laut.de-Kritik
Hoffnung ist ein Fehler.
Review von Sven KabelitzWer sich mit seiner Schädeldecke verbunden fühlt, sollte von einem Kino-Besuch bei "Mad Max: Fury Road" tunlichst absehen. Diese droht nämlich mehrfach zu zerbersten. Der Streifen setzt die Messlatte für das Actionkino nicht etwa höher, vielmehr nimmt diese gnadenlose Materialschlacht, dieser Badass von einem Film, selbige, stößt sie in die Rippen der Konkurrenz und lässt diese langsam ausbluten. Ein einziges langanhaltendes WTF?!, das nur wenige Verschnaufpausen gönnt.
Dabei revolutioniert George Miller nicht nur das Actionkino, er besteht auch den Bechdel-Test mit Bravour. Bereits für "Mad Max - Jenseits der Donnerkuppel" sang Tina Turner "We Don't Need Another Hero", doch spätestens jetzt scheint die Zeit der männlichen Helden gezählt. Denn nicht etwa "Blood Bag" Max steht im Mittelpunkt, sondern die von Charlize Theron grandios verkörperte Imperator Furiosa. Der verrückte Antiheld verkommt, noch mehr als in den Mel Gibson-Filmen, zu einem Schatten, einer kaum greifbaren Projektionsfläche. Selbst wenn er sich seinen Gegnern alleine stellt, verweilt die Kamera konsequent auf dem Frauenverbund und lässt Max' Taten im Unklaren. Stattdessen versohlen eine Einarmige, fünf ehemalige Geburtsmaschinen und ein Haufen sonnengegerbter Großmütter dem vermeintlich starkem Geschlecht gewaltig den Popo.
Ohne dass wir es merken, perfektioniert Miller seine eigene surreale Welt, die nur laut und leise kennt. Wie in unserem eigenen Leben gibt es keine Story, nur Chaos. Konsequent verzichtet der Film auf eine ausgefeilte Geschichte, sondern entwickelt sich aus seinen unmittelbaren Aktionen. Das vermischt der australische Regisseur mit abstrakten, wie einem Gemälde entsprungenen Bildern. Er erschafft eine fremdartige Umgebung voll deformierter Existenzen.
Der von Tom Holkenborg aka Junkie XL geschriebene Soundtrack unterstreicht diesen Filmgiganten perfekt. Von ihm getrennt weist er jedoch durchaus Schwächen auf und zeigt sich weitaus weniger bahnbrechend. Unterstützt von Nick Zinners (Yeah Yeah Yeahs) Gitarren bedient er weitestgehend die gängigen Hans Zimmer-Hollywoodstandards. Dies allerdings mit monumentaler Wucht. Die knallharten Trommeln und gewaltigen Gitarrenwände des "Doof Warriors" lassen das Kinoerlebnis umgehend aufleben.
Wie der 1997 verstorbene Brian May, der für die Musik der ersten beiden "Mad Max"-Filme verantwortlich zeichnet, ließ sich Holkenberg von Bernard Herrmann ("Citizen Kane", "Vertigo", "Psycho", "Taxi Driver") inspirieren. Seine bedrückende Symphonie verfügt auf diesen Weg über die gleiche DNA wie die Vorgänger, nähert sich dieser aber eine Spur konventioneller.
Von Irrsinn durchdrungene Schläge leiten "Escape" ein. Ein elektronisches Wummern unterlegt die hektischen, von Verdis Requiemsequenz "Dies Irae" angeregten Streicher. In einer sich immer wiederholenden Downward Spiral bohren sich diese nach unten. Ein zittriger Wahn, kalt und brutal, der sich als roter Faden durch "Mad Max: Fury Road" zieht. "Storm Is Coming" löst eine dramatische Sturmflut aus. Elementare Trommeln, fräsende Gitarren, marternde Bläser, aufsteigende Streicher, blutige Gewalt. Eine post-apokalyptische Oper, absolut Over-The-Top, die in einem erstickten Schrei endet.
Die erste Hälfte des elektronischen "Brothers In Arms" bietet mehr sadistisches Sound-Design als Musik. Aus dem puren Gebolze erhebt sich nach und nach eine energiegeladene Melodie, die Erinnerungen an Daft Punks "Tron Legacy" herauf beschwört. "We Are Not Things" und das ausgezeichnete "Many Mothers" erweitern den Soundtrack um ruhige Töne und wirken in ihrer Umgebung nahezu unwirklich. Orientalische Klänge und ein klagendes Cello täuschen Ruhe und Trost vor. Aber Hoffnung ist ein Fehler.
Das größte Manko an Holkenborgs "Mad Max: Fury Road" stellt die Länge dar. Die Standard-Version kommt auf 71, die Deluxe Edition gar auf 125 Minuten, obwohl der Streifen gerade einmal 120 Minuten dauert. Nicht jede Note funktioniert abseits der Leinwand. Eine geschickte Auswahl der Stücke hätte dem Album gut getan. Im Gegensatz zum Film gelingt es dem Soundtrack nicht, die Intensität über die gesamte Dauer auf einem Level zu halten.
2 Kommentare mit 4 Antworten
Keine Ahnung, ob ich in 'nem anderen Film war als die ganzen Jubelperser. Der MM: FR, den ich gesehen hab, war an Langeweile kaum zu überbieten. Klar, es passierte ständig irgendwas. Sich überschlagende Autos hier, Explosionen da, aber letztendlich war das alles sowas von egal, da hätte man sich genau so gut 90 Minuten lang die olle Monster Truck Show weiland auf DSF reinziehen können.
Ging mir genauso. Die Action war ordentlich und visuell ansehnlich, aber nach einer halben Stunde fühlte ich mich an an das filmische Äquivalent zu einem auf loudness getrimmten Album erinnert, total ermüdend. Für Ritalin-Kids aber eine klare Empfehlung...
Gott seid ihr beiden Opfer
Meistens ist derjenige ein Opfer, der andere als Opfer bezeichnet.
Sag mal, Brian May (Gitarrist von Queen) lebt doch noch :^)
http://de.m.wikipedia.org/wiki/Brian_May_%…