laut.de-Kritik
Soul, Blues, Jazz oder Rock - Paul kann einfach alles.
Review von Michael SchuhWeller for the masses. Dem immer noch aktuellen Studioalbum "22 Dreams" wirft der Modfather eine Kollektion an BBC-Aufnahmen hinterher, die - Ehre, wem Ehre gebührt - in insgesamt fünf Formaten aufs Fanvolk prasselt.
Königin des Veröffentlichungsreigens ist dabei die absurd pralle und 70 Euro teure "Digital Box" mit 179 logischerweise digital remasterten BBC-Aufnahmen aus der Zeit seiner Solokarriere von 1990 bis 2008. Erhältlich nur online (weil digital!).
Aber auch mit der 4er CD-Box im Buchformat, die immerhin 74 Songs und ein 64-seitiges Booklet mitliefert, sollte man in Indie-Checkerkreisen noch einige Blicke auf sich ziehen können.
Dagegen umweht mein vorliegendes Rezensionsexemplar (Doppel-CD, 39 Songs, 24 Seiten) beinahe schon das Odeur eines illegal heruntergeladenen Downloads.
Doch Paul wäre nicht Weller, läge ihm nicht auch seine proletarische Anhänger-Klientel am Herzen, zu der er hier immerhin auf einer Bookletseite persönlich das Wort ergreift.
Platten mit BBC-Aufnahmen seien legendär und lägen ihm sehr am Herzen, steht da, weshalb der Meister natürlich auch selbst unzählige besitzt, zum Beispiel von Hendrix und den Small Faces. Er schließt mit einer Ode ans Livespiel an sich, für das man selbstredend berufen sein muss.
Man braucht natürlich nicht annähernd die 39 musikalischen Belege, um zu verstehen, warum mit Paul Weller nun auch einer der ganz Großen seines Fachs in die illustre Konzertreihe der englischen Rundfunkanstalt aufgenommen wurde.
Eingefleischte Fans mögen den ein oder anderen Track schon besitzen, für den Rest ist diese Werkschau nicht weniger essentiell.
"Ob Soul, Blues, Jazz oder Rock, Paul kann einfach alles", schwärmt Noel Gallagher. Dass dieses Talent auf der ersten, zumeist akustischen CD nicht zum Vorschein kommt, macht gar nichts. Von seiner vielschichtigen Arrangementhülle befreit, zeigt so mancher Songs hier erst seine wahre, verletzliche Seele.
Gut, "Corrina, Corrina" wird seltsamerweise ausgeblendet, wofür BBC Sessions eigentlich nicht bekannt sind. Für die neuen Versionen von "To The Start Of Forever" (vom Album "As Is Now"), "Fly On The Wall" (B-Seite der '92er Single "Uh-Huh Oh-Yeh") oder dem glückseligen "That's Entertainment" (The Jam) muss man auch als Nicht-Katholik einfach mal auf die Knie gehen.
Von seinen 90er Jahre-Klassikern "Hung Up" und "You Do Something To Me" mal ganz zu schweigen. Diese Momente sind exakt so atemberaubend, wie es der "Stunning"-Aufkleber auf der CD-Hülle anpreist.
Die Auftritte mit Band reichen dagegen nicht immer an die Unplugged-Versionen heran, wenngleich das dringliche "Peacock Suit" (live 1997) eine Macht ist, und "The Poacher" von derselben Session als Ronnie Lane-Cover ein Zungenschnalzer für alle Wellermaniacs darstellen dürfte.
Auf der zweiten CD kommen 17 weitere Livetracks aus den Jahren 1991 bis 1998 zum Tragen, die zwar zum 2006 erschienenen Doppel-Livealbum "Catch-Flame" eine schöne Ergänzung darstellen. Im Zweifel würde ich hier trotzdem jederzeit ein Weller-Studioalbum vorziehen.
Grundsätzlich gilt: Wem bei Songs wie "Everything Has A Price To Pay" und besonders "Brand New Start" nicht das Herz aufgeht, hat von Gitarrenpop nichts verstanden.
1 Kommentar
Natürlich großartig, was denn sonst? Leuten, die Musik auch gerne sehen, empfehle ich die gleichnamige DVD, wo man ihn in den verschiedensten modischen Erscheinungen und mit wechselnden Bands, aber natürlich immer großartig erleben kann... 5/5