laut.de-Kritik

Die ruhigen Klänge lassen genug Zeit zur Besinnung.

Review von

Das letzte Solo-Piano-Album Ludovico Einaudis hat mittlerweile schon zwanzig Jahre auf dem Buckel. Ein weiteres wollte er schon seit mehreren Jahren schreiben, doch brauchte er die richtige Zeit und die nötige Ruhe dafür. Er wollte sich nämlich auf das Songwriting in seiner reinsten und intimsten Form konzentrieren, ganz ohne Technik und äußere Einflüsse. Während des Lockdowns fand er schließlich die Gelegenheit. Die Musik ließ er dabei einfach fließen. Das Ergebnis liefert nun "Underwater", das es auf CD, 2LP, Coloured 2LP und als Notenmaterial zu kaufen gibt.

Der Opener "Luminous" lebt vom Wechselspiel aus reinen, perlenden sowie warmen, melancholischen Klängen und lädt dazu ein, die Hektik des Alltages zu vergessen. Optimistischer geht es in "Rolling Like A Ball" zu. Trotzdem bleibt die Musik immer ein wenig gedämpft.

Zwischen Nachdenklichkeit ("Indian Yellow", "Almost June", "Underwater") und Zuversicht ("Flora", "Natural Light", "Nobody Knows") pendeln auch die restlichen Songs, wobei der Italiener stets auf klare, einfache Rhythmen und Melodien setzt. Dadurch lässt sich ein gewisser dynamischer Spannungsbogen nicht absprechen.

Andererseits eignet sich durch das all zu ruhig gedämpfte Klangbild jeder einzelne Song für eine Konzentrations-Playlist auf Spotify. Nichts stört den Fluss. Dementsprechend bietet die Scheibe ideale Hintergrunduntermalung, die sich zum bewussten Hören weniger eignet.

Das klingt jedoch negativer, als es gemeint ist, hat die Musik, gerade da sie nicht vom Eigentlichen ablenkt, durchaus ihre Daseinsberechtigung. Zudem zeugen die tänzerische Melodie in "Natural Light" oder die kreisende Motivik in "Swordfish" davon, welch berückende Qualität die Musik des 66-jährigen immer noch besitzt.

Vordergründig konzentriert sich Einaudi aber darauf, mit zurückgenommenen Rhythmen und behutsamen Melodien Naturbilder von zarter, unaufdringlicher Schönheit zu zeichnen. Jedoch sorgt die zurückhaltende Herangehensweise für so manche Längen. Der ein oder andere Ausbruch aus der Ruhe wäre der Abwechslung auf jeden Fall förderlich gewesen. Dafür bleibt für Besinnung genug Zeit und die kann man in manchen Momenten ja auch ganz gut gebrauchen.

Trackliste

  1. 1. Luminous
  2. 2. Rolling Like A Ball
  3. 3. Indian Yellow
  4. 4. Flora
  5. 5. Natural Light
  6. 6. Almost June
  7. 7. Swordfish
  8. 8. Wind Song
  9. 9. Atoms
  10. 10. Temple White
  11. 11. Nobody Knows
  12. 12. Underwater

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Ludovico Einaudi

"Eigentlich mag ich keine Definitionen, aber 'Minimalist' ist ein Ausdruck, der für Eleganz und Offenheit steht. Ich möchte also lieber Minimalist genannt …

4 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    In Klassikforen wird der ja auf eine Stufe mit James Last und Andre Rieu gestellt.

    • Vor 2 Jahren

      ist das gut oder schlecht?

    • Vor 2 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 2 Jahren

      Letzten Endes fordert die Musik das Hirn ja kaum. Da gibt es häufig schöne Melodien, die aber kaum variiert oder weitergesponnen werden. Das fließt alles ohne nennenswerte Brüche schön vor sich hin. Musikalisches Fast Food im Grunde genommen und deswegen ist der Vergleich zu James Last und Andre Rieu nicht unbedingt Fehl am Platze. Ob man das gut oder schlecht findet, ist ja letzten Endes eine subjektive Frage.

    • Vor 2 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 2 Jahren

      Aha. Klassikforen also. Mir ist ja schon irgendwie klar, dass einige Klassik-Freaks ein Problem mit populären Spielarten ihrer E-Musik haben. Massentaugliche Klaviermusik scheint ein riesiges Ärgernis für so manchen zu sein. Da wird ja E-Musik mit U-Musik vermischt. Sakrileg!!!!!
      Neoklassik wird das ja inzwischen genannt.

      Es gibt weitere Beispiele in der Musikgeschichte, die kontrovers diskutiert wurden, z.B. "Jazz Vs. Jazzrock".
      Als Zivildienstleistender musste ich mal einen pflegebedürftigen, pensionierten Musikprofessor betreuen. Für diesen war Jazzmusik, zu der man tanzen kann die Ausgeburt der Hölle. Bands wie "The Beatles" hatte er gar nicht erst als Musik anerkannt. An den muss ich immer denken, wenn ich Kommentare wie oben lese :).

      Ich fände mal unterhaltsam wie diese "Klassikforen" die andere Popmusik bewerten, die hier in DIESEM Forum so diskutiert wird.

  • Vor 2 Jahren

    Ich bleib dann lieber bei Francesco Zweimercedes.

  • Vor 2 Jahren

    So was wie Dreigroschenopel braucht von dem niemand zu erwarten.

  • Vor 2 Jahren

    Mittlerweile wie Kaugummi, aber nach wie vor eine gute Alternative zur klassischen Untermalung beim Chinesen.