laut.de-Kritik
Der Facettenreichtum des Openers ist schnell dahin.
Review von Manuel BergerSchon im knapp dreiminütigen "Prologue" der neuen Jinjer-Platte "King Of Everything" passiert wahnsinnig viel. Es beginnt Filmscore-mäßig mit lauernden Volumeswells, die Streichern ähneln, forschen Drums und dem Klargesang Tatiana Shmailyuks, der in Kombination mit der einsetzenden Akustikgitarre Folk-Richtung einschlägt und diese im Refrain in den Orient versetzt. Man ist gespannt: Wie geht es weiter?
"Captain Clock" antwortet leider nicht gerade überzeugend. Das Dynamikspiel ist bis auf ein nichtssagendes Intermezzo dahin, jetzt heißt es prügeln und Staccatos setzen. Tatiana konzentriert sich aufs Shouten. Cleans sind noch immer mit dabei, wirken im neuen Kontext aber ungleich schwächer. Plötzlich sind Jinjer nicht mehr spannend, sondern nur noch "okay". Der Facettenreichtum des Openers ist dahin.
Viel mehr passiert dann auch nicht mehr in den nächsten sechs Songs. Ja, hie und da knallen die Riffs ganz schick ("I Speak Astronomy"), in guten Momenten weckt Tatiana Lamb Of God-Vergleiche ("Sit Stay Roll Over"), die sie aber im Endeffekt natürlich verlieren würde. Alles in allem ist es eben doch vor allem generischer Metalcore. Die Breakdowns sind mal aufregender ("Under The Dome"), mal weniger ("Words Of Wisdom"), genauso verhält es sich mit Schlagzeug und dem Attribut "eintönig".
Einen Mini-Ausbruchsversuch unternehmen Jinjer erst wieder mit "Pisces", einer Halbballade, die zwischen ruhigen, träumerischen Passagen und stumpfbösen Bigfoot-Angriffen pendelt. Als Rausschmeißer kredenzt die Band dann allerdings doch noch eine Überraschung. "Beggars' Dance" kommt mit tanzbarem Gypsy-Feel und gewissem Lounge-Jazz-Einschlag daher. Weg ist der Metal, da ist die Laune.
Angesichts des reinrassigen Metalcore-Hauptteils erschließt sich mir der Sinn dieser genrefremden Klammer um "King Of Everything" nicht wirklich. Weil es das, worum es Jinjer eigentlich zu gehen scheint, rein gar nicht widerspiegelt. Dass ausgerechnet diese beiden Songs, "Prologue" und "Beggars' Dance", die Höhepunkte des Albums darstellen, ist bezeichnend. Wenn das Quartett zukünftig einen Weg findet, seine beiden Pole irgendwie zu verknüpfen, statt einfach nur nebeneinander zu stellen — womöglich eine super Sache. So reicht es leider nicht über Mittelmaß hinaus.
3 Kommentare mit 2 Antworten
Ganz komisch Mischwesen, man hat stellenweise das Gefühl, nicht mal die Band weiß wohin sie eigentlich will. „I Speak Astronomy“ ist ein gutes Beispiel dafür. Das geht von Groove über Core und endet schließlich in Pop. Generell is das Album ein bisschen arg eintönig, da wird immer nach dem gleichen Grundrezept gearbeitet. Manchmal schaffen wie es nen guten Groove in die Sache zu bringen („Words of Wisdom“) stellenweise aber auch einfach nur langweiliges geknüppelt („Sit, Stay, Roll Over). Mein größtes Problem is das dieses Album einfach nur inkonsistent ist. Stellenweise funktionieren die klaren Gesangspassagen, dann gibt es wieder Momente wo sie stören, das gleiche für die Shouts. Ich find kein einziges Lies durchgehend gut, da gibt es immer wieder Elemente die mich komplett rausreißen. 2/5
Durchwachsen. Sehr gelungen sind in meinen Augen der Opener "Prologue" mit seiner unheilvollen Stimmung und der Closer "Beggars' Dance" mit seinem herrlich jazzigen Gitarrensolo. Beide setzen sich übrigens textlich aus jeweils einer Zeile der acht restlichen Songs zusammen. Mein absolutes Highlight ist "Pisces" mit dem Kontrast zwischen den melodiösen, düster-traurigen Strophen und den brachialen Refrains, wo Tatiana plötzlich von Gesang auf Gebrüll umschaltet und dabei z.B. einen Randy Blythe durchaus in die Tasche steckt. Weitere Highlights: "I Speak Astronomy" (progressiv, atmosphärisch, brachial, rhythmisch vertrackt), "Words Of Wisdom" (fett groovender Refrain) und "Sit Stay Roll Over" (brutal, aber groovig! Der wohl blastbeatlastigste Jinjer-Song bisher). "Captain Clock" und "Just Another" sind streckenweise sehr geil, aber nicht durchgängig genießbar. Und schließlich "Under The Dome" und "Dip A Sail", von denen bei mir auch nach einigen Durchläufen nicht viel hängengeblieben ist.
Fazit: King of Everything hat definitiv einige geniale Momente, aber leider auch viel kompromisslose Härte dazwischen. Das haben sie in meinen Augen auf dem Vorgänger Cloud Factory besser gemacht - das Album hatte weniger krumme Takte, aber mehr Groove ("No Hoard Of Value", "Outlander", "A Plus Or A Minus" und der Titeltrack als Beispiele). 3,5/5.
Also tut mir leid Leute. Nur weil eine Band einfach richtig viel Gehalt hat, keinen Bock aufn Stempel und irgendeine Schublade zu haben scheint muss man doch nicht genau das anprangern. Andere Metalcore, Deathcore Kapellen werden abgestraft weil sie so gar nicht Experimente wagen und dann gibt es ENDLICH mal eine Band die einfach macht was sie gerade machen will und es ist auch wieder verkehrt.
Schaut euch die Sängerin live an. Sie KANN Alles...und gebt der Band mal Tourerfahrung und das kann was großes werden. Aber ihr meckert ja direkt rum, ist ja auch einfach.
1. Die Band hat bereits mindestens drei Alben. An mangelnder Erfahrung muss man hier gar nichts fest machen, denke ich.
2. Experimente sind super, können aber auch in die Hose gehen. So wie hier.
Die Band hat es einfach nicht geschafft, aus diesen vielen verschiedenen Einflüssen, ein großes, homogenes Ganzes zu machen, das genieß- und nachvollziehbar ist.
"...Sie KANN Alles...und gebt der Band mal Tourerfahrung und das kann was großes werden. "
Genau!
Ich habe sie live erlebt, ein Traum.