laut.de-Kritik
Tünkram auf Tabletten - anarchisch und aggressiv.
Review von Dominik LippeIhre Ausgangslage war prekär. Als im Mai letzten Jahres das vergleichsweise ausgiebig beworbene Album "Nuttn" von Jindo109 erscheinen sollte, machte Herr Kuchen ihr einen Strich durch die Rechnung. Ihre bisherigen Tapes verschwanden von den Plattformen, das neue ist nach wie vor unauffindbar. Dazu trat ihr einstiger privater, musikalischer und geschäftlicher Partner in Form des Disstracks "Jana" beherzt nach. Vorwürfe der häuslichen Gewalt reihten sich an Geschichten über Drogensucht, ihre vermeintliche Krankengeschichte und familiäre Vergewaltigungen.
"Da war ich schon ein bisschen gelähmt danach", entfuhr es Jindo109 in einer ersten Reaktion. Nach anfänglichem Schock hat sie sich mittlerweile wieder gefangen. Im Gespräch mit TV Strassensound bestritt sie einige der besonders unappetitlichen Beschuldigungen. Falls diese wahr wären, wäre es "ja sogar noch viel schlimmer", sie derart zu verbreiten, beanstandete die Rapperin in Richtung ihres Ex-Partners. "Das hat in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. In der Öffentlichkeit ist man ja immer noch eine Kunstfigur." Recht hat sie.
"In meine Kunst habe ich auf jeden Fall sehr viel Energie gesteckt und sehr viel Wut natürlich auch. Das hört man auch, finde ich." Fürwahr, ähnlich wie bei ihrem Vorbild Hollywood Hank dreht sich ihre lyrische Welt fast ausschließlich um synthetische Drogen und Gewaltfantasien. Es ist Tünkram auf Tabletten - anarchisch und aggressiv. "Geh' mir lieber aus dem Weg, sonst wirst du gleich Opfer von Gewalt", warnt sie gleich im einleitenden "Chroniken Von Natz". Dass die "Gossen-Barbie" pausenlos davon spricht, wen sie alles totschlagen will, irritiert angesichts ihrer zierlichen Gestalt umso mehr.
Eine weitere Diskrepanz ergibt sich daraus, dass Jindo109 als augenscheinlich weiblich gelesene Person stets mit Misogynie kokettiert. "Warum ich meinen Ex verprügelt hab'? Ich bin frauenfeindlich", rappt sie etwa in "Mutterficker Hurensohn", "Sag mal, Schlampe, willst du sterben? Nein? Verpiss dich in die Küche!" Und zur "Blaulichtparty" erklärt sie: "Frauen sollten keine Rechte haben." Auf der einen Seite wirkt es mitunter, als spiegele sie damit die Frauenverachtung mancher Kollegen, auf der anderen Seite ist sie weit davon entfernt, irgendeine Art von Agenda zu verfolgen. Zumindest scheint es so.
Musikalisch funktionierte Jindo109 zuletzt vor allem auf geduckt gehenden Instrumentals à la King Orgasmus Ones "House Of Pain". Im Dubstep-Umfeld von "Chroniken Von Natz" klingt sie eher, als versuche sie im Chaos den Anschluss zu behalten. Wohler fühlt sie sich auf Gaming-Sounds mit tiefem Bass wie in "Blaulichtparty" oder "Schlampen Aus Sachsen". Noch weiter reduziert klingt "Mutterficker Hurensohn". Ein musikalischer Error, der in seiner Verweigerungshaltung schon Chuzpe erfordert. Ihr durchaus vorhandenes Talent kann sie aber fast nur im fokussierten "Fünfzehn Uhr 2" voll ausfahren.
Ihre Rap-Fertigkeiten ergänzt Jindo109 in "Chroniken Von Natz" oder "Ein Sterne Bullen" um Singsang-Hooks, die eins zu eins wie Favorites klingen. Besagten Selfmade-Rapper sieht der eine oder andere bereits auf bestem Wege zurück zur Normalität. Dass sein "Anarcho"-Niveau in Wahrheit in unerreichbarer Entfernung liegt, beweisen Favorites Beiträge auf "Die Chroniken Von Natz". Neben Neulingen wie Krystall46 markiert er mit seinem erratischen Part im Posse-Track "Campkiller" den Tiefpunkt. Und auch Jindos "Bier Meth Ficken"-Diät dürfte seiner Rekonvaleszenz eher abträglich sein.
Zukünftig wäre es ihr zu wünschen, sich nach Herr Kuchen auch vom musikalischen Einfluss abgestürzter Helden wie Favorite und Hollywood Hank freistrampeln zu können. "Simulation Surreal" gelingt das am ehesten. Jindo109 gibt sich realitätsentrückt und zweifelt ganz allgemein an ihren Sinnen, während Produzent Strazdine sie Coins und Items sammeln lässt. "Ich seh', was ihr Opfer leben nennt, nur als ein Videospiel", gibt die Rapperin zu Protokoll, "Für mich ist jeder Tag eine Simulation, eine neue Mission." Mit dem alltäglichen Gefühl des Surrealen dürften sich viele identifizieren können.
6 Kommentare mit 5 Antworten
Ich seh bei den Youtube-Rappern nicht mehr durch... also, Herr Kuchen ist aber jemand anderes als KuchenTV, oder?
Wo zwei der drei Punkte in der Wertung herkommen, verstehe ich übrigens auch nicht. Die Rezi liest sich ziemlich negativ.
KuchenTV is tein Youtuber der in letzter Zeit versucht zu rappen.
Herr Kuchen ist ein Rapper der durchs JBB bekannt wurde und dadurch ein bisschen in dieser Bubble mit drin hängt, auch wenn er wirklich primär Musik macht. Hilft natürlich nicht dass Letzterer (vor allem in letzter Zeit) auch Musik mit Twizzy und Cashisclay macht, die ja gerade mit KuchenTV ein Album released haben.
Und keine von denen sind natürlich zu verwechseln mit Kuchenmann aus NBC.
Kuchenmann ist auch tatsächlich ziemlich gut
Tropennacht eines der most underrated Deutschrapalben ever.
Dafür liebe ich den laut.de-Kommentarbereich manchmal. Man wundert sich über rappende Youtuber/youtubende Rapper, die alle irgendwas mit "Kuchen" heißen und bekommt eine 1a-Erklärung und mit Kuchenmann eine richtig gute neue Empfehlung obendrauf. Danke dafür!
Album Name schon eher peinlich.
Fand sie so 1 bis 2 Jahren auf den Herr Kuchen Beats ganz unterhaltsam, auch wenn sich das alles schnell abnutzt.
Werde vielleicht mal kurz reinhören, viel erwarte ich nicht.
Und wenn ich ehrlich bin will ich eigentlich gar nichts mehr von Fav hören. Der Arme soll sein Leben in den Griff kriegen und chillen, statt den letzten Rest seiner Legacy endgültig zu zerstören.
für freunde feinsinnig ironischer meta-ebene: besagter herr kuchen war feature part auf dem favorite diss von jenemy "auf nacken deiner toten eltern". jenemy ist rba legende und vbt gewinner, falls jemand fragt. ich höre seine parts und seine sonstigen lieder immer noch sehr gerne
Vor 15 Jahren hätte ich das Album hart abgefeiert.
Ungeschmeidig.
Es wird nur noch Schwachsinn released