laut.de-Kritik

Eine in die Jahre gekommene Band setzt ein vitales Lebenszeichen.

Review von

Erosion der Demokratie, Herrschaft des Geldes, Rassismus und Ausgrenzung: Was sich liest wie die Bücherempfehlungen des Sahra-Wagenknecht-Fanclubs, sind in Wirklichkeit die Themen des letzten Marillion-Albums "F E A R".

Den Protest gegen die wirren Zustände auf diesem Planeten verpackt das Quintett nicht wie die Canterbury-Kollegen von The Tangent auf "The Slow Rust Of Forgotten Machinery" in satten Agit-Prog, sondern in Klanglandschaften voller Atmosphäre und, wie mancher Kritiker anmerkt, auch voll Langeweile.

Wie gut, dass es nun eine Live-Nachlese gibt, die den Meltdown westlicher Selbstherrlichkeit gekonnt in Szene setzt. Den Hintergrund bildet die restlos ausverkaufte Royal Albert Hall, ein wahrlich gehobenes Ambiente, um gegen Missstände aufzubegehren.

Insbesondere Regisseur Tim Sidwell und Mixer Michael Hunter liefern ab. "F E A R" erstrahlt wirklich in neuem Glanz. Stimmungsvolle Visuals ergänzen Highlights wie "White Paper" oder "Living In Fear". Die an "Apokalypse Now" erinnernde Hubschrauber-Armada, die in "El Dorado" auf das Auditorium zufliegt, illustriert diesen Track anschaulich. Auch die ein oder andere Durststrecke im Longtrack "The Leavers" füllen die Video-Einspieler mit Leben.

Das Konzert ist unglaublich gut abgefilmt. Gerade auf Blu-ray zeigt dies seine Wirkung. Der Zuschauer folgt gebannt der Slow Hand von Feeling-Gitarrist Steve Rothery, den theatralischen Darbietungen von Frontcharismatiker Steve Hogarth, dem pulsierenden Bass von Pete Trewavas und den in Sachen Bühnenshow und Spieltechnik wie in Stein gemeißelten Parts von Keyboarder Mark Kelly und Drummer Ian Mosley.

Das Highlight des Abends im royalen weiten Rund bildet der zweite Teil des Abends. Hier spielen Marillion Bandklassiker, ergänzt um ein äußerst hübsch anzuschauendes und, noch wichtiger, spieltechnisch begnadetes Streichquartett sowie eine Flöte und französisches Horn.

Der Less Is More-Ansatz der Kompositionen lässt viel Raum zwischen den Notenzeilen. Die klassischen Musiker nutzen diese Steilvorlage und erweitern das Repertoire. Artrock-Hymnen wie "Go!", "Afraid Of Sunlight" oder "Neverland" erschließen neue klangliche Dimensionen und bieten auch den Die Hard-Fans einen Kaufanreiz. Somit gibt die in die Jahre gekommene Band gerade mit der klanglichen Politur des zweiten Sets ein äußerst vitales Lebenszeichen ab.

Trackliste

Blu-ray 1

  1. 1. El Dorado
  2. 2. Living In Fear
  3. 3. The Leavers
  4. 4. White Paper
  5. 5. The New Kings
  6. 6. Tomorrow's New Country
  7. 7. The Space
  8. 8. Afraid Of Sunlight
  9. 9. The Great Escape
  10. 10. Easter
  11. 11. Go!
  12. 12. Man Of A Thousand Faces
  13. 13. Waiting To Happen
  14. 14. Neverland
  15. 15. The Leavers - One Tonight

Blu-ray 2

  1. 1. We Will Make A Show (Documentary Film)
  2. 2. The Space
  3. 3. Afraid Of Sunlight
  4. 4. The Great Escape
  5. 5. Easter
  6. 6. Go!
  7. 7. Man Of A Thousand Faces
  8. 8. Waiting To Happen
  9. 9. Neverland
  10. 10. The Leavers - One Tonight

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2 Kommentare mit 19 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    In punkto Symbolik hatten Marillion ja schon immer viel zu bieten. Ich frage mich, ob "F E A R" als "Fuck Everything And Run" ein bewusstes Aufgreifen bedeutet. In der AA-Szene steht es ja anscheinend synonym für das abbrechen aller Zelte, den totalen Neuanfang im Angesicht einer drohenden Katastrophe. Das würde natürlich auch als allegortiwsche Faust aufs Auge zur Flüchtlingskrise und dem Umgang damit passen.

