laut.de-Kritik

Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.

Review von

"Sie fragen: Was ist deine Vision? Ich sag': Ein Benz und eine Million." Wo sich andere vielleicht eine gerechtere Gesellschaft erträumen, existieren in Kurdos Welt nur monetäre Anreize. Nach "Verbrecher aus der Wüste" sollte diese Erkenntnis keine Überraschung sein, aber für einen Rapper, der sein mittlerweile viertes auf die Top 10 abzielendes Album veröffentlicht, ist es dennoch traurig.

Sein eigentlich einfaches Weltbild ("Es tut mir Leid, meine Welt ist schwarz-weiß.") schützt den selbsternannten Mister Orient nicht davor, sich immer wieder in Widersprüchen zu verstricken. So fährt er einerseits mit Mercedes vor der Suite vor, betont aber andererseits, noch immer stolz im "Blockhaus" zu wohnen. Und auf "Scheiß immer noch auf Trap-Beats" ("Hände Weg") folgt natürlich "K-U auf Trap-Beats, elegant und Prestige" ("Stalin").

Bei den letztjährigen US-Präsidentschaftswahlen hatte Kurdo selbstredend einen Favoriten: "Donald Trump statt Killary!" Der wiederkehrenden humorlosen Betonung der eigenen Härte geht jede zweite Ebene im Stile eines Bass Sultan Hengzts völlig ab. Doch auch dieses Bild hält sich nicht songübergreifend und relativiert sich durch kitschige Lines über Panflöten-Sound ("Rendezvouz"): "Schenk mir nur noch ein Rendezvouz und ich deck' dich wie ein Engel mit den Wolken zu."

Die Gastrapper sind mit Kollegah, Farid Bang und Genetikk prominent ausgewählt. Boss und Banger treten dem jüngst erneut verrenteten Ferris MC nach, womit sie die Vorfreude auf "Jung, brutal, gutaussehend 3" weiter anfachen. Allerdings trübt sich der Eindruck ein wenig, wenn die beiden Fitness-Fetischisten Schenkelklopfer über den Anschlag am Berliner Breitscheidplatz oder Anders Beivik platzieren. Vielleicht nur ein kläglicher Versuch, eine Kontroverse auszulösen. In jedem Fall ist es auffällig, dass sich Kollegah die unnötigsten Verse immer für die Alben seiner Kollegen aufhebt.

Bei aller Kritik gibt es auch Lichtblicke, mit denen sich "Vision" gegenüber seinen Vorgängern abhebt. Mit "Ist Schon OK" findet sich eine dynamische Funk-Nummer auf dem Album. Der nach vorne treibende Beat zwingt Kurdo, sich aus seiner Komfortzone zu bewegen. Erstaunlich gut passt er seinen Vortrag dem Instrumental an. An "Ya Salam" hat Kurdo merklich Spaß und lässt sogar ein wenig Selbstironie durchscheinen. Der assoziative Text wird über eine tanzbare Produktion von DJ Tuneruno ausgebreitet. So ergibt sich ein sommerlicher Wohlfühlsong mit 90er-Feeling.

Wirklich ärgerlich wird es dagegen in "Traum". Kurdo phantasiert darauf mal wieder vom Maybach und "500ern in Geldsäcken". Das eingebaute Biggie-Sample ist noch erwartbar und folgerichtig. Eine wirkliche Dreistigkeit ist es dagegen, in diesem Zusammenhang Martin Luther Kings "I have a dream" Rede zu samplen. Schleierhaft, wie er vor dem politisch-historischen Hintergrund des Bürgerrechtlers sowie der eigenen Erfahrung mit Rassismus auf die Idee kommt, King zu vereinnahmen, wenn die eigenen Träume nicht über grenzenlosen Reichtum hinausgehen.

Die Reduktion politischer Persönlichkeiten auf reines Namedropping zieht sich kurioserweise durch das ganze Album. Neben den erwähnten Trump und King hat es Kurdo auch der sowjetische Diktator Josef Stalin angetan, dessen Name der Zuhörer gnaden- wie zusammenhanglos um die Ohren gebrüllt bekommt ("Stalin"). Mit John F. Kennedy hat Kurdo zumindest noch das Grinsen gemein, mit Malcolm X die Religionszugehörigkeit. Doch das sind alles nicht die richtigen Vorbilder für Kurdo. Vielmehr sollte er sich im Hinblick auf sein aktuelles Werk am früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt orientieren. Dieser konstatierte einmal trocken: "Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen."

Trackliste

  1. 1. Mission
  2. 2. Hände Weg
  3. 3. Traum
  4. 4. Schatten Des Ruhms
  5. 5. Ausweg
  6. 6. Mag Sein
  7. 7. Letzter Seiner Art
  8. 8. Stalin (mit Kollegah und Farid Bang)
  9. 9. Mister Orient
  10. 10. Made In Germany (mit Genetikk)
  11. 11. Vision
  12. 12. Rendezvous
  13. 13. Ist Schon OK
  14. 14. Ya Salam
  15. 15. Best Of

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