laut.de-Kritik

Der Rap-Raumfahrer trudelt richtungslos durchs All.

Review von

"Wenn nichts für immer ist, mach' ich für immer nichts." Die Schlussfolgerung, die KaynBock - passend zu seinem Künstlernamen - gleich im einleitenden "Tote Planeten" zieht, entbehrt nicht einer gewissen inneren Logik. Sie zeigt aber zugleich auch eine ziemlich traurige Grundhaltung.

Ihr jungen Männer, wat is' denn los mit euch? Haben euch die hochfliegenden Träume eurer Kindertage derart eingeschüchtert, dass ihr jetzt in der steten Angst vor einer falschen Entscheidung sicherheitshalber gleich völlig bewegungslos verharrt? Ähnlich wie Maxim oder Tua, nur inhaltlich wie musikalisch weit abwechslungsärmer, oder wie Rockstah, nur deutlich weniger mit sich im Reinen, zeichnet KaynBock jedenfalls ein einigermaßen freudloses Bild von sich und seinen Altersgenossen.

Ganze Jahrgänge scheinen auf der Schwelle zum Erwachsenwerden irgendwie hängen geblieben zu sein. Die Kinderschuhe passen nicht mehr. In die Fußstapfen der Eltern will man noch nicht treten. Das Zimmer im Hotel Mama tauschen diese "Alten Kinder", wenn überhaupt, gegen ein anderes Kinderzimmer in einer WG. "Neu ist scheiße, darum muss alles retro sein", erkennt KaynBock scharfsichtig. "Wir wollen eigentlich nur, dass alles so wie früher wird. Wir tragen keine Uhren, das sind die Handschellen der Zeit."

Nur ticken die Uhren eben auch außerhalb des eigenen Gesichtsfelds weiter. Die Zeit ist gnadenlos, sie verstreicht, vergeht, verrinnt - und in denen, die auf der Stelle treten, macht sich irgendwann fast zwangsläufig die große Leere breit. Die Versuche, das Loch in der Seele mit Alkohol und schnellem, bedeutungslosem Sex zu füllen, führen nur zu noch größeren Verletzungen, die Angst vor Blessuren zu noch stärkerer Abgrenzung, und die wiederum zu noch größerer Einsamkeit und Leere.

KaynBock schildert diesen Teufelskreis in eindringlichen, treffenden Bildern. Der Junge, der sich einst ausmalte, Astronaut zu werden, ist zu einem Mann heran gewachsen, der irgendwo unterwegs seine Träume verschlampt hat. "Um mich ist alles in der Schwebe. Es gibt keine falschen Schritte, weil ich niemals auftrete." Der Traumberuf wächst sich zum Alptraum aus. Der "Helm" schützt zwar, isoliert aber auch. Es bleiben der Suff, die Glotze, die XBox, Sitcoms und "Videospiele".

In "Steine" skizziert KaynBock eine an falschen Entscheidungen zerbrochene Kindergartenfreundschaft nachvollziehbar und sensibel. Beim Bohren in der schwärenden Wunde legt er auch hier gnadenlos eine Ursache frei: "Ich ignorier' die, die ich liebe, und liebe die, die mich ignorieren." Einsicht mag der erste Schritt zur Besserung sein. Wenn ihr aber kein zweiter folgt, bleibt die Heilung unerreichbar.

Genau da liegt das Problem dieses Albums: "Astronaut" tritt auf der Stelle, dreht sich im Kreis und beißt sich selbst in den Schwanz. Auch wenn Teesy mit seiner Stippvisite in "Zaungast" zeigt, warum er manchem als der deutsche Drake gilt: Im Grunde handelt KaynBock, von derlei Details abgesehen, in zwölfmal dem gleichen Rap-Stil zwölfmal das gleiche Thema ab, unterlegt von zwölfmal der gleichen Soundästhetik. Die illustriert seine Worte mit spärischen, wabernden Space-Night-Sounds, dumpfem Bass-Untergrund, Synthies und gelegentlich durchflirrenden, überraschend poppigen Passagen zwar perfekt, ermüdet irgendwann aber doch ziemlich.

Dass sich selbst der letzte Track, der sich etwas versöhnlicher gibt, nicht aus dem Einerlei abhebt, lässt ahnen: Noch hat KaynBock seinen "Heimatplaneten" nicht erreicht. Derzeit trudelt der "Astronaut" noch schwere- und richtungslos im All und dreht sich in der unendlichen Weite des Raums träge um die eigene Achse. "Glücklichsein ist 'ne Entscheidung" - eine, die noch darauf wartet, dass sie jemand trifft.

Trackliste

  1. 1. Tote Planeten
  2. 2. Alte Kinder
  3. 3. Helm mit Alessio
  4. 4. Zaungast mit Teesy
  5. 5. Steine
  6. 6. Kälteschlaf
  7. 7. Frendstehen
  8. 8. Videospiele
  9. 9. Astronaut
  10. 10. Kaputt
  11. 11. Abschiedsfeier mit Alessio
  12. 12. Heimatplanet

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