    • Vor 6 Jahren

      Fuck Everything and Run? Flüchtlingskrise?....Ähm ok

      Zum Thema Marillion! In meinen Augen schon immer komplett überbewertet. Seichter Hausfrauenpop der es aber in seiner Hochphase irgendwie geschafft hat erfolgreich vorzugaukeln er wäre mehr als dies.
      Irgendwie auch schon wieder eine Leistung!

    • Vor 6 Jahren

      Unsympathisch wie ich nunmal bin muss ich noch einen draufsetzen!
      Die Review unserer Siebenbürger Legende befindet sich nunmal direkt darunter hört man beides hintereinander fällt eines deutlich auf! Der gute Peter hat mehr Energie im kleinen Finger als diese ganze Marillion Truppe!
      ...okdaswars

    • Vor 6 Jahren

      "Fuck Everything and Run? Flüchtlingskrise?"

      warum nicht? ist doch im grunde genau der beweggrund der fliehenden massen.

    • Vor 6 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 6 Jahren

      könnte mir auch gut vorstellen, dass marillionalben für viele menschen fluchtgrund nr.1 sind.

    • Vor 6 Jahren

      "ist doch im grunde genau der beweggrund"

      Übersetzt heist das für mich, scheiß auf alles und renne davor weg. Also vor der Scheiße o. ist man dann wieder bei den Flüchtenden und schiebt ihnen den schwarzen Peter zu?

      Ich glaube, die Verantwortung für das Flüchtlingsdrama Weltweit, liegt eindeutig nicht bei ihnen selbst. Im Gegenteil, das ihnen Idioten immer mehr die tatsächlichen Fluchtgründe vorenthalten, macht die Situation schlimmer.

      Eine Abschiebepraxis beruht gar darauf hier in DE, so Sprüche wie das Boot ist voll, deshalb! Das wir nach gut 180 Tagen unsere Jahresressourcen weg gefuttert haben, sagt aber keiner, deren Boote angeblich voll sind.

      Nein Anwalt, das kann ich dir nicht durch gehen lassen, sorry. Mir ist schon klar dass das alles im Zusammenhang mit "Ich frage mich, ob "F E A R" als "Fuck Everything And Run" ein bewusstes Aufgreifen bedeutet." steht und deshalb missverständlich ist. Bitte korregieren, falls ich falsch liege.

    • Vor 6 Jahren

      schwarzer peter find ich jetzt in diesem zusammenhang aber voll rassistisch. nein speedy, das kann ich dir nicht durch gehen lassen, sorry.

    • Vor 6 Jahren

      "Also vor der Scheiße o. ist man dann wieder bei den Flüchtenden und schiebt ihnen den schwarzen Peter zu?"

      nein, im gegenteil: dem "everything". wie kann man das missverstehen? von klimawandel über ethnische säuberung bis zu is ist da docfh alles denkbare im boot des legitimen.

      den spruch selbst als motto der anonymen alkoholiker im fall einer absoluten existenzkrise habe ich übrigens von stephen king. beschreibt er ausführlich in "dr sleep".

    • Vor 6 Jahren

      "nein, im gegenteil: dem "everything". wie kann man das missverstehen? "

      Das frage ich mich jetzt aber auch. Wie kann man bloß einen nicht näher spezifizierten Begriff wie "everything", der so ziemlich alles bedeuten kann, beziehungsweise das wortwörtlich auch tut, missverstehen bzw. nicht wissen, was damit konkret jetzt gemeint sein soll. Geradezu unerhört so etwas.

    • Vor 6 Jahren

      man muss den begriff nicht einmal verstehen, um zumindest nicht auf den völlig verqueren gedanken zu kommen, hier ginge es darum, jenen, die flüchten, ergo "die everything fucken", den "schwarzen peter" zu zu spielen. erst recht nicht, wenn schon der erste absatz der rezi von rassismus, ausgrenzung etc spricht.

    • Vor 6 Jahren

      Ja, ist ja schön und gut. Nur so wie du das formulierst mit "wie kann man das missverstehen?" oder "man muss ja nicjt einmal ... um nicht auf den völlig verqueren Gedanken zu kommen" klingt das fast schon so, als würdest du das geradezu als Affront werten. Dabei hat Speedi ja sogar geschrieben, dass er ja vielleicht in seiner Interpretation daneben liegt. Da finde ich dann ganz ehrlich, dass man solche Kommentare dann auch mal stecken lassen kann, völlig unabhängig davon, ob sie jetzt begründet sind oder nicht.

