laut.de-Kritik
Musik im Geist von Talking Heads, Bob Marley und Harald Juhnke.
Review von Dani FrommIch hätte nie gedacht, dass ich als erklärter Verächter von Live-Aufnahmen das einmal sagen würde, doch ich rate aus voller Überzeugung: Werte Leserschaft, vergessen Sie "Mercedes Dance". Greifen Sie zu "Mercedes-Dance Live". Denn so hört es sich tatsächlich an, wenn Jan was anfängt mit einer Funk-Band.
"Und jetzt geht mal bitte alle schön ab, heute abend!" Die Aufforderung könnte überflüssiger kaum ausfallen. In Zürich, Mannheim und Köln, so die Stationen, die für die Mitschnitte gewählt wurden, brüllt sich unüberhörbar bestens gelauntes Publikum kollektiv die Lunge aus dem Hals. Erfreulich: Das trübt den Hörgenuss kein bisschen. Im Gegenteil.
Jan Delay widmet sein Album dem Geist der Talking Heads, Bob Marley & den Wailers, Busta Rhymes & Spliff Star, James Brown & den JBees, Liam Gallagher und Harald Juhnke. Die Kollegen dürften sich mit der Leistung des Chefstylers überaus zufrieden zeigen. Funk, ordentlich durchgefunkter Pop und Reggae gehören eben einfach in kein klinisch reines Studio, die bringt man tunlichst schweißgetränkt unter ebensolches Volk.
Der astrein aufspielenden Backing-Band wird gleich zu Beginn artig Respekt gezollt. Nur korrekt, das: Wenn eine Spitzen-Live-Combo wie Disko No. 1 an den Start geht und neben Mr. Delay auch die Herren Arfmann und Tropf an den Reglern Hand anlegen, lässt der Fettgehalt des Sounds keine Wünsche offen. Jan Delay kann einem sympathisch sein oder auch nicht. Man kann seine Ansichten zu diversen Themen teilen, oder auch nicht. Der Umstand, dass sich der näselnde Hamburger zu einer Tipptopp-Bühnenpersönlichkeit entwickelt hat, steht außer Frage.
Neben der bis auf "Gasthaus Zum Lachenden Stalin" sämtliche Tracks umfassenden Bühneninterpretation von "Mercedes Dance" liefert Jan Delay in der berechtigten Hoffnung, es finde sich schon der eine oder andere Reggae-Kopf unter den Gästen, Auszüge aus "Searching For The Jan Soul Rebels". "Vergiftet" gewinnt mit dickem Bass, noch dickeren Bläsern und ordentlich Hall gegenüber der Studiofassung deutlich an Boden. "Die Sonne, Die Scheint" drückt auch ohne unikaten Stimm-Kollegen D-Flame das Gaspedal durch und endet in einem Ausbruch in "Eye Of The Tiger".
Eine exzellente Einsatz-Möglichkeit für mitgebrachte Feuerzeuge und Wunderkerzen bietet Rio Reisers nach wie vor zauberhafte Schnulze "Für Immer Und Dich". Einen würdigeren Ausklang als Nenas "Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann" hätte sich textsicher mitsingendes Publikum schwerlich wünschen können.
Meine Höhepunkte liegen dennoch an anderer Stelle: Zum einen johlt Mannheim völlig zu Recht, wenn Jan Delay und Disko No. 1 Das Bos Miami Bass-Bootyshaker "Türlich Türlich" auf Cameos "Word Up" donnern lassen - schweinegeil. Und wenn "die glücklichsten Glückspilze auf der ganzen Welt", die Zeugen des einzigen Auftritts Udo Lindenbergs im Rahmen der "Mercedes Dance"-Tour werden durften, der unfassbar gelungenen Kollabo "Im Arsch" lauschen, wünsche ich, ich wäre dabei gewesen.
"Das Wichtigste ist, dass das Feuer nicht aufhört zu brennen." Hört sich an, als sei man vor dem Kälteeinbruch noch eine Weile sicher. Sagte ich es bereits? Sagte ich es deutlich genug? Vergesst "Mercedes Dance". Nehmt "Mercedes-Dance Live".
1 Kommentar
Die meisten Songs ballern hier mehr als die Studio Versionen. Geile Sache.