laut.de-Kritik
Der Todfeind der Easy-Listening Fraktion.
Review von Robert FröweinPost-Hardcore dient nur zur Orientierung. Wer die kalifornischen Schubladenverweigerer Letlive. bereits länger kennt, weiß höchstwahrscheinlich, dass sie Surferboys, Holzfällerhemdenträger und Circle-Pit Fetischisten gleichermaßen befriedigen können. Das Drittwerk "Fake History" haben die Jungs über den Branchenriesen Epitaph Records neu aufgelegt und mit drei Bonustracks garniert. Nur nicht einfach klingen, nur nicht langweilen. Zum Glück muss nicht immer der Rechenschieber herhalten, wenn sich eine Band vom Strophe/Refrain/Strophe Schema löst.
Das chaotisch-dissonante "The Sick, Sick, 6.8 Billion" entspringt aus dem sanft einleitenden Intro "Le Prologue" und präsentiert mit seiner ungewohnten Mischung aus fröhlicher Punk-Rock Attitüde und respektabel dargebotenen Mathcore Ansätzen die verquere Gedankenwelt Letlives. Mut zum Ungewohnten wird besonders hoch geschrieben. Wenn man sich die völlig unterschiedlichen Songs "Renegade 86‘", "Casino Columbus" und "We The Pros Of Con" durch die Ohren gleiten lässt, hat man unweigerlich eine synchrone Proberaumbenützung von Coheed, The Used und At The Drive-In vor dem geistigen Auge. Herausragend ist dabei vor allem Sänger Jason Aalon Butler, der sein Timbre von kratzig-kreischend über melodisch-sanft bis zu predigend-souverän unglaublich vielseitig anlegt.
Doch nicht nur beim Gesang liegt der Teufel im Detail. Der eklatant hohe Abwechslungsreichtum auf "Fake History" lässt zwar niemals Langeweile aufkommen, kann auf Albumlänge aber auch etwas anstrengend und fordernd klingen. Da reihen sich flotte Punk-Core Stampfer ("H. Ledger"), vertrackte Rock'n'Roll Hymnen ("Homeless Jazz") und zuckersüße Alternative-Popsongs ("Lemon Party") aneinander, ohne eine bestimmte Spartenklientel offensiv zu beleidigen. Zu geschickt verweben Letlive ihre zahlreichen Einflüsse, stören sich auch nicht daran, dass sie im Vergleich zu den älteren Alben wesentlich mainstreamtauglicher und zahmer geworden sind. Das von einem Piano unterstützte "Muther" kokettiert sogar mit Soul und lässt sich von der ausdrucksvollen Stimme einer Dame namens Chelsea Warlick tragen.
Jeder Track klingt nach einem anderen Album, einer anderen Band, einer anderen Ära. Die Termini Wiederholung und Stagnation sind bei Letlive in etwa so beliebt wie Borussia Dortmund in Gelsenkirchen. "Fake History" ist gut produziert, in ein schönes Artwork verpackt und so ganz nebenbei noch der Todfeind der Easy-Listening Fraktion. Postcore-Alternative-Pop-Punkrock’n’Roll-Progressive-Math Wahnsinn in Reinkultur.
3 Kommentare
Das Album war schon vor 2 Jahren der Hammer und ist es jetzt auch noch!!!
verdammt gutes album, wenn nicht mit das beste, was ich je aus dem emo'schen hardcore sektor gehört habe. 5/5.
wie konnt ich dieses release denn verpassen ?! das ist ja wohl mal das mit abststand geilste was die letzten jahre an postcore rausgekommen ist! Sollte das jetzt noch einen gewissen halbwert haben, dann ist mein album 2011 beschloßene sache.