laut.de-Kritik
Wäre das Rapgame ein Casting, müsste Banjo in die Jury.
Review von Max BrandlDem Netz ist es zu verdanken, dass Erwartungen an ein Album heute schon weit im Vorfeld geschürt werden. Kool Savas hat das für seine "John Bello Story 3" jüngst par excellence vorgemacht: Twitter, Facebook, YouTube, MySpace – die alte Promo-Maschinerie erlahmt, selbst wirbt der Mann. Auch sein Kollege und Deutschrap-Langstreckenläufer Olli Banjo wählte diesen Weg und informierte mehr als nur die eingeschworene Fanbase über den anstehenden Longplayer.
Nicht selten war beim allfälligen Kettenrasseln im Vorfeld von einem Ad-hoc-Klassiker die Rede. Bei Herrn Otubanjo, der den Hang zum Größenwahn sympathisch missen lässt, lassen derlei Ansagen daher zumindest aufhorchen, spätestens nach seinem 2007er Überflieger-Solo "Lifeshow". Die Einsätze waren also hoch, die Karten sind seit kurzem auf dem Tisch.
Mit einem Satz: Einen Royal Flush stellt "Kopfdisco" nicht dar – von einem Bluff kann allerdings auch nicht die Rede sein. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Punktebringer: Olli beweist erneut, dass er sowohl technisch als auch inhaltlich zu den Topspittern des Landes gehört.
Ob er nun den ewig währenden Geschlechterkrieg in eine kurzweilige Story packt ("Vom Anderen Planet"), einen auf eine Gänsehaut erzeugende Reise zum "Lichtplanet" nimmt oder ein klassisches Battle-Brett wie den "Szenecountdown" raushaut, in der er die tumbe Kollegenschaft aufs Herrlichste anzählt; ginge Rap nur via Casting, müsste Banjo in die Jury.
Spannend auch, was sich der Mann darüber hinaus traut: Eine sensibel-gefühlvolle Beziehungskiste wie "Anarchie" mag nicht jedermanns Sache sein; der krude Break vom verspulten Beat zum A.T.R.-Arrangement im sozialkritischen "Fotografieren" manchen Puristen vergraulen – spannender als das x-te Straßenschläger-Zeremoniell auf Albumlänge ist das allemal, speziell auch für den Freund breiter Horizonte.
Olli schlägt thematisch Haken wie ein Kaninchen und macht dabei nicht einmal vor dem Schlager-Stoppschild Halt: "Quando" führt Rap in bester Banjo-Manier einmal mehr ad absurdum und wieder zurück. Diese Buntheit birgt allerdings auch den einen oder anderen Misston. Sinn und Aussage des Kasernenhof-Bangers "Charlie" erschließen sich mir zwar schon. Die Frage ist aber, ob man seine Mitstreiter kontra schlechte Musik – gerade die – dann auf so ausgelutscht militante Art und Weise mobilisieren muss.
Was eine nervtötende Soundskizze wie "Kein Liebeslied" auf dem finalen Album zu suchen hat, leuchtet mir ebenfalls wenig ein. Da hätte man lieber das Badesalz-Feature der Premium-Edition auf die Standard-CD gepackt. Überhaupt findet sich auf der Zusatzplatte erfreulich viel Gutes, fernab vom üblichen Dreingabe-Käse.
Licht und Schatten vereinen sich in "Ich Bin Ein Rapper": Die Beschäftigung mit der katastrophalen Außendarstellung von Rap ist hui, die breiig-zähe Umsetzung ausgerechnet hier leider übelst pfui. Der Produktion dieses Albums ist in diesem Zusammenhang aber ein Lob auszusprechen, denn qualitativ spielt jede einzelne Nummer auf höchstem Niveau:
Ob nun die Savas-Kollabo "Schritte vor der Tür" im synthetischen Trainingsanzug entlang joggt, man für ein komödiantisches "Straight Outta Compton" stilechtes Neunziger-Flair mit Girlie-Sing-Sang mixt oder aber der "Briefkasten" reduziert vor sich hin klappert, bis er mit noisigen Pauken und Trompeten explodiert. Hie und da leidet der Gesamteindruck ob all der Experimentierfreudigkeit aber eben auch ein bisschen.
Banjo präsentiert sich auf "Kopfdisco" als gewachsener und selbstbewusster MC, dem man den Charteinstieg mehr als gönnt und den man im Übrigen ohne Bedenken zu Raab, Kerner und Co. schicken könnte, ohne Kollateralschäden für das ganze Genre befürchten zu müssen.
Vollends überzeugt die Scheibe aber nicht, dafür weist sie ein paar unschöne Ecken und schmerzhafte Kanten zu viel auf. Aber eben jener Umstand hat ja durchaus dem einen oder anderen veritablen Klassiker auf lange Sicht schon den Weg geebnet.
25 Kommentare
Der Typ ist einfach krass, ein Wahnsinnstalent.
Bisher bestes Rapalbum dieses Jahr. Punkt.
Perversgutorgiastischphänomenalunfassbareszeitloses Meisterwerk!
5/5 wär auch klar gegangen, 4/5 is ok.
Wer das hier hatet hat Hip Hop einfach nicht verstanden!
@ mobeat: lauch?!
erbsen?! möhren?! Was willst du mir damit sagen?
dass das album ganz groß ist.