laut.de-Kritik

Entspannt zurück lehnen und das Rauchen nicht einstellen.

Review von

Die Frage, ob Morcheeba ohne Skye Edwards taugen, oder ob der Trip Hop-Dampfer unausweichlich in seichte Gewässer steuert, hat mittlerweile fast schon philosophische Ausmaße angenommen.

Dass "The Antidote" nicht der große Wurf geworden ist, den sich mancher Fan erhofft hatte, lag weniger an (Ex-)Sängerin Daisy Martey, sondern an den Songs, die nicht mehr die Klasse der Vergangenheit erreichten. Ob sich daran etwas Entscheidendes ändern sollte, war zumindest zweifelhaft.

Aber die Gebrüder Godfrey bekommen es dennoch auf die Reihe, ihrem Sound den nicht mehr erhofften Pepp zu verpassen. Denn "Dive Deep" macht seinem Namen alle Ehre und taucht ganz weit hinunter in die Phase, als der Bandname für zeitlos schöne, tiefe und atmosphärische Musik stand.

"Big Calm" kommt einem schon bei den ersten Klängen von "Enjoy The Ride" in den Sinn. Mit dem Titel des Tracks treffen Morcheeba sofort den Nagel auf den Kopf, denn es heißt (endlich) wieder: anschnallen, das Rauchen nicht einstellen und entspannt zurück lehnen.

Liebgewonnene charakteristische Merkmale, wie die von Ross gespielte Akustische, die zwischen kräftigen Drumbeats nette Akzente setzt, oder die perfekt in Szene gesetzten Scratches von Bruder Paul flankieren die schönen Gesangsharmonien von Judie Tzuke. Eine große Überraschung, sozusagen ein Aha-Moment, steht mit dem folgenden Song "Riverbed" ins Haus.

Abgesehen von einzelnen Rap-Einlagen war es bislang die Aufgabe des starken Geschlechts, der holden Weiblichkeit musizierend den Teppich auszurollen. Dieses ungeschriebene Gesetz besitzt keinerlei Gültigkeit mehr. Ersatzlos gestrichen, ab in die Tonne.

Auf einmal erklingt nämlich die sonor hauchende Stimme des National Bank-Sängers Thomas Dybdahl. Noch besser: die zusätzliche Beimischung von Testosteron kommt überraschend gut an. Zu zwei weiteren Titeln ("Sleep On It Tonight", "Washed Away") darf der Norweger sein Scherflein beitragen. Vor allem beim bluesigen Abschlusstrack fügt sich seine Stimme gut in den dunklen und schleppenden Soundkosmos der Godfreys.

Morcheeba und Hip Hop gehen nicht erst seit "Fragments Of Freedom" zusammen. Biz Markie verdelte damals in seiner unnachahmlich verqueren Art "In The Hands Of The Gods".

Der koreanischstämmige Cool Calm Pete - der Name ist bezeichnend für seinen Rapstil - tut es ihm nach und flowt fluffig über Sitar-Samples, Scratches und Beats zu "One Love Carma". Fast schon gelangweilt kommen die Zeilen rüber, die aber perfekt mit schlurfend transportierten Stimmung einher gehen.

Ross und Paul haben sich mit "Dive Deep" davon verabschiedet, zwanghaft neues Terrain erschließen zu wollen. Abgesehen von der Hinzunahme männlicher Gesangsfeatures zitieren sie weitgehend aus ihrer eigenen Geschichte und gehen so auf Nummer sicher.

Letztendlich ist das sechste Studiowerk deshalb zwar nicht der ultimative Abschuss. Aber nach "The Antidote" doch eine angenehme Rückbesinnung auf die eigenen Stärken.

Trackliste

  1. 1. Enjoy The Ride
  2. 2. Riverbed
  3. 3. Thumbnails
  4. 4. Run Honey Run
  5. 5. Gained The World
  6. 6. One Love Karma
  7. 7. Blue Chair
  8. 8. Au-Dela
  9. 9. Sleep On It
  10. 10. The Edge Beyond The Ledge
  11. 11. Washed Away

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6 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Kurt Wagner hat bereits auf Charango mitgesungen

  • Vor 16 Jahren

    Morcheeba kann man auch ohne Zigaretten genießen. Diesen Zustand kennen Raucher nicht, den ihr Verstand ist vernebelt ... :D

  • Vor 16 Jahren

    Da Kai Kopp im Moment ein wenig zu pausieren scheint, ist der Herr Alex halt nochmal dran.
    Deine Rezension liest sich für mich, als ob der 4. Balken ganz knapp vor der Vergabe gestanden hätte. ;)
    Nicht, daß ich dir schon wieder einen höhere Wertung abnötigen wollte :whiz: , aber alleine die Idee mit den hochkarätigen Gästen am Mikro wie auch die in der Summe sehr gelungene Umsetzung treibt die Wertung bei mir auf absolut gesicherte [b:66aecbd340]****[/b:66aecbd340].
    Höre ich die Monstermelodie in "Riverbed" und die Stimme von Thomas Dybdahl, könnte ich (fast) Skye Edwards vergessen, jedenfalls auf Albumlänge.
    Sehr gutes Album ohne Hänger, dafür aber mit mindestens 2 absoluten TripHop-Highlights und ausgesucht tollen Gaststimmen.

  • Vor 16 Jahren

    ne, nicht wirklich. das sind schon von meiner warte aus solide drei. aber ich war ja auch von der antidote furchtbar enttäuscht. insofern müssen die sich erst wieder ein wenig reputation erspielen. und außerdem bin ich denen immer noch sauer, dass sie skye rausgeworfen haben. sowas macht man einfach nicht! :hoho:

  • Vor 16 Jahren

    Also an eine Big Calm kommt die aktuelle von Morcheeba nicht mal annähernd an. Und das liegt nicht einfach daran, dass nicht mehr Skye dabei ist. Denn trotz unterschiedlicher und interssanter Aufmachung der Songs sind sie irgendwie doch zu leicht wieder vergessen, und animieren nicht wie Big Calm zu regelmäßigem Wiederhören. Meine Wertung: 3,5
    Meine Meinung :)
    nageh