laut.de-Kritik
Empowern für gute Werte, gemeinsam mit FLINTA-Artists.
Review von Ben SchiwekNach über zwei Jahrzehnten hört man die Sängerin von Mia. zum ersten Mal auf Albumlänge ohne ihre Band. "Dieses Album ist für Gleichberechtigung und gegen Ungerechtigkeit, für Zusammenhalt, gegen Grenzen. Es geht um Menschen, die sich zusammentun, sich gegenseitig stärken und unterstützen, auf dass sie ihre eigene Identität leben können", sagt Mieze Katz über ihr Solo-Debüt "Dafür Oder Dagegen". Das Zitat stellt eine Mission klar in den Vordergrund: Gemeinschaft. Daher ist es zwar ein Solo-Album, aber auf keinem der Songs ist Mieze Katz allein.
Eine illustre Feature-Liste schmückt die Platte: Vertreterinnen der "älteren Riege" wie Annett Louisan, Eva Briegel (Juli), sogar eine posthume Hildegard Knef sind dabei. Aber auch die junge Generation kommt zusammen, etwa Wilhelmine, Madeline Juno oder Gwen Dolyn (Tränen). Was fällt auf? Es sind alles FLINTA-Artists, auch das war Mieze wichtig. Eine starke Grundidee also schon mal: kollaborativer Austausch und gegenseitiges Empowern für gute Werte.
Und wie klingt Mieze solo? Hmm, gar nicht so einfach zu sagen, denn irgendwie bleibt aufgrund der vielen Gäst*innen gar nicht so viel von Mieze selbst hängen. Das Highlight ist oft die Produktion, an der saß die Produzentin Novaa, die schon mit einigen bekannten Gesichtern der aktuellen Indie-Pop-Bubble zusammengearbeitet hat und auch selbst Musik macht.
Auf Miezes Album serviert Novaa meist blubbernde, elektronische Produktionen, die ein bisschen nach Trance und Electro-Pop klingen. In den ruhigen Momenten schafft sie wiederum einen Chamber-Pop-Sound mit schön organisch klingenden Klavieren und Streichern. Zwischen diesen beiden Extremen spielen die Songs: ruhige Balladen, aber auch schillernde Club-Momente. Auf beiden Seiten klingt das nach gutem Handwerk samt schöner Sound-Spielereien. Aber Mieze selbst?
Sie singt über Unsicherheiten, über die Gleichheit aller Gender, über Selbstliebe ‒ alles wichtige Themen, manchmal auch ganz nett in Worte gefasst, aber so richtig deep wie in der Ankündigung wird es nicht. Zudem bringt sie das alles ein wenig platt rüber. Dabei stachen Mia. als Band damals doch auch wegen Mieze Katz heraus. Sie hatte Charisma, das hier aber fehlt. Oder vielleicht zündet das im Jahr 2025 über diese Instrumentals einfach nicht. Der Song "Cool" zum Beispiel klingt wirklich nicht wie das, was der Titel verspricht. Und auch "Prosecco" mit Annett Louisan und Miss Platnum wirkt ein wenig, als würden sich Mütter von ihrer wilden Party-Jugend erzählen. Das sind die unangenehmen Momente, der Rest des Albums ist meist belanglos.
Die Features sind nicht schlecht gewählt ‒ bis auf Namika, die uns mit ihrer langweiligen Strophe ins Gedächtnis ruft, weshalb man sie eigentlich in der 2010er-Deutschpop-Ära zurückgelassen hat. Thematisch passen die Gäst*innen oft gut, aber die Fadheit des Projekts entzieht ihnen allen die Ausstrahlung.
Interessanterweise ist gerade der beste Song kein richtiges Feature: "Bei Dir sein". Wenn die UK-Garage-Drums auf die sanften Synths und Streicher treffen und dann noch das Hildegard-Knef-Sample darüber thront, entsteht ein richtig schöner Vibe. Und auch Mieze hinterlässt hier, wo man ihr Platz lässt, mehr Eindruck. Schöne Momente finden sich auf "Dafür Oder Dagegen" immer wieder, aber die Basis des Albums ‒ nämlich Mieze Katz selbst ‒ geht oft unter. Da wirken auch wichtige Botschaften zahnlos. Deshalb spricht insgesamt schon mehr Dagegen als Dafür.
9 Kommentare mit 20 Antworten
Wenn ich das höre würde ich mir auch gern die Flinta geben
Also ich hab mich total empowered gefühlt und so. Also glaub ich.
Kommentar hat einen Orden verdient.
Dagegen.
