laut.de-Kritik
Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Mensch und KI.
Review von Toni HennigDie koreanisch-amerikanische non-binäre New Yorker Sängerin und Musikerin Margaret Sohn aka Miss Grit (they/she) veröffentlichte mit "Talk, Talk" und "Impostor" in den letzten vier Jahren zwei umjubelte EPs an der Schnittstelle zwischen Indie und Elektronik. Nun erscheint mit "Follow The Cyborg" das Debütalbum.
Darauf skizziert Miss Grit den Weg einer nicht-menschlichen Maschine nach, die sich von ihrem hilflosen Ursprung zu Bewusstsein und Befreiung bewegt. Als Vorbild dienten der Cyborg aus Alex Garlands Film "Ex-Machina" und andere Filme zum Thema künstliche Intelligenz, wie etwa "Her" von Spike Jonze. Produziert hat Miss Grit die Platte im Home Studio. Als Special Guest hört man unter anderem Stella Mozgawa von Warpaint am Schlagzeug. Die nahm zuletzt mit Bryan Hollon ein fantastisches selbstbetiteltes Ambient Techno-Album unter dem Namen Belief auf.
Schon im Opener "Perfect Blue" hält mit gedämpftem Gesang und mit Streichern eine gewisse menschliche Wärme Einzug ins Klangbild. Nach und nach gesellen sich motorische Schlagzeugklänge, verspielte Elektronik und verzerrte Gitarren dazu, die an Nine Inch Nails zu "With Teeth"-Zeiten denken lassen, so dass die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verschwimmen. Danach lehrt Miss Grit in "Your Eyes Are Mine" mit störrischen Elektronik- und die Saitensounds den Maschinen das Rocken. In "Nothing's Wrong" stehen dagegen mit zurückgelehnten Rhythmen und an Mitski gemahnenden Vocals liebliche Töne im Vordergrund, die zum Träumen einladen. Danach folgt mit "Lain (Phone Clone)" ein emotionaler Indie-Rock-Track, der im Ohr bleibt.
Am besten klingt das Album aber dennoch, wenn sich das Menschliche und das Maschinelle gleichberechtigt ergänzen. Ein Paradebeispiel bildet das Titelstück, das einerseits von pulsierenden Rhythmen und artifiziell anmutendem Gesang lebt, andererseits aber auch durch den hymnischen Refrain, der etwas an die tanzbaren Momente von Goldfrapp erinnert, eine Menge Lebendigkeit versprüht.
Mehr Verschrobenheit strahlt demgegenüber "Like You" mit repetitiven Drumtönen, spröden Gitarren und unterkühlten Vocals aus. In "The End" vermittelt die Stimme zu Beginn ebenso eine gewisse Unterkühltheit. Danach steuert der Song jedoch auf ein tränenreiches Finale hin. "Syncing" bildet schließlich mit verschlafenen Orgel- und Elektronikklängen, verschleppten Rhythmen und melancholischem Gesang einen nachdenklichen Abschluss.
Jedenfalls hat beim Hören dieser Platte die Annäherung von Mensch und künstlicher Intelligenz durchaus etwas Verführerisches. Endzeitstimmung liegt Miss Grit nämlich fern.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Ah, diese Schläuche aus dem Mund sehen so ähnlich aus wie diese Tentakel-ähnlichen.... Ich komme gerade nicht drauf.
Ist sicherlich nicht leicht, sich als Non-Binäre in einen Computer hineinzuversetzen. Chapeau!
Der erste gute Witz, den ich von Ragi lese.
Schnell geschaltet, Respekt. Wird vorgemerkt.
Mucke für den lautuser
Der Name löst was in mir aus.