laut.de-Kritik
Minimaler Aufwand, maximale Wirkung.
Review von Andreas BättigAls das The XX-Mitglied Jamie Smith aka Jamie xx im März die Singleauskopplung "Loud Places" veröffentlichte, vermuteten wohl nicht nur The XX-Fans, dass mit dem Album "In Colour" in wenigen Monaten etwas Grosses erscheinen könnte. Was war das für eine Überraschung: "Loud Places", ein Song, der so gar nichts mit der melancholischen Schwere sonstiger The XX-Songs gemeinsam hat. Nein, dieses Lied ist musikalisches Ecstasy. Ein Feelgood-Track, der schon mal richtig Bock auf den bevorstehenden Sommer macht und wahrscheinlich auf so mancher Dachterrassen-Party für ausgelassene Stimmung sorgen wird. Alles im Lied wirkt federleicht: der verträumte Gesang von The XX-Bandkollegin Romy Madley-Croft, das Klavier, die dezenten Beats, die verspielten Glöckchen, der Chor.
Ebenfalls Endorphine ausschütten lässt "I Know There's Gonna Be (Good Times)", das dank der Unterstützung von Rapper Young Thug aus Atlanta und Dancehall-Artist Popcaan seinem Namen absolut gerecht wird. Ein Dancehall-Track, zu dem man sich einen guten Drink und einen Sonnenuntergang wünscht.
"Sleep Sound" schwebt wie ein Luftballon durch die Gehörgänge. Wobei hier klar die Referenz zu Smith als Club-DJ zu hören ist. Es ist nicht der einzige Dance-Track auf dem Album. Bereits der Opener "Gosh" peitscht mit einem Drum'n'Bass-Rhythmus ordentlich drauf los. Und auch bei "The Rest Is Noise" lässt sich wunderbar in den Beat abdriften. Es ist ein Monster von einem Song.
Smith ist mutig. Der Londoner experimentiert - bei "Obvs" - sogar mit Steeldrums. Wenn der düsterste The XX-Sound auf der Stimmungsskala auf der einen Seite steht, gehört dieser Song sicher ans andere Ende. So viel aufgesetzte Heiterkeit hätte es dann aber doch nicht gebraucht.
Und dann gibt es ihn eben doch noch, den 'The XX-Track', der so auf ihrem dritten Album erscheinen könnte. Ob es Zufall ist, dass er inmitten von "In Colour" platziert ist? Ein simpler Beat leitet "Stranger in a Room" ein, bevor Oliver Sim nachdenklich singt: "You wanna disappear in a crowd /Just a stranger in a room / Wanna change your colors just for the night / With no word of it following you, oh /No word of it following you, oh / No word of it following you, oh / No word of it".
Natürlich hat die Melancholie der The XX-Songs auch ihren Charme. Dass ausgerechnet Smith, der einen wesentlichen Beitrag zu deren Klangbild leistet, gleich ein Album veröffentlicht, das so viel heller, so viel farbenfroher daherkommt, überrascht. Auf seinem Erstlingswerk verfolgt er jedoch genau die Strategie, die seine Band so erfolgreich machte: Minimale Songkomponenten, maximale Wirkung. Herausgekommen ist dabei pures Glück.
11 Kommentare
Ich hätts nicht gedacht, aber das Ding hat mich auf voller Linie überzeugt. Runde Platte.
Jamie zeigt wies geht!!! Genius.
Kritik die sich mit meiner Meinung zu dem Album deckt. Wahres Meisterwerk!! Die einzige Frage, die ich mir stelle: Warum keine vollen fünf Kästchen?
5/5.
Alleine für "Gosh" hat dieses Album 5 Sterne verdient.
Brauch neues album god