laut.de-Kritik

Die Jugend-forscht-Hoffnung beherrscht das große Drama.

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Mit roten Augen, ganz viel Wodka-Red-Bull und der Sehnsucht nach großstädtischen Abenteuern im Gepäck ziehen vier Jungs aus dem Ravensburger Nirgendwo in die große weite Pop-Welt hinaus. "Mach Platz!", jault Provinz-Frontmann Vincent zu Beginn des gleichnamigen Openers fast schon flehend ins Mikrofon. Vorhang auf für den nächsten heißen Made-in-Germany-Scheiß. Ina Müller, Klaas Heufer-Umlauf und Berlins Top-Produzent Tim Tautorat (Turbostaat, Olli Schulz, The Hirsch Effekt) stehen bereits applaudierend Spalier, wenn sich Deutschlands neue Jugend-forscht-Hoffnung ins Klanggetümmel stürzt.

Vermeintlich passende Referenzen wie Nothing But Thieves, Muse oder AnnenMayKantereit schütteln Provinz schnell ab, denn sie bringen viel Eigenständigkeit mit. Das markanteste Puzzleteil der Oberschwaben ist sicherlich Vincents Stimme. Klagend, schreiend oder seufzend bahnt sich der Lockenkopf einen Weg durch die verwirrende Gefühlswelt eines neugierigen Twens vom Lande. Die erste große Liebe, Party-Anekdoten aus der Fachwerkhaushölle und das nicht enden wollende Stapeln von Fragezeichen: Vincent besingt die komplette Palette sinnsuchender Gefühle mit einer Inbrunst, als würde ihn das Dasein im schönen Ravensburg 24 Stunden am Tag emotional zerreißen.

Das gebaute Amerika, in dem Honig und Milch fließen soll, und in dem die große Freiheit all das verschlingt, was bedrückt und zermürbt, ist ein emotionales Pflänzchen, das sich noch nicht so richtig entscheiden kann, auf welcher Seite des Flusses es Wurzeln schlagen will. Musikalisch drückt sich diese Sehnsucht nach mehr in einer Melange aus handgemachtem Pop ("Diego Maradona", "Du Wirst Schon Sehen"), klavierlastigem Art Pop ("Nur Bei Dir"), pompösem Schlager-Rock ("Verlier Dich") und allerlei eingängigem Tamtam aus den Bereichen Indie- und Elektro-Pop aus.

Provinz heben sich - ähnlich wie die Kollegen von AnnenMayKantereit - mit ihrem Hang zur ausufernden Geste von der Masse ab. Während sich andere deutschsprachige Pop-Projekte zumeist mit klaren Songwritingstrukturen und möglichst verständlichen und zugänglichen Gesangsdarbietungen auf Reisen begeben, bieten Provinz das große Drama. Vincent führt die Polonaise der hochtrabenden Emotionen selbstbewusst an. Halten die Band-Kollegen mit eingängigen Sounds dagegen, klatscht man daheim vor den Boxen auch begeistert in die Hände ("Tanz Für Mich", "Diego Maradona", "Du Wirst Schon Sehen").

Schwierig wirds, wenn der gute Vincent die Erdung verliert, wild mit den Armen paddelnd im Ozean der großen Gefühle versinkt und seine Mitstreiter nur tatenlos zusehen. Dann sprudeln Songs wie "Mach Platz!", "Nur Freunde" und "Ich Baute Dir Amerika" einfach nur über. Das klingt dann fast schon aufgesetzt und gezwungen abseits der Norm und verzerrt ein wenig den sehr guten Eindruck, den diese Musik immer dann hinterlässt, wenn sie ohne große Umschweife direkt auf den Punkt kommt.

Trackliste

  1. 1. Mach Platz!
  2. 2. Tanz Für Mich
  3. 3. Augen Sind Rot
  4. 4. Diego Maradona
  5. 5. Du Wirst Schon Sehen
  6. 6. Verlier Dich
  7. 7. Chaos
  8. 8. Wenn Die Party Vorbei Ist
  9. 9. Nur Bei Dir
  10. 10. Nur Freunde
  11. 11. Ich Baute Dir Amerika

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