laut.de-Kritik
Futuristische Balladen und millimetergenaues Vocal-Teamwork.
Review von Yannik GölzEnde letzten Jahres hat mit "[+ +]" eine der aufwändigsten Vorbereitungsphasen der K-Pop-Geschichte ihren Abschluss gefunden. Nachdem über ein Jahr lang jedes Mitglied mit Einzelalbum und Untergruppen präsentiert wurde, feierte LOONA ihre ersten Tracks als zwölf-köpfige Gruppe. Und während ihre verkopften Girl Power-Konzepte in Korea noch eher mit Verwunderung aufgefasst wurden, an der auch die zuckerige, gefällige Natur von "[+ +] "nichts änderte, wuchs ausgerechnet international ihre Popularität auf ein beachtliches Level.
"[X X]" ist die Fortsetzung, die all dem Kokolores ihrer Aufmachung deutlich gerechter wird. Fans der Gruppe werden dem unvertrauten Hörer zwar schon zuvor alles mögliche über Möbius-Streifen, den Garten Eden und Chaostheorie erzählt haben, weil diese Elemente in der Lore des Projekts vorkamen, aber für Pop-Banger wie "Hi High" oder "FavOrIte" war es absolut unerheblich, ob man sich die obskure und umständlich erzählte Comichelden-Hintergrundgeschichte durchgelesen hat oder nicht.
Das heißt nicht, dass diese neue EP plötzlich ganz hohe Avantgarde wäre, die Songs bleiben Pop. Aber beachtet man die neu gewonnene Tiefenschärfe und die deutlich intrigantere Klangfarbe auf "[X X]", kommen viele ästhetische Elemente des LOONA-Konzeptes hier deutlich runder in Einklang und man nähert sich viel mehr dem Status Quo der Popmusik an, der der Gruppe den Grimes-Cosign und die Gegenliebe von Avant-Pop-Spinnern weltweit eingebracht hat.
Leadsingle "Butterfly" ist eine atemberaubend schöne, elegante Pop-Ballade, die Lordesche "Melodrama"-Vibes mit einem nokturnalem Piano und entfremdeten Falsetto-Gesang in Einklang bringt, um komplett kohärent in einen befreienden, geschmackvoll ausgeführten Vocal-Drop im Major Lazer-Stil zu überleiten. Zwischendurch spielen die verschiedenen Vocal-Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder wesentlich farbenfroher miteinander, als sie es noch auf früheren Projekten taten.
Gerade wenn auf "Curiostiy" endlich die eigentlich für Operngesang ausgebildete Haseul die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient, oder auf "Colors" die bislang eher vernachlässigte, aus China stammende ViVi die Chance bekommt, ihr Deadpan-Charisma zur Geltung zu bringen. Besonders eindrucksvoll ist auch die wunderbar verwobene Kaskade von YeoJin, GoWon, ViVi und Olivia Hye nach dem Chorus von "Satellite", die im zweiten Verse darin mündet, dass Jinsoul einen der kompetenteren Rapverses der K-Pop-Industrie abliefert.
Generell klingt die Produktion ein wenig introvertierter und schwermütiger als gewohnt. Das heißt nicht, dass Songs wie "Curiosity" oder "Satellite" nicht immer noch energetische, seichte Liebeslieder sein können. Trotzdem fügt sich das Sounddesign und das millimeterpräzise Vocal-Teamwork gerade auf Songs wie "Where You At" und "Colors" zu einem atmosphärisch dichten, erbaulichen Hörgefühl zusammen.
Es ist interessant, dass "[X X]" wohl das Projekt ist, das deutlich weniger offensichtlich K-Pop-Klischees bedient, als es noch "[+ +]" getan hat. Die Atmosphäre auf diesen neuen sechs Tracks ist zelebraler, den klassischen Tropen aus R'n'B und 2000er-Pop wird eine gute Würze aus Electronica, Hip Hop und Dream Pop hinzugefügt. Dazu kommt eine futuristische Ästhetik und ein mattschwarzer Glamour, was in der Summe zu einem deutlich erwachsenerem Projekt führt, das ganz andere Stärken als sein Vorgänger zeigt. Und so schön es auch war, die quirlige, auf die Nase gebundene Blödsinnigkeit des Vorgängers zu genießen, steht dieses Stück neu gewonnene Sophistication der Gruppe beeindruckend gut zu Gesicht.
6 Kommentare mit einer Antwort
Alter...Yannik, my man! Was los mit dir?
Bald gibt's noch ne 4/5 Tokio Hotel-Rezi oder wie?
Das ist schon SEHR fragwürdig, was hier abgeht...
cant stop wont stop
freak.
Es gab auf laut.de noch keinen Rezensenten, dessen Musikgeschmack so weit weg von meinem war. Respektier ich.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Uiuiui, das letzte Release, das dieseryannik™ hier besprochen hatte, bewegte sich ja fast schon im Bereich des Hörbaren. Mal schauen, ob ich mir das hier noch einmal gebe, wenn es jetzt tatsächlich noch ausgereifter und weiter weg von gängigen K-Pop-Klischees sein soll. Wobei ich befürchte, das mein Problem mit der Art Mucke etwas elementarer ist. Albumcover ist auf jeden Fall schonmal ziemlich gruselig.