laut.de-Kritik

Der Nick Cave der Gegenwart?

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Ist Jungstötter der Nick Cave der Gegenwart? Sowohl Stimme als auch Songwriting von Fabian Altstötter erinnern an den Australier. Der junge Musiker zeichnet düstere Bilder, setzt auf die theatralisch dramatische Inszenierung der Tracks - mit tiefem Gesang und fein orchestrierten Instrumenten. Jedes Lied klingt wie ein Kunstwerk, jeder Ton ist wohlüberlegt. Nachdem das Alternative-Trio Sizarr getrennte Wege ging, startete Fabian 2019 sein Soloprojekt, vier Jahre später setzt er es nun fort.

Dass das Klavier nicht mehr im Mittelpunkt steht wie noch auf "Love Is", zeigt bereits der Opener "Know". Jungstötter steigert die Dramatik bis in den Refrain hinein. Seine Stimme thront über der vielschichtigen Begleitung: Man hört Bläser, Streicher, Synthesizer, etwas Klavier - bei jedem Durchlauf entdeckt man eine weitere Komponente. Gerade erstere weckt Erinnerungen an Radioheads "The National Anthem". Wie die britischen Indierock-Helden spielt auch Altstötter mit Dissonanzen und hält diese aus, trotzdem bleibt es ein stimmiges Stück.

Dieses Feingefühl merkt man dem ganzen Album an, so auch dem Track "Sensation". Das Intro bleibt reduziert, hält nach fünf Sekunden wieder inne, nur um Spannung aufzubauen, und diese mit akkurat abgestimmten Bläsern und Schlagzeug aufzulösen. Die Instrumente sind mit Bedacht gewählt und werden gezielt eingebunden, jeder Klang erfüllt einen bestimmten Zweck. "Sensation" geht dabei ruhiger zu Ende als "Know". Sanft streichen Schlagzeugbesen über die Drums und das Keyboard vom Beginn kommt wieder zum Vorschein.

Auf "Nothing Is Holy" öffnet der junge Musiker das knarrende Tor zur Düsternis dann ganz. Nicht nur dieses Geräusch, auch das metallen klirrende Becken, das schwerfällige Schlagzeug, Jungstötters mit viel Atem versehene Stimme und die quietschenden Violinen kreieren eine unheimliche Atmosphäre. Trotz des beklemmenden Gefühls möchte man weiter in den Song und diese faszinierende Dunkelheit eintauchen. Unweigerlich entsteht die Szenerie eines Friedhofs bei Nacht im Kopf, ein krasser Gegensatz zum dazugehörigen Musikvideo: Man sieht ein Sonnenuntergang am Strand, was man wohl als Allerletztes mit dem Sound von "Nothing Is Holy" verbinden würde.

Ein weiteres Highlight heißt "Thrashers Swath", das sich vom Klavier ausgehend aufbaut und mit einem kunstvoll fließenden Streicher-Arrangement versehen ist. Dennoch herrscht genau die richtige Balance zwischen den Instrumentalpassagen und dem vom Gesang dominierten Teilen, ein perfektes Wechselspiel. Auf "Burdens" steht die Stimme klar im Vordergrund, bis schlagartig die Instrumente hervorbrechen und ein apokalyptisches Bild zeichnen. In der letzten Minute lässt Jungstötter allen Emotionen und Klängen freien Lauf.

Fordert er hier noch die ganze Aufmerksamkeit des Hörers ein, verspricht "My Fear Is But A Looting Game" Entspannung. Die zaghafte Akustikgitarre bildet einen Gegenpol zu Jungstötters Bass, doch auch dieser klingt hier sanfter. Anders als bisher leiten Stimme und Gitarre den Song gleichzeitig ein, der nicht mehr im Kontrast zur düsteren Stimmung des Albums stehen könnte. Statt Drama hört man ein verträumtes Stück. Der schwere Titeltrack schließt sich nahtlos an, der mit "My Fear Is But A Looting Game" bis auf die Wärme, die der Chor für kurze Zeit im Refrain versprüht, nichts mehr gemein hat.

Jungstötter hat es geschafft, auf "One Star" gerade so viel zu verändern, dass seine Musik spannend bleibt, und gerade so viel beizubehalten, damit die Platte "Love Is" qualitativ in nichts nachsteht.

Trackliste

  1. 1. Know
  2. 2. Sensation
  3. 3. Nothing Is Holy
  4. 4. Air
  5. 5. Ribbons
  6. 6. Thrashers Swath
  7. 7. You (Everywhere)
  8. 8. Burdens
  9. 9. My Fear Is But A Looting Game
  10. 10. One Star

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