laut.de-Kritik
Psychedelisch-säuerlicher Prog-Hop für die alltägliche Antipathie.
Review von Florian WeiglNach "The Impossible Kid" und der Kollaboration mit Homeboy Sandman ist es zuletzt bis auf zwei Singles relativ ruhig um Aesop Rock geworden. Um so erfreulicher dann die Nachricht, als Rhymesayers im letzten Jahr eine neue Kollaboration zwischen Aesop Rock und Tobacco unter dem Namen Malibu Ken ankündigte. Wie der Veteran weiß und jeder Neuling schnell feststellt: Auch in 2019 ist bei Aesop Abstraktion und Wortspiel wichtiger als konkrete Message. Muss man lieben (lernen), macht aber immer noch niemand besser. Beispiel gefällig? Auf "Walls Up" denkt sich Aesop in einen Acid Western, um seine antisozialen Tendenzen zu beschreiben: "Pick a one-horse town, four horsemen got his number / I feed each one the others camouflaged in Fluffernutters".
Die Verbindung zu Tobacco reicht bis nach 2008 zurück, als Aesop ihn mit auf Tour nahm. Es folgte ein Feature auf dessen Debüt "Fucked Up Friends", das zum ersten Mal zeigte, wie gut die beiden musikalisch zusammenpassen. Ähnlich wie bei seiner Hauptband Black Moth Super Rainbow arbeitet Thomas Fec auch bei seinem Solo-Projekt Tobacco ausschließlich mit analogen Synthies, Tonbandgeräten und Vocoder, die zu einem psychedelisch säuerlichen Prog-Pop vermischt werden. Auf Malibu Ken wird dieses Template dann noch um Lo-Fi-Beats und 80er Horrorschlock erweitert. Basslines und Arpeggios hissen und brodeln hier wie das zerschmelzende Gesicht, das einst die Poster von Larry Cohens "The Stuff" zierte.
Malibu Ken beginnt als ein apathischer Ritt in die Apokalypse. Botanischer Surrealismus verkommt in "Tuesday" zur Routine, als Aesops nüchterner Flow und Tobaccos staubtrockener Sirenenbass einen der besten Einstiege des Albums vorlegen: "There's something you should probably know before we go too far / My neighbor found a mushroom growing inside of my car / She called me up on tour, sounding emotionally scarred / Although it may have scared her more that I wasn't really alarmed." Auch in "Sword Box" schneidet die Selbstreflektion wie ein Skalpell. In Magier-Metaphern verkleidet, philosophiert Aesop dabei über den Druck, den er als Performer gegenüber seinem Publikum verspürt: "Saw myself in pieces for purveyors of the strange / put the pieces back together, though I'm never quite the same."
In "Acid King" wechselt Aesop dann das Register und switcht in seinen Storytellermodus, indem er die Geschichte von Ricky "The Acid King" Kasso vertont. Kasso bezeichnete sich selbst als Satanist, verdiente sein Geld vor allem aber als Dealer, als er 1984 im Drogenrausch den 17-jährigen Gary Lauwers umbrachte und verstümmelte. Der Fall wurde schnell berühmt und Teil der "Satanic Panic", die während der 80er Jahre die U.S.A. heimsuchte. Auch Aesop ringt mit dieser Hysterie und sucht verzweifelt nach Tieferem. "Some say Kasso was part of a cult / but I'm sure there was more than we're told / more than adults or authority could rightly decode / or maybe I'm wrong and he's finally home", resümiert Aesop am Ende, bevor sich der Song noch mal zu einem letzten Ritt Richtung Vollmond aufschwingt.
Die um sich greifende Apathie, die die süffigen und aufgeweichten Körper von Aesops Protagonisten befällt, findet einen hoffnungsvollen Kontrast in dem letzten Drittel des Albums, das mehr und mehr Lichtblicke zulässt. Highlight der Platte ist dabei "Churro", ein Liebesbrief an ein Pärchen von Weißkopfseeadlern. Diese hatten in Pittsburgh, PA ihr Nest aufgeschlagen und konnten dank Livestream bald tagtäglich beobachtet werden. Aesop setzt sie in Kontrast zu der erschöpfenden Arbeitsmonotonie: "And so it was the PA game commission would install a webcam / with a live feed that would showcase the avian lovers / you could be sitting in your office feelin' testy / spilling coffee on a spreadsheet / thinking "Jesus Christ, my life is dismal" / two seconds later, you could stare into a portal / that reminds you there is more / than what your awful nine-to-five permits you. "
Obwohl das Album mit gut 30min sehr kompakt gehalten ist, beginnt es sich langsam zu wiederholen. Kennst du ein Instrumental von Tobacco, kennst du alle, und auch wenn die Chemie zwischen ihm und Aesop stimmt, hätte ich mir doch etwas mehr Abwechslung im Songwriting gewünscht. Dazu kommt auch, dass Songs wie "Dog Years" oder "1+1=13" für mich noch zu sehr Filler sind, um die Höchstwertung zu vergeben. Das ist Meckern auf hohen Niveau, aber bei Aesop kann man sich dies noch erlauben. Konkrete Pläne für ein zweites Album gibt es noch nicht, aber wie Aesop auf "Sword Box" schon mal anteast: "I never really do these things twice / but if y’all ask nice I just might."
2 Kommentare
Da passiert im Hip-Hop zur Abwechslung mal was halbwegs Innovatives, Frisches, und keinen interessierts. Hip-Hop-Fans sind echte Kleingärtner.
Finde die Review ziemlich passend, hätte aber wohl eher 3/5 vergeben. Die erstem paar Tracks ist das noch ziemlich erfrischend, aber auf die gesamte Laufzeit sind die Beats dann doch zu gleichklingend. Und Aesop ist sicherlich ein guter, aber auch jemand der mehr durch Lyrics als durch den Flow glänzt. Aber schön ihn mal auf etwas weniger sperrigen Produktionen zu hören.