laut.de-Kritik
Vorbestrafte Gitarren-Riffs treffen auf unbedarfte Jungmädchen-Intonation.
Review von Artur Schulz"LaFee ist rotzfrech, singt was sie denkt und sieht dabei einfach umwerfend aus!". Das ist der knallige Teaser, wenn ich in meinem Firefox-Google den Suchbegriff "LaFee" eingebe und der Verweis auf ihre Homepage erscheint. Kurz angeklickt: ein dunkel dreinblickendes, halbherzig auf- und angelocktes Kajalmädel taucht auf.
Zunächst in eine Art samtrotes Sonstwas-Teil gekleidet, Sekunden später dank Flash- oder irgendwelchen Techniken in ein anderes Outfit wechselnd - ähnlich jener Anzieh-Püppchen, die seit Jahrzehnten Kinderzimmer dieser Republik bevölkern. Nein, ich lass' es sein, tiefer in die Homepage einzutauchen, und befasse mich stattdessen ausschließlich mit LaFees neuem Album "Jetzt Erst Recht". Und das ist - dem dargebotenen Style entsprechend - wahrhaftig eine ziemlich gruselige Angelegenheit.
Die im Jahr 2006 15-jährige Christina Klein schlug mit ihrem Alben-Erstling "LaFee" äußerst erfolgreich in Charts und bundesdeutschen Jugendzimmern auf. Das Produzenten-Rezept: Ein apartes Fräulein in schickem Düster-Outfit haucht mit angezicktem Stimmchen vermeintlich aufmüpfige Teen-Themen vor vordergründig Rammstein-lackierten Brachialgitarren ins Mikro.
Kam an, wurde mit einschlägigen Awards belohnt, und das gut inszenierte Produkt entwickelte sich zu einer unverwechselbaren Marke. Wer und wie Christina Klein nun wirklich ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Ich hoffe, dass die inzwischen heranwachsende junge Frau den ganzen Rummel gut übersteht, der in der jüngeren Vergangenheit leider bereits zu krankheitsbedingten Ausfällen und dazugehörenden Schlagzeilen führte. Die Warhol'schen 15 Minuten seien ihr von Herzen gegönnt - die musikalische und künstlerische Qualität des Produkts LaFee hingegen leistet bereits mit dem zweiten Album einen bedingungslosen Offenbarungseid.
Im Opener "Jetzt Erst Recht" interpretiert Lafee den ihr vorgegebenen Text über "Denkt doch was ihr wollt, ich mach' mein eigenes Ding" im bereits sattsam bekannten Musik-Outfit des Vorgänger-Albums: Einschlägig vorbestrafte Gitarren-Riffs aus längst zurückliegender Metal- und Co.- Historie treffen auf unbedarfte Jungmädchen-Intonation. Das Ganze brav verpackt in Intro, Strophe, Refrain - dem klassischen Schlager-Baukasten eben. Hier in etwas deftigerer Einspielung dargeboten, mit goth-schwangeren Hintergrundchören inklusive austauschbarem Klimper-Piano.
Okay, vorbei, Track zwei steht an. Hoppla: Wieder dieselben Gitarrenriffs, eben schon gehörte Song-Strukturen - zweimal denselben Titel aufgenommen? Mitnichten, es handelt sich um die erste Single-Auskopplung "Heul Doch". Gut, dass es so im Tracklisting steht. Und der Text ist tatsächlich ein anderer.
Hier gibt's einen Soundeffekt, der an den Schmerzlaut einer Katze erinnert, der versehentlich auf den Schwanz getreten wurde. Gottlob eindeutig als Studio-Produkt zu erkennen, ganz so harsch authentisch treiben es die Produzenten dann auch hier nun doch wieder nicht. Mitunter eingestreute Synthie-Winde in den Songs verraten ebenfalls überdeutlich ihre künstliche Herkunft, ebenso wie das irgendwo auftauchende Uhu-Geschrei in feinster Edgar-Wallace-Tradition. Nächste Nummer: "Du Bist schön". Die bereits bekannten Riffs haben es inzwischen nahezu ohne Änderung sogar bis hierhin geschafft! Textlich befasst sich die Sängerin mit dem Thema Bulimie in Zeilen wie: "Du bist schön, willst schöner sein/Hungerst dich noch kurz und klein/Immer wieder mit Gewalt/Steckst Du dir deinen Finger in den Hals". Naja, bisschen holprig, aber Hauptsache, die Message kommt rüber.
Ohnehin bieten die neuen LaFee-Texte anmutig verstreut allerlei zauberhafte Schmankerl für den geneigten Lyrics-Sammler. Kostproben: "Heul doch, heul doch/Wenn du damit fertig bist/Dann bitte geh doch/Was, was, was/Was willst du noch". Am Ende schockt den Hörer gar ein böses "Arschloch" als Fade-Out. Goldener Sauerampfer-Award-verdächtig: "Ich hab' dich geliebt/Du folgst Deinem Trieb/Dein Herz ist aus Stein/Du bist ein Schwein!" Huch, noch ein Schimpfwort! Die reizvolle Metapher "Mein Magen kocht über" zeugt ebenfalls von nicht üblen Trash-Eltern, kommt allerdings nie an selige Tic Tac Toe-Höhepunkte heran. LaFee beackert eher das Terrain ungenießbarer Killerpilze im Pseudorock-Märchenwald.
