laut.de-Kritik
Neue Räuberpistolen vom Halunkenrapper.
Review von Dominik LippeEr beherrscht es noch immer. Weniger Tage vor Veröffentlichung seines zweiten Albums regte sich Aufregung im Boulevardblatt Express. "Interpol-Fahndung in Köln: Plakat sorgt für Verwirrung - der Mann darf nicht nach Deutschland einreisen", titelte die Regionalzeitung erregt. Darunter prangte ein vermeintliches Fahndungsfoto von Interpol, das Kolja Goldstein zeigt. "Für sachdienliche Hinweise bitte hier scannen", lautet die dazugehörige Anweisung neben einem QR-Code, der natürlich nur zu einer Auswahl von Online-Shops führt, wo sich "Interpol" käuflich erwerben lässt.
In einer Gesellschaft, die seit Jahrzehnten an ihrer Liebe für den "Tatort" und "Aktenzeichen XY ... ungelöst" festhält, scheinen die Räuberpistolen des Halunkenrappers ein Selbstläufer zu sein. Dabei ist Kolja Goldstein leider kein besonders guter Storyteller, wie schon das "Intro (Interpol)" verdeutlicht. Nach wie vor rappt er so leidenschaftlich wie nur wenige seiner Zunft, doch seine Geschichten aus der Halbwelt bilden ein einziges Sammelsurium. Er tischt grobe Skizzen auf, die er zu einer Art Missetäter-Mindmapping ohne innere Dramaturgie anordnet.
Kolja Goldstein rappt in "Intro (Interpol)" mit der gleichen Passion über Obdachlosigkeit wie über schnelle Wagen und seine eigene Verzweiflung. Interessante sprachliche Bilder wie die "Henker, die in Zellen schlafen", bekommen nie den nötigen Raum, um eine Wirkung zu entfalten. Für "Burj Khalifa" eröffnet Produzent Kavo einen andächtigen Raum zur Reflexion, den der Rapper nutzt, um unzählige Themen einzustreuen, die von Vertrauensproblemen, der Krebserkrankung seines Vaters, geplatzten Karriereträumen bis zur Abkehr von der Religion und der Stütze durch seine Ehefrau reichen.
"Eure Herkunft und Nachnamen langweilt mich. Ich find' das alles langweilig", eröffnet er "Urla & Gaia", um kurz darauf über Trips nach Antwerpen und "Somalis aus Schweden" zu schwadronieren, die sich treffen, um ein bisschen zu "tratschen". Dann schimpft er auch noch auf Bushido für dessen Zeugenaussagen und Omik K., der ihm wiederum vor zwei Jahren vorgeworfen hat, seine "ganze Rap-Gangster-Schwuchtel-Welt" sei "nur Hollywood". Anschließend drohte der Leipziger dem "Global"-Rapper mit Enthauptung. So weit, so zivilisiert. Oder mit anderen Worten: "Ich find' das alles langweilig."
Den Tiefpunkt erreicht er frühzeitig mit "Gestern". Schon Silla hat neulich in "Würdest Du?!" auf "Silla Instinkt 3" mit einer Adaption von Jennifer Lopez' "If You Had My Love" irritiert. Kolja Goldstein wiederholt den Kunstgriff nun noch viel grausiger. Dazu zeichnet Dú Maroc, entlang welcher Linien die gesellschaftliche Spaltung verläuft: "Von dein' Freunden hat jeder Abitur, meine Freunde zählen Jahre." An ökonomischen Faktoren lassen sich die Unterschiede also nicht festmachen, wie die schief gekrähte Hook weiß: "Heute hab' ich Kohle, Rolls-Royce, die neuste Mode."
Neben Dú Maroc empfängt er einen ganzen Schwarm an Gastrappern, die ihm abgesehen von Celo & Abdi schon deswegen keinen Benefit bieten, weil sie ihn aus dem Schatten ins Glitzerlicht zu rücken drohen. Da gesellt sich in "Milieu24" Eno dazu, dem eine gewisse Nähe zum Söder-Clan nachgesagt wird. Capo zählt seine Scheine zum heiteren Gaming-Instrumental von Kavo. Und in "Schwarz" übernimmt rätselhafterweise Kolja Goldstein die Autotune-Hook anstelle des anwesenden Hit-Lieferanten Sido, der wiederum klingt, als hätte er sich vorher einen doppelten Whisky ohne Eis gegönnt.
Spätestens mit Manuellsen schlägt "Interpol" die obligatorische Reue-Richtung ein. Tränenreich bemängelt der Mühlheimer in "Kopfsteinpflaster", "tiefe Narben" aufzuweisen, während Kolja Goldstein auf sein "Löwenherz und Pferdelungen" pocht. Mit dem nunmehr dritten Langspieler scheint die Geschichte des True-Crime-Rappers bereits auserzählt zu sein, ohne je wirklich in die Gänge gekommen zu sein. Das ändert natürlich nichts daran, dass sowohl seine Anhänger als auch der Boulevard weiterhin nach jedem Hinweis-Fitzelchen aus dem kriminellen Milieu lechzen werden.
10 Kommentare mit 15 Antworten
Ein Punkt mehr hätte es sein dürfen. U.a. Intro, Outro, Urla & Gaia, Burj Khalifa und 22H sind schon miese Hits. Kopfsteinpflaster hat auch eine krasse Atmosphäre trotz Manuesel. Die Sound-Anbiederungen und Features verwässern das Erlebnis nur und sind unnötig. Das Album liegt immer noch weit unter seinem Potential und in erster Linie leben die Songs von seiner extrem starken Präsenz am Mic.
Wir können uns zumindest auf den Punkt einigen, dass er unter seinen Möglichkeiten bleibt. Keiner der neuen Songs erreicht die Intensität von "Metadata".
ja metadata is peak kolja.
"... Hit-Lieferanten Sido, der wiederum klingt, als hätte er sich vorher einen doppelten Whisky ohne Eis gegönnt."
Whisky trinkt man grundsätzlich ohne Eis, von daher alles richtig gemacht.
Ja, das ist korrekt. In Schottland habe ich gelernt, dass maximal ein Schuss kaltes Wasser als Zusatz in Ordnung gehe. Gemeint war der gebräuchlichere Bourbon, den ja viele mit Eis oder gar Cola trinken, weil es wenig kaputtzumachen gibt.
Bourbon ist Whiskey, nicht Whisky.
und Jack Daniels, den die Leute mit Cola mischen, ist nichtmal Bourbon.
Auch Tennessee Whiskey zählt zum Bourbon. Steht jedenfalls auf Wikipedia.
"Er tischt grobe Skizzen auf, die er zu einer Art Missetäter-Mindmapping ohne innere Dramaturgie anordnet."
Schön formuliert, ist, neben dem Bohei um seine Person, das, was mich am meisten an ihm, und auch an vielen Kollegen seiner Zunft, stört.
"Dazu zeichnet Dú Maroc, entlang welcher Linien die gesellschaftliche Spaltung verläuft: "Von dein' Freunden hat jeder Abitur, meine Freunde zählen Jahre." An ökonomischen Faktoren lassen sich die Unterschiede also nicht festmachen, wie die schief gekrähte Hook weiß: "Heute hab' ich Kohle, Rolls-Royce, die neuste Mode.""
Bitte die neoliberale Propaganda einstellen.
Ist das der von den zugezogenen Antilopen? Ich check es nicht mehr.
Wenn seine Hate-Kommentare zu wenig Aufmerksamkeit kriegen haha. Ist ja forchtbar