laut.de-Kritik
Alte Musik trifft Jazz.
Review von Tobias LitterstMystische Saxophonklänge schweben sanft durch den Raum einer Kapelle. Unter ihnen entfaltet sich ein geheimnisvoller Klangteppich menschlicher Stimmen. Bereits die ersten Sekunden von "Officium Novum" faszinieren mit ihrer atemberaubend intensiven Atmosphäre.
Die akustische Begegnung des Jazz-Saxophonisten Jan Garbarek mit dem Hilliard Ensemble, einer Gruppe britischer Sänger, die sich vor allem im Bereich der Alten Musik einen Namen gemacht hat, stellt für die Protagonisten wohl kein sonderlich obskures Novum mehr dar. Können sie doch auf eine Vielzahl gemeinsam absolvierter Konzerte und zwei erfolgreiche Longplayer zurückblicken. Der Zauber dieser ungewöhnlichen Zusammenkunft ging über all dem jedoch keineswegs verloren.
Zeugnis davon legt die lebendige Klangsprache ab, die die Musiker untereinander pflegen. So begeistert das Hilliard Ensemble mit gekonntem Vortrag von Vokalwerken verschiedenster Epochen, die Garbarek mit versierten Improvisationen um spannende Facetten bereichert oder weiterentwickelt.
Dabei ergeht sich der Saxophonist glücklicherweise nie in langweiligen Virtuositätsdemonstrationen. Er stellt vielmehr die Reflektion über das musikalische Material in den Vordergrund. Bisweilen geht Garbarek im Verlauf seiner Improvisationen für meine Ohren etwas zu lautstark zu Gange.
Den äußerst guten Gesamteindruck des Albums beschädigt dies aber kaum. Schließlich tritt der Jazzer auch oft genug hinter seine Mitmusiker zurück. So etwa während der Arvo Pärt-Komposition "Most Holy Mother Of God", die das Hilliard Ensemble im Alleingang intoniert.
Die Auswahl der Stücke tönt abwechslungsreich und schlüssig. Sie spannt einen dramaturgischen Bogen, der den Hörer auf die Reise von dunkel verklärten Klanglandschaften in lebhafte, helle Gefilde schickt. Auf dieser Reise begegnet er einer Mischung mittelalterlicher und zeitgenössischer Werke von Komponisten aus Armenien, Byzanz, Russland, Frankreich und Spanien.
Jan Garbarek steuert die Stücke "Allting Finns" und "We Are The Stars" bei. Ein Höhepunkt des Albums ist das ausgelassene "Alleluia. Nativitas", eine Komposition des mittelalterlichen Tondichters Perotin. Die fünf Musiker überführen das Werk ohne jegliche Verkrampftheit in die Welt des Jazz. Dabei kommt nichts von seiner intensiven Atmosphäre abhanden.
Jan Garbarek und dem Hilliard Ensemble ist mit "Officium Novum" ein Album gelungen, das mit Facettenreichtum, einem stimmigen Konzept und spannender Interaktion überzeugt: ein Album, in das es sich einzutauchen lohnt.
1 Kommentar
sag mal, tobi,
ist das teil jetzt eigentlich ein kompletter neuaufguss der officium oder haben die sich klanglich was anderes einfallen lassen?
erstere fand ich nämlich teilweise extrem überambitioniert mit allzu deutlichem focus auf den hilliard vocals.