laut.de-Kritik

Metallisches Update des Klassikers.

Review von

Mit "Comalies" erreichten Lacuna Coil 2002 ihren kreativen Höhepunkt und zugleich ihren internationalen Durchbruch. Danach erschlossen sich die Italiener nach und nach den amerikanischen Markt. Vor Kurzem beschloss die Band, das Album neu aufzunehmen. Dabei ging es laut Sängerin Cristina Scabbia der Formation darum, den Songs "ein Kleid für 2022" zu "verpassen", anstatt sich einfach nur strikt am Original zu orientieren. Das Ergebnis liegt nun mit "Comalies XX" vor.

Trotzdem klingen die ersten Sekunden von "Swamped XX" zunächst einmal vertraut. Danach nimmt der Song jedoch mit groovigen Riffs und düsteren Shouts von Andrea Ferro, die im Kontrast zum warmen Gesang Cristinas stehen, Abfahrt in stürmische Metal-Gefilde, was mit dem Alternative Goth-Vibe des Originals nicht mehr viel zu tun hat. Leider stellt sich im Verlauf der rund 45 Minuten durch das gesangliche 'Beauty And The Beast'-Schema, das eher anachronistisch als modern wirkt, und durch die Fokussierung auf Härte und viel Druck so was wie eine Dramaturgie kaum ein.

In "Heaven's A Lie XX" funktioniert zwar das Call-and-Response-Prinzip, das Wechselspiel aus emotionaler weiblicher Stimme und hartem männlichen Gesang, noch ganz gut, beginnt aber spätestens in "Daylight Dancer XX" zu nerven, zumal sich Andreas Vocals viel zu sehr in den Vordergrund drängen, anstatt eine weitere emotionale Ebene zu schaffen. Dabei hat Ferro eine wunderbar kraftvolle Klarstimme. Nur spielt die, wenn er sie wie in "Humane XX" überhaupt mal einsetzt, eine absolut untergeordnete Rolle. Von der Melancholie des Ursprungsmaterials bleibt dadurch nicht mehr viel übrig.

Zumindest bekommt man an ein paar Stellen eine Ahnung davon, wie viel Potential man aus den einzelnen Songs hätte herauskitzeln können. "The Ghost Woman And The Hunter XX", das ausnahmsweise mal ohne die Stimme Andreas auskommt, hört sich mit schleppenden Drumrhythmen, lauten Gitarrenwänden, mysteriösen Keyboards und emotional packendem Gesang noch eine Spur bedrohlicher an als das Original und wartet mit einem Gitarrensolo auf, das an Paradise Lost denken lässt. "Angel's Punishment XX" versprüht gegenüber der Ursprungsversion durch das flotte Tempo in den Strophen und durch die wütenden Spoken Words Cristinas richtig Feuer. Ferros harsche Vocals intensivieren da nur den wütenden Charakter.

Ansonsten haben Lacuna Coil die Chance nicht genutzt, die Songs gegenüber den Originalen erwachsener und tiefgründiger klingen zu lassen. Eher verfolgen sie den Weg, den sie mit "Black Anima" vor drei Jahren eingeschlagen haben, konsequent weiter. Leider ist härter nicht immer gleichbedeutend mit besser.

Trackliste

  1. 1. Swamped XX
  2. 2. Heaven's A Lie XX
  3. 3. Daylight Dancer XX
  4. 4. Humane XX
  5. 5. Self Deception XX
  6. 6. Aeon XX
  7. 7. Tight Rope XX
  8. 8. The Ghost Woman And The Hunter XX
  9. 9. Unspoken XX
  10. 10. Entwined XX
  11. 11. The Prophet Said XX
  12. 12. Angel's Punishment XX
  13. 13. Comalies XX

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3 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    ... schreibt jemand, der Schandmaul 4 Sterne gibt.

  • Vor 2 Jahren

    Damals in Bloodlines Swamped gehört und großer Fan der Unleashed Memories und Comalies geworden. Das Update entzaubert, statt mystische Sphären gibts jetzt Doublekick und Fettglasur. Macht Betroffen.

    • Vor 2 Jahren

      hab die vor urzeiten auf wacken gesehen, wo sie einen unglaublich lahmen, routinierten milquetoast gig abgeliefert haben. DAS machte betroffen.

    • Vor 2 Jahren

      Musste jetzt echt kurz ne Suchmaschine bemühen um den Kommentar nachvollziehen können... Dachte erst du sprichst von dem holländischen "Bloodlines"-Sampler des Century Media-Labels aus 1995, wo u.a. Tiamat, Moonspell, Samael und Strapping Young Lad (aber logischerweise noch nicht die erst ein Jahr später entstandenen Lacuna Coil) drauf waren, überlegte dann, ob es von dem Samper vielleicht mehrere Teile gab die ich damals einfach nie bemerkt hab und die Suchmaschine brachte dann erst die Aufklärung mit YT-Video zum Spielsoundtrack...

      ...auch weil "Vampire: The Masquerade - Bloodlines" damals voll an mir vorbei ging. Im PS-Store seh ich seit paar Monaten Teil 2 im Werbebanner. Schon gespielt und hältst Du die Reihe generell für empfehlenswert?

      Zum lauwarmen und ordentlich vergeigten "Comalies"-Aufguss ist mit Rezi und deinem OP ja bereits mehr als genug gesagt.

  • Vor 2 Jahren

    Gibt es ein berechenbareres Metal-Genre? Nicht umsonst ist darin jeder große Name ein definitives One (vielleicht auch Two) Hit-Wonder

    • Vor 2 Jahren

      Berechenbarer dürfte höchsten noch der klassische Hard Rock bzw. Heavy Metal sein. Beide Genres haben sich doch seit den späten 80ern keinen Millimeter weiterentwickelt.