihren bereits mit dem letzten Album eingeschlagenen Weg, nämlich den etablierten Post-Hardcore Sound mit poppigen und post-rockigen Einflüssen zu erweitern, setzt sie hier fort. Obwohl die Musik an sich etwas gefälliger und gewissermaßen lieblicher daherkommt, ist es vor allem die wunderbare Reibeisenstimme von Sänger Chuck Ragan, die hier für den nötigen Abrief und Tiefgang sorgt. Neben seinem markanten Organ leihen zudem Gastmusiker/-sänger*innen einigen der Stücke ihre Stimme und sorgen damit für überaus annehmbare Abwechslung.

Bereits im Opener "Menace", der zwar typisch und unverkennbar, aber dennoch ungewohnt klar und leuchtend erscheint, zeigt sich die nach wie vor ungebrochene Energie der Musik. Trotz der kantigen Gesangsdarbietung und den an allen Ecken und Enden eingeflochtenen Effekten fehlt es zu keiner Zeit an Druck. Dank geschickt eingewobenen Tempiwechsel und einem Chorus für die Ewigkeit wird man förmlich geschluckt, und ehe man sich versieht, existiert man nur noch inmitten der Klänge.

Bereits bei "Searching For Light" mit seinen hymnischen, eingängigen Melodien und dem leichten Hang zum Indierock wird deutlich, dass sich trotz der positiven Grundstimmung nicht alles an inhaltlicher Bitterkeit verschleiern lässt. "I won't wait for the fall. The decay is immeasurable. Is this our fate in all? The decay is inevitable" kratzt es hier aus den Lautsprechern, während sich die Worte trotz lieblichem Hintergrund ins Gedächtnis brennen. Die für fehlende Härte der Anfangstage gleicht man hier durch Atmosphäre, Chöre und anspruchsvolles Songwriting perfekt aus. Niemand hat je behauptet, dass es dem frühen Post-Hardcore verboten ist, sich in eine adulte Form hinein zu entwickelnd, und das ist verdammt noch mal gut so.

Als besonders innovativ stechen die Songs mit den Gastbeiträgen hervor, weil es hier meisterhaft gelingt, die entsprechenden Vibes der der Künstler mit in das Gefüge zu integrieren. Das leicht experimentelle, leicht aggressive "Remants", bei dem man sich Unterstützung von den herrlich vielseitigen Turnstile geholt hat, wartet mit funky Ethnoklängen und unheimlich animierenden Congas auf. Durch die bärbeißige Stimme und die wie so oft unfassbar eingängigen Melodien gelingt hier das Experiment und man ist zum wiederholten Male überrascht, wie gut sich poppige Elemente in solch eigentlich kernige Musik fügen können.

In ähnlich pop-affine, aber dennoch für sich eigenständige Gefilde begeben sich "Fences" (mit den wunderbaren Thrice), das eher auslanden und verträumt wirkt, und das energetische, durchaus modern klingende "Wildfire". Letzteres stellt eine Kollabo mit den recht frisch auf der Bildfläche erschienenen Punkern von Calling Hours dar. Wie immer hymnenhaft, breit und aufrüttelnd einerseits, an anderen Stellen gediegen und nachdenklich. "The kids are mad today, because we're leading them wrong". Kraftvolle Worte in kraftvollen Songs.

Obwohl der Begriff knietief im seichten Hard Rock verwurzelt ist, erlaube ich mir dennoch ihn hier zu verwenden: Das intensive, emotionale und schlichtweg einfach schöne "After The Impossible" fällt zweifelsfrei in die Kategorie 'Powerballade'. Eine der schönsten Stimmen der Szene, nämlich die von Dallas Green (City And Colour, Alexisonfire) erzeugt eine sofortige Gänsehaut. Chucks Reibeisen und die buttrige Singstimme des Gastes harmonieren ganz hervorragend miteinander, die Drums und der Bass heben sich in den genau richtigen Momenten hervor und erzeugen eine wahnsinnig intensive Stimmung. Keine stinknormale Ballade, eher eine reduzierter Post-Hardcore Hymne mit ganz viel Hingabe und Pathos der guten Sorte.

Ähnlich ruhig und intensiv, dennoch wieder völlig anders zeigt sich der Rausschmeißer "Much Love", der das große Finale von "Vows" darstellt. The Interrupters-Frontfrau Aimee Allen und eine leicht käsige Orgel untermalen das mit Post-Rock gefütterte Spektakel, und zum letzten Mal ertönen himmlische und hymnische Melodien.

Der neue, erwachsene Sound steht Hot Water Music ganz hervorragend und verbindet sicherlich Jung und Alt. An Tourfreude hat man auch nichts verloren, im Herbst sieht man sich wieder auf den mittelgroßen Bühnen des Landes, und die Vorfreude auf wird durch das neue Material nur weiter befeuert. So in Ordnung könnte die Welt ruhig öfter sein.

Trackliste

  1. 1. Menace
  2. 2. Search For Light
  3. 3. Burn Forever
  4. 4. After The Impossible
  5. 5. Remnants
  6. 6. Chewing On Broken Glass
  7. 7. Fences
  8. 8. Side Of The Road
  9. 9. Wildfire
  10. 10. Bury Us All
  11. 11. Touch The Sun
  12. 12. Much Love

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1 Kommentar

  • Vor 6 Monaten

    Der wichtigste Faktor des Albums fehlt in der Review:
    Chris Cresswell von den Flatliners ist diesmal als fünftes Bandmitglied deutlich besser in die Songs eingebunden als noch auf dem Vorgänger (s. etwa im oben hervorgehobenen Chorus von Menace).
    Gleich drei so markante Stimmen - neben Ragan und Cresswell auch noch Wollard - zu haben ist ein immenser Luxus.