laut.de-Kritik
Kein Teufelskreis, ein endloser Freefall-Tower.
Review von Dani FrommAlle Jahre wieder, und er hat es wieder getan. Statt allerdings, wie in den vergangenen Jahren, den Jahreswechsel abzuwarten, um seiner zähen Fangemeinde in der Silvesternacht über den aktuellen, meist wenig erfreulichen Status zu berichten, trümmert Private Paul diesen tiefschwarzen Brocken mitten in den funkelnden, glitzernden Advent. Jesusmariaundjosef.
An Menschen, die in der dunklen Jahreszeit ohnehin schon mit trüben Stimmungen - "Ich glaube, früher nannte man sowas 'Gemütsnotstand'" - zu kämpfen haben, sei eine ausdrückliche Warnung gerichtet: Dieses Album ist, wie weite Teile von Private Pauls bisheriger Diskografie, nichts für zarte, gebeutelte oder schwankende Seelen. Selbst die, die sich für halbwegs stabil halten, bekommen einigen Grund zum Schlucken.
Von Etikettenschwindel nämlich keine Spur, leider: Wo "DSEPR" draufsteht, ist genau das drin: depressiv-suizidaler Emo-Punk-Rap, brutal ehrlich und in seiner bodenlos traurigen Resignation hart an der Grenze zur Unerträglichkeit, wenn nicht sogar ein Stückchen jenseits davon.
Selten habe ich mir so sehr gewünscht, einer Kunstfigur zuzuhören. Allein, es fehlt der Glaube daran, dass da irgendwelche Meta-Ebenen die Kunst vom Künstler trennen. Die Befürchtung lässt sich schlicht nicht abschütteln, dass da wirklich einer in der viel strapazierten Maske des traurigen Clowns (die zu tragen schon Hollywood Hank oder Favorite nicht besonders gut bekommen ist) komplett ohne Sicherheitsnetz in schwindelnder Höhe auf einem ausgefransten, zudem brennenden Seil tanzt, die Schlinge um den Hals. "Manege Frei".
Auch die Verpackung lügt nicht: Optisch aufgemacht wie ein Black Metal-Album, bricht sich bei "DSEPR" auch akustisch immer wieder Private Pauls Faible für sägende Gitarren, Doublebass-Stampedes und gebrüllt-gekeifte Zeilen Bahn. Insbesondere die Hooks, etwa in "Hass" oder "Im Feuer", dürften mühelos auch den einen oder anderen (traurigen) Metal-Fan abholen, sofern er nicht zu trve für Anflüge von Ambient und Drum'n'Bass und natürlich die Rap-Parts ist.
"DSEPR" bleibt, Metal und Punk in allen Ehren, in erster Linie aber Rap - und Emo. Die Dringlichkeit, das fast zwanghafte Bedürfnis, die innere Hölle wenigstens mit-zu-teilen, wenn man sie schon mit niemandem teilen kann, lässt die mangelnde Abwechslung in Vortragsweise und Themenwahl fast völlig vergessen. Private Paul nimmt die Kritik ohnehin schon vorweg: "Das nächste Album mit dem immer gleichen Inhalt", beschreibt er es in "Nicht den Slightesten". "Ich würd' was anderes erzählen, aber es stimmt halt."
So singt er - wieder einmal - sein tragisches Lied, benennt seine Tracks nach ICD-Codes ("F10.0") oder CAS-Registernummern ("33643-46-8"), bei denen man im Grunde gar nicht groß recherchieren muss, um zu verstehen, worum es jeweils geht. Private Paul berichtet von der verzweifelten Suche nach Nähe, in der die Angst vor der nächsten Enttäuschung immer schon mitschwingt: eine selbsterfüllende Prophezeiung möglicherweise, auf jeden Fall aber nachvollziehbar.
Jede neue Verletzung macht den nächsten Anlauf schwieriger und immer noch schwieriger. Am Ende bleiben "Zwischen Narben Und Schmerz" nur Resignation und Apathie, und über allem eine Todessehnsucht, die dir Herz und Kehle zuschnürt: Herzlich willkommen im Teufelskreis von Depression und Sucht. "Sie sagen, das vergeht schon, das ist gar nicht so schlimm." Tatsächlich aber: ein endloser Freefall-Tower.
"So lange ich noch Lieder drüber machen kann, kann es ja nicht so schlimm sein." Ich möchte das so gerne glauben. Es ist wirklich der allerletzte verbliebene Strohhalm, an den man sich nach einer Überdosis "DSEPR" noch klammern kann. "Eines Tages, wenn du nicht mehr damit rechnest, zeig' ich dir meine Welt. Das versprech' ich." Nach dieser Verheißung aus "Nicht Wie Ihr", die klingt, wie eine Drohung, hoffe ich: Diese Welt ist anders. Freundlicher. Heller. Noch schwärzer, kälter, trostloser, als diese Platte sie aussehen lässt, kann sie ja wohl wirklich kaum sein.
4 Kommentare mit 3 Antworten
"Was man da jetzt kritisieren will - insbesondere wenn man an anderer Stelle den nun wirklich immergleichen Depri-Rap ala Private Paul als kreative Offenbarung feiert - ist mir absolut schleierhaft."
"Jede neue Verletzung macht den nächsten Anlauf schwieriger und immer noch schwieriger. Am Ende bleiben "Zwischen Narben Und Schmerz" nur Resignation und Apathie, und über allem eine Todessehnsucht, die dir Herz und Kehle zuschnürt... "
ja. so what?
von "kreativer offenbarung" schrieb ich nirgends, glaub ich.
Mich belustigt einfach der zeitliche Abstand zwischen dem Kommentar und der Kritik
Ist mir immer zu sehr auf Tränendrüse ohne jeglichen Humor/ dann lieber die neue EP von Odmgdia hören !
S.U.F.F war schon lustig und hat entertained
Meddl Loi...moment.
Leute, das Album ist der absolute Oberknaller. Mal davon abgesehen, daß ich verstehen kann, wenn einem die Texte zu heftig sind, muss man aber auch mal auf die Beats gucken. Die sind durchweg überragend, die Abmischung, die Metal-Einflüsse, das ist alles perfekt durchdacht, arrangiert und gemischt. Und das macht Paul alles selber.
Das der Kerl wirklich besser rappt, als die meisten deutschen, naja, Rapper eben, ist auch nicht wirklich von der Hand zu weisen.
Noch dazu hat dieses Werk eine völlig andere Richtung und Farbe als seine bisherigen, immer gleich ist da nichts. Die alten waren gut, aber das ist großes Kino.
Und um den Realness-Award bewirbt sich glaub ich schon gar niemand anderes mehr, wäre wohl auch aussichtslos, da fällt nicht mal Fler was gegenteiliges ein.
Alles in allem: muss vielleicht nicht jeder hören, kann aber eigentlich auch niemand haten!