laut.de-Kritik
Ein studierter Jazzer spielt den Beatmacher.
Review von Yannik GölzDas Beatmachertum hat sich in der YouTube-Ära zu ganz neuen Ufern aufgeschwungen. Wer einmal da draußen auf YouTube in See sticht, sich ein wenig in den Soundcloud-Kalmen treiben lässt und am Ende sogar auf dem Bandcamp-Golf dahin schwimmt, der wird alles sehen. Melancholische Samples, müde Anime-Mädchen und Produzenten, die neben etablierten Legenden hochgeladen werden, von denen sich jeder sein eigenes Genre ausgedacht hat.
Kiefer ist kein Beatmacher per se. Der in San Diego geborene Musiker hat eigentlich Jazz studiert und spielt auf frühen Recordings vor allem Piano, das er auch für formidable Acts wie Moses Sumney, Anderson .Paak oder Kaytranada bediente. Über die letzten Jahre gab es regelmäßigen Output über Stones Throw Records. Seine neue EP "Superbloom" ist aber nicht mehr Piano und Beat, weniger Dilla als Flying Lotus und eine Ode an die Synthesizer, die Stimmungen mitten im Auge des Sturms der Beat-Gefilden zentriert.
Tatsächlich fällt besonders an Nummern wie "May 20" auf, dass die quietschenden nostalgischen 8bit-Synthesizer immer mal wieder unterschwellig an "Flamagra" von Flying Lotus erinnern. Der große Unterschied zum Mikrokosmos moderner Beatmusik liegt aber ganz in Kiefers Ausbildung. Wer Jazz gelernt hat, der stellt nun mal womöglich den Loop nicht vor die Progression. So schreiten die Songs immer weiter, nicht durch epochale Passagen, aber durch nuancierte Veränderungen.
Immer wieder tritt ein neues Instrument aus den treibenden Passagen hervor, stimmt eine neue Melodie an oder variiert die kleinen Jazz-Routinen subtil genug, um den Songs eine schwerelose Qualität zu verleihen. Es ist interessant, denn selbst wenn die Notation von "Superbloom" eigentlich ein waberndes, instabiles Kontinuum darstellen müsste, das sich höchstens in Motiven ähnelt, bleiben ebendiese Motive doch äußerst konstant.
Gerade im Mittelteil müsste man zwischen "Frozen" und "10.000 Days" schon genau hinhören, um die Song-Übergänge nicht zu verpassen. Es sind ähnliche Sounds, ähnliche Klänge. Und weil sich alles stets ein bisschen verändert, verändert sich nie etwas so wirklich. Das mag zur Konsequenz haben, dass "Superbloom" nicht unbedingt mit Vielseitigkeit glänzt.
Aber warum auch, wenn es eigentlich genug zu entdecken gibt. Kleine Soli, die immer mal wieder an den Enden der Loops herausbrechen wie Ornamente in der Fassade eines Gebäudes. Wie viele Musik aus dem Beat-Kosmos fällt "Superbloom" deshalb in die Kategorie 'ganz nett'. Wunderbare Café-Hintergrundmusik, Sounds, mit denen man einen behaglichen Tag im Urlaub oder YouTube-Tutorials unterlegen könnte. Musik, die in ihrer klinischen Effizienz nicht zur großartigen Verbindung einlädt, aber musikalisch auch keinen Augenblick müde wird. Es fehlt ein wenig die emotionale Tiefe des Vorgängers, was aber durch die intrigante Spielweise und geschmackvolle Instrumentierung nicht zu sehr ins Gewicht fällt. Kiefers "Superbloom" ist auch nur ein weiterer Strom in den Gewässern der Beatmusik, über dem viel blauer Himmel scheint, wenn man sich darauf zu treiben lässt.
1 Kommentar
"May 20" ist ungefähr so schwerelos wie ein Bobbycar mit gebrochener Achse. Und so hört es sich auch an.