    • Vor 6 Jahren

      Des "everything" kannste hier doch net vom "fuck" trennen, also bedeutet "fuck everything and run" einfach "scheiß auf alles und renn".... Meint Ihr net Ihr interpretiert da einfach zu viel rein? Weil ansonsten kanns alles oder eben nicht bedeuten und is damit nichtssagend womit man wieder frei interpretieren kann und schon sind ma ganz natürlich bei der Flüchtlingskrise... Auf die man, je nach Interpretation, ja allerdings scheißen kann...

    • Vor 6 Jahren

      ja, natürlich. wenn leute, die mich und meimne rezis besser kennen, wider besseres wissen öfent6lich die möglichkeit in betracht ziehen, ich könnte der ansicht sein, dass flüchtlingen den schwarzen peter zu zu schustern mein game wäre, ist das auch ein affront. was denn sonst?

    • Vor 6 Jahren

      @48h:
      Ja, natürlich macht das denke ich mal am meisten Sinn, das so zu auszulegen, wie du das gerade getan hast und wahrscheinlich war das auch nicht so sinnvoll von mir das am Wort "everything" so kleinteilig abzuarbeiten. Aber unabhängig davon besteht der Punkt ja weiter, dass ohne weiteren Kontext ein "fuck everything..." sich mit Bezug auf das Schlagwort "Flüchtlingskrise" auf verschiedene Weise und aus verschiedenen Blickwinkeln interpretieren lässt und dass es dann halt tatsächlich mit etwas Pech vorkommen kann, dass man es dann auch mal missverteht.

    • Vor 6 Jahren

      "ist das auch ein affront" + "die mich und meimne rezis besser kennen"

      Liest du gelegentlich auch mal drüber, im Umkehrschluss? Ja natürlich, der Speedi hat nen Schatten unter dem Pony und Angriff ist die beste Verteidigung! Frage mich nur gerade, was halt ich mich mit so schlauen, selbstverliebten Leuten eigentlich auf? Ein Piechs und die Welt hat sich gegen sie verschworen! Und ich dachte noch, gerade die Kleinigkeiten achten, hätte ich vom Anwalt gelernt. Wahrscheinlich eine Sinnestäuschung! Und falls die Frage dir auf den Lippen liegt, rechte und linke Hälfte komunizieren bestens aktuell und ich bin kein Stück auf Krawall gebürstet, eine gewisse Grundwut ist immer! Klar?

    • Vor 6 Jahren

      Und auf einmal schaut der Meister zum Schüler hinauf!

    • Vor 6 Jahren

      Im groben meinte ich genau das was @48h schrieb! Um hier mal durch zu lüften und die Stinker aus dem Fenster zu lassen, auch die eigenen selbst, ach was weiß ich schon. ;)

    • Vor 6 Jahren

      Mundi kusch, das hier feinste Degenfechterei und verwundet liegt ein Anwalt in der Ecke, weil ohne Visier unterwegs. :D

  • Vor 6 Jahren

    Bluray gefällt, aber Marillion ist für mich eine Zeit mit Fish und eine ohne, in so weit aus einem gefällt wird niemals ein mehr werden u. 4/5 find ich schon deutlich mehr als ein Gefallen.

    • Vor 6 Jahren

      Ich vergass zu erwähnen für alle zu spät geborenen, ich meinte folgende Alben (mit Fish als Leadsänger), wobei letzteres nicht mein Favorit ist, aus der Reihe:

      Script For A Jester`s Tale (1983)

      https://open.spotify.com/album/5mbtDQJwsio…

      Fugazi (1984)

      https://open.spotify.com/album/3fyFddxAoeW…

      Misplaced Childhood (1987)

      https://open.spotify.com/album/3ExyKxlUkqD…

      Allein die Cover in LP Größe min. waren Kunstwerke, heute bekommste so was eher selten zu Gesicht. Eigentlich kann man sich den Dali sparen, hast du die drei Cover auf Tappete gezogen. ;)

      Eigentlich habe ich keine Lust mehr auf eine Genisis Diskussion, die gab es aber damals nun mal im Zusammenhang mit Marillion, also komme ich nicht drum herum. Damals sagte ich, Marillion waren die besseren Genisis und da bin ich immer noch.

      Alle drei Alben stehen als einsames Monument da, wie ein Hinkelstein. Alben aus der Reihe, was würde ich mitnehmen auf eine einsame Insel! Anhören ist Pflichtprogramm!

      Gruß Speedi