Mieze hat auf jeden Fall issues, ist aber immer noch besser als Jennifer Rostock. Die ist komplett durch.
es gibt (auf twitter) einige frauen, von denen sich einige durchaus als feministinnen beachten, die dieses flinta konstrukt ablehnen, weil sie sagen, sie seien frauen und eben keine INTAs. ist das legit?
da ich keine frau bin und auch keine frau kenne, frage ich euch. die ihr auch keine frauen seid und wahrscheinlich auch keine kennt
mir geht es weniger um eine abwertung der intas als den wunsch von frauen eben was eigenes zu sein und eben nicht mit was anderem zusammengefasst zu werden
Da ich immer Angst habe irgendetwas falsch zu machen, kenne ich leider auch keine Frauen. Letztens hat mich eine gefragt, ob ich Feuer habe. Daraufhin meinte ich: "Schon lange nicht mehr, Sorry."
Legitim finde ich die Beschwerde schon... wenn du im klassischen 2nd-wave Feminismus aufgewachsen bist, dafür gekämpft hast, dass deine Biologie dich nicht definiert, sondern allein dein Wille zählt, und du dann völlig vom Queerfeminismus überrollt wirst, der, mal vereinfacht ausgedrückt, sagt, dass du zuerst etwas sein musst und dann quasi aus diesem sein erst agieren darfst und musst... dann verstehe ich auch, warum die Leute etwas pissiger reagieren. Gerade noch war Materie nix, jetzt ist sie wieder alles und man selbst erklärt sich per Sprechakt zum Gott darüber. Das würde mich auch anpissen.
"es gibt (auf twitter) einige frauen, von denen sich einige durchaus als feministinnen beachten, die dieses flinta konstrukt ablehnen, weil sie sagen, sie seien frauen und eben keine INTAs. ist das legit?"
Nein. Das Konzept "(nur) Frauen" gibt es ja schon seit Jahrtausenden und wird ja auch seit Ionen in vielerlei Kontexten benutzt. Das geht ja nicht plötzlich verloren nur weil es ein noch ein anderes, umfassenderes Konzept daneben gibt. Hier wird ja niemandem etwas weggenommen. Sondern es kommt halt einfach immer auf den Kontext an.
Wenn jetzt jemand ein Seminar oder wasweißich zu europäischen Werten/Gesetzen/etc. hält, dann macht es ja auch wenig Sinn wenn eine Person sagt, dass sie das alles nicht betreffe, weil sie ja nur deutsch sei und nicht italienisch, spanisch etc.
Im Umkehrschluss heißt dass dan ja aber nicht, dass man sich an anderer Stelle nicht auch spezifisch mit deutschen Werten/Gesetzen/etc auseinandersetzen kann.
Diese beiden Gruppenbezeichnungen stehen ja nicht in Konkurrenz miteinander, sondern können beide existieren. Von daher ist das Auspielen der beiden Bezeichnungen gegeneinander, wenn es nicht um einen spezifischen Kontexf geht, wo das passen könnte, erst einmal recht dumm und sinnbefreit.
Was da letztendlich hintet steckt, wenn's denn keine twitterbots sind, sind dann wohl eher Frauen, die sich nur für ihre persönlichen Belange einsetzen wollen und sich für von ihnen abweichendes nicht interessieren oder gar davon angeekelt sind. Solche Menschen gibt es sicher auch. Aber wer meint, sich feministisch zu nennen, was ja das Streben nach Gleichberechtigung von Frauen ist, aber auch meint, Gleichberechtigung wäre nur für diese eine ihre Gruppe wichtig/erkämpfenswert, hat das Konzept "Gleichberechtigung" irgendwo ganz fundamental nicht verstanden und arbeitet intern immernoch mit einem Konzept der Hierarchie, in dem es nur darum geht, die eigene Gruppe besser zu stellen.
... ich find es halt immer gut, wenn es so an sich flowt. Dieses hierarchisch-autoritäre mag ich auch überhaupt nicht, also, wenn jemand glaubt, er wäre etwas Besseres. Klar, kann man sich pflegen etc. - alles in Ordnung - aber mir ist das alles zu Oberflächlich. Ich hatte ja schon an anderer Stelle erwähnt, dass ich mit Autoritäten nicht so viel anfangen kann, vermutlich habe ich hier einfach ein paar Lerndefizite. Wenn ich aber einen Merz höre, der meint, wir müssen alle mehr arbeiten und uns bemühen, dann klappen sich bei mir schon wieder die Fußnägel hoch. Ist wahrscheinlich ne' Blockade oder so. Les' ja auch schon Dalai Lama und so...
Es schreibt sich Empowerment auf die Flagge und fühlt sich gleichermassen wie die letzten Zuckungen an. Warum auch immer.
Verzieh dich zurück ins Drachenlord-Forum.
Album wär besser wenn Fler als Ghostwriter mitgearbeitet hätte.
Als Hidden Track dann der Pfirsich Remix