Irgendeinen Zauder-Lover besingt Christina im ganz doll provokanten "Beweg Dein Arsch", musikalisch diesmal sogar ganz unterhaltsam. Auch wenn sich die - auf Albenlänge mit wahrhaft notorischen Wiedergänger-Qualitäten ausgestatteten - Gothmädel-Riffs hier erneut ihre Unheil verheißenden Wege bahnen. "Zusammen" erfreut Nostalgiker mit jenem schon 1998 die Nerven malträtierenden Sanges-Sound-Gimmick, den Cher einst in ihrem Song "Believe" bis zum Erbrechen einsetzen ließ. Klar: Die junge Zielgruppe von heute kennt weder Cher noch deren damaligen Hit - so können gewiefte Produzenten schon mal ganz tief in der verstaubten Gruft-Kiste einstiger Hipness fleddern und den ganzen verwesten Schmand als brandneues Gammelfleisch verhökern.
In der Stimm-Arbeit überwiegt bei LaFee ein unüberhörbarer Nena-Touch. Besonders bei Balladen des Kalibers "Wer Bin Ich", der ohnehin an den Straßengraben-Fund einer einst achtlos weggeworfenen Susanne Kerner-Komposition erinnert. Macht nichts. Der affinen Hörseligkeit in einschlägigen Fan-Jugendzimmern wird das sicher keinen Abbruch tun. Am besten mit Kerzenbeleuchtung samt einem großen Gläschen Kirsch-Tri-Top dazu, denn bis zu echtem Rotwein ist es schließlich noch ein bißchen hin. Und danach lauern schon gierige Emo-Überfallkommandos auf einstige "Bravo Hits"-Antwortsuchende.
P.S.: Auf der Startseite der LaFee-Homepage prangt ganz unten das Label ihrer Plattenfirma EMI. Daneben der Schriftsatz: "Gute Musik ist besser". Wohl wahr. Und ein Schelm, der Böses dabei denkt.
99 Kommentare mit einer Antwort
schon alleine wegen dem EMI-hinweis ist es diese review wert, gelesen zu werden...
mich stört lafee in der deutschen musiklandschaft wenig. "egalität" schreiben sich eben nicht nur die franzosen auf die fahne die band allerdings ist weder talentiert, noch so uuuurböse, wie sie gerne wirken würde...
mein rotz für heute
Sehr geehrter Hr. Schulz.
Hiermit möchte ich mich bei Ihnen für die äusserst gelungene Review bedanken.Noch jetzt zucken breite Grinsanfälle über mein Gesicht und ein tiefes Gefühl von Bestätigung macht sich in mir breit.
Tag gerettet.
MfG
jon
toptext, jawohl.
lafee darf sich meines mitgefühls aus zwei gründen sicher sein: erstens hat niemand, niemand verdient, so lieblos und schludrig hingerotzt produziert zu werden, und ein kleines mädchen, das sich nicht wehren kann, schon dreimal nicht. zum anderen find' ich es ehrlich erschütternd, wie man mit sechzehn schon derart nach verlebter bordsteinschwalbe aussehen kann.
armes ding.
@Hatori (« Naja, so schlimm ist LaFee nicht. Als rebellisch und gefühlvoll vermarktete, aber belanglose Texte, keine einzige Emotion im Gesang, Möchtegernrock/gothic - Das mag ja stimmen, aber es gibt Schlimmeres. Sie ist nicht ganz so austauschbar wie andere Pop..."sänger" (Siehe NoAngels, Banaroo, Us5& Co.).
Allerdings nervt es, dass überall behauptet wird, sie würde ROCK machen. LaFee und rock?! O.o Für mich klingt ihr Singsang eher nach ner Mischung aus Hiphop, Rap und Pop, alles zusammengemixt mit n bisschen Gothic und ein paar "harten" Gitarren- und Schlagzeugeinflüssen. Aber gut, für die Bravogeneration reicht es, lassen wir ihr den Spaß, in spätestens einen jahr hat sich der Emo&Gothic-Trend wieder verabschiedet und LaFee ist Schnee von gestern. --' »):
Alles klar, HipHop und Rap. Jetzt mal ganz kurz für dich Kleiner HipHop = Bezeichnung für eine ganze Subkultur/ Rap = Musikrichtung. Und wenn LaFee mit ihrer Musik zu dem Genre Rap gehört bin ich entweder tot oder auf Schlagern hängengeblieben.
Edit: Rap ist die Musikrichtung dieser Subkultur, ganz nebenbei.
Und ENDLICH dürfen wir ihre Möpse im Playboy bewundern.
Damals war sowas in diesem Thread nur das Wunschdenken vieler.
Sag Bescheid, wenn Sie ihre erste Hardcore Produktion am Laufen hat.
Huch