laut.de-Kritik
Die Gockelrap-Szene leidet unter dem Lockdown.
Review von Anastasia HartleibEs ist schon ein paar Jährchen her, dass Majoe die Ohren der Nation beglückt hat. "Frontal" war das, 2018. Schon damals hat sich der Duisburger eher das Gefieder zurechtgerückt, statt inhaltlich auch nur irgendeine Art von Relevanz zu liefern. Um es gleich vorwegzunehmen: Daran hat sich auch im "Lockdown" nichts geändert.
Verbracht hat Majoe den mit seinem neuen Buddy Silva. Der Bursche mit dem blondierten Haar stammt ebenfalls aus Duisburg, hat ebenfalls relativ wenig zu sagen und liebt es, Lieder damit zu füllen. Und wenn sowieso schon weniger zu tun ist als sonst, macht man doch einfach gemeinsam ein Album über nichts und nennt es "Lockdown". Gesagt, getan.
Wer jetzt gedacht hat, die beiden liefern mit ihrer 19-Track langen Kollaboration ein Konzeptalbum über Schutzverordnungen, Masken und Hygieneabstand hat falsch gedacht. Tatsächlich kommt das Wort "Lockdown" nicht ein einziges Mal auf dem Album vor. Dagegen äußerst präsent: Markennamen, Drogen und viel, viel Verwirrung.
Dabei wird man den Eindruck nicht los, dass vor allem die letzten beiden Themen zumindest bei Silva miteinander zusammenhängen. Seine Lines sind teilweise so fahrig, dass man fast zum Telefon greifen und eine Suchtberatung für den Jungen rufen möchte. "Das Leben ist hart, wenn du mich fragst was machst du jetzt grad / Hast du ne Xanny parat? Hast du ne Codein-Flasche?" - "Mein Kopf ist voller Gas / da hilft auch kein Tillidin". In "Sternenhimmeldach" läuft er "druff-druff durch die Hood" und verpasst deswegen sogar ominöse Business-Meetings. Auch wenn Silva die Drogen mal für einen Moment beiseite legt, geben viele seiner Reime Rätsel auf. "Ich muss nie wieder U-Bahn fahren / Leben tagein, tagaus in meiner City / sie ist in Lazy Town nach einem Jibby" Hä? "Schütt' den Henny Eis" Ja, wohin denn? "Leben ist so schwer / früher nichts / bleib Millionär" Das macht ungefähr so viel Sinn wie Apfel / ich will umziehen / Zahnzusatzversicherung.
Zwischenzeitlich kommt auch noch die NASA ins Spiel. Doch zwischen den Zeilen aus fragwürdig zusammengeworfenen Worten blitzen hin und wieder Anzeichen hemmungsloser Minderwertigkeitskomplexe durch - wenn auch vermutlich unbewusst. "Seh den Hass in den Augen von manchen Fans" - "Sie schaut mich an und sie fühlt sich allein." Da kann einem Silva fast schon Leid tun.
Da geht's bei Majoe deutlich simpler zu. "Mein Leben ein Buch, guck auf die Tattoos." Manchmal auch simpel und poetisch zugleich: "Manches vergeht und manche Sachen verweil'n / vieles kann man vergeben und manche Sachen verzeih'n." Neu ist, dass Majoe mittlerweile Distanzen fühlen kann und dafür scheinbar bluten muss: "Fühle mich so weit entfernt von den Sternen / Blut an den Händen / Blut in der Seele." Den Höhepunkt allen Wahnwitzes erreicht Majoe bereits auf Track Nummer vier, der auf den gehaltvollen Titel "Condor" hört. "Die Felgen, das Cash, der Erfolg / Und darauf bin ich stolz, denn ich hab das alles nicht gewollt." Seit fünf Alben und sieben Jahren rappt Majoe über nichts, wirklich nichts anderes, aber sagt jetzt im sechsten Anlauf, er will es eigentlich gar nicht. Da fragen selbst die Adlibs nochmal verunsichert nach.
Auch die Featuregäste bringen nicht mehr Licht ins Dunkel. Veysel hat Freunde wie Matratzen Concord ("Hab meine Jungs an jeder Ecke wie die Matratzen"). Lil Lano aka Meine-dumme-Mutter-verbietet-mir-mein-Gesichtstattoo ist scheinbar noch schlimmer dran als Silva - "Sie schaut mich an und sagt die ganze Welt ist verlor'n" und Olexesh tanzt mal zu Rap, mal zu Techno, während bei Farid Bang Messi auch Messi mit der Nummer elf ist.
Fassen wir es kurz: Der "Lockdown" wirkt sich nicht unbedingt positiv auf die Gockelrap-Szene aus. Der Drogenkonsum steigt, die kognitiven Fähigkeiten sinken (weiter). Da hilft wohl auch kein Tillidin mehr.
8 Kommentare mit 2 Antworten
Ungehört 0/5. utopischer Schmutz.
Ja, ich hab heute wieder den Pedanten mit an der Tastatur, aber müsste es in diesem Fall nicht korrekterweise "dystopischer Schmutz" heißen, wenn schon überhaupt wer diesem Werk und seinen Erschaffern ein Zugeständnis auf eine vorhandene gesellschaftliche Zukunftsvision in Lyrik und Stil der Platte machen möchte?
Hab ich auch überlegt. Aber vllt ist es utopisch, dass jmnd das geil findet?
Musik für Sodhahn und garret. Unfickbare 0/5
"Apfel / ich will umziehen / Zahnzusatzversicherung" - Grandios!
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
unfassbar das der majoe immernoch regelmässig musik released obwohl es offensichtlich schlecht kopierter Schmutz ist.
Kann gerne im Lockdown bleiben.