laut.de-Kritik
Classic Soul mit luftigen Höhen und schmalzigen Tiefen.
Review von David HilzendegenVor fünf Jahren noch beklagte Raphael Saadiq, der Neo-Soul sei im Ableben begriffen. Zwar leitete "As Ray Ray" lebenserhaltende Maßnahmen ein, 2009 jedoch trägt Saadiq das Genre zumindest für sich zu Grabe. Die Trauer darüber hält sich in überschaubaren Grenzen, nicht nur, weil Neo-Soul abseits von Saadiqs Weltsicht heute wie damals äußerst vital ist.
Der Sound von "The Way I See It" kommt völlig ohne Präfix und moderne Anleihen aus. Soul sei Weltsprache, egal ob James Brown, Marvin Gaye oder Aretha Franklin, in allen Winkeln der Erde seien die alten Klassiker bekannt und beliebt, meint der Mann aus Oakland. Genau so klingt "The Way I See It", als stamme die Platte aus der Ära der genannten Legenden. Mit allen luftigen Höhen und schmalzigen Tiefen.
Vor allem Letztere bedient Saadiq zuhauf. Wenn "Oh Girl" mit Sitar, Piano und Streichern aus den Lautsprechern plätschert oder Featuregast Stevie Wonder im Lied gewordenen Liebesbrief "Never Give You Up" die Harmonika schwingt, steckt die Platte direkt metertief im Schmalztopf. Mit weniger subtilem Gesäusel, dafür Otis Redding-mäßig direkt geht es bei "Let's Take A Walk" zu ("This place is crowded, don't know bout' you. I need some sex, some sex with you"), die Temptations lassen durch den Opener grüßen.
Dabei beginnt "The way I See It" durchaus gefällig. Funky Gitarrenschläge in "Sure Hope You Mean It", die rollende Basslinie in "Keep Marchin'" oder die treibenden Brass-Bläser von "Big Easy" sorgen für ein äußerst kurzweiliges Hörvergnügen, das erst von dem kitschigen Joss Stone-Feature unterbrochen wird: "It was just that kiss from you, that showed me life can be so beautiful" Was Joss Stone in diesem Fall noch stimmgewaltig rettet, fehlt den folgenden Titeln leider.
Denn die Brillanz aller genannten Referenzen hat Raphael Saadiq als Sänger freilich nicht - und letztlich fehlt ihm auch die Soulröhre und Emotion, weswegen diese süßlichen Liebesbekenntnisse weitgehend so abgestanden und fehl am Platz wirken. Ein Jammer, dass die starke erste Viertelstunde so systematisch demontiert wird. Dieses Gemisch aus Motown-Grooves und Stax-Gitarren hätte bei konsequenter Weiterführung zu einer ganz großen Reminiszenz werden können.
9 Kommentare
Puh, was für ne Review.
Klar, die ersten 4 Tracks gehen am meisten nach vorne, dennoch ist das Album m.E. ne glatte 5/5, lange nicht mehr so ein komplettes und geiles Album gehört. Hier stimmt einfach alles (Jay Z wirkt ein bisschen deplaziert, aber auch hier freut man sich auf so einer Produktion seine Stimme zu hören).
2/5 ist ne Frechheit - das Album wächst und wächst immer weiter, Raphael ist einfach genius.
"The way I see it" ist feinste Zeitmaschine!
Scheint so, als würden nicht viele Leute Raphael Saadiq hören hier.. ;(
doch, eigentlich ja schon, sah ihn vor kurzem lvie... aber keine Zeit für das Album momentan!
Ich verstehe die Review schon. Die Schnulzen sind ihm kräftig misslungen, und was die ersten Songs versprechen kann der Rest der Platte nicht halten.
Dabei sind Produktion und Aufnahme erste Sahne, und die Lieder geben voll das Gefühl von Motown, Stax und Konsorten gut wieder.
2/5? Naja, 5/5 würde auch ich der Platte nicht geben. Sowas wie 3,5/5...
Oh, und das Solo Stevie Wonders ist genauso uninspiriert wie das meiste, was der Großmeister seit den 80ern gemacht hat...
laut sollte David Hilzendegen lieber keine Reviews mehr schreiben lassen für so eine Frechheit.
Habe das Album erst Anfang 2010 gekauft. Ich teile die Meinung von McJ zu 100%.
Toller, einfacher und ehrlicher Soul wie aus früheren Zeiten. Super.