laut.de-Kritik
Früher war eben doch nicht alles scheiße.
Review von Tom KüppersUm die Kohle geht es hier schon lange nicht mehr. Nicht einmal die Aussicht auf einen 200-Millionen-Dollar-Zahltag konnte Led Zeppelin-Sänger Robert Plant zu einer längerfristigen Zusammenarbeit mit seinen alten Band-Kollegen John Paul Jones und Jimmy Page bewegen. Abgesehen von einem einzigen begeisternden Auftritt anno 2007 bleibt diese Reunion also weiterhin ein feuchter Rock-Traum.
Allerdings hat Plant in den vergangen zehn Jahren keineswegs auf der faulen Haut gelegen, sondern einfach gemacht, worauf er künstlerische Lust verspürt. Zunächst geht es in die Richtung Americana und Folk. Mit Sängerin Alison Krauss kassiert er für ihr gemeinsam aufgenommenes "Raising Sand" einen Grammy und stampft danach die kurzlebige, in ähnlichen Gewässern fahrende Band Of Joy (nebst gleichnamigem Tonträger) aus dem Boden. Ab 2012 widmet er sich dann wieder anderen Klängen.
Zwar bleibt es weiterhin eher zurückgenommen bis akustisch, aber begleitet von den Sensational Space Shifters orientiert sich der Sänger wieder ein klein wenig zurück in Richtung seiner eigenen Vergangenheit. "Lullaby And The Ceaseless Roar" spielt unter anderem mit Elementen aus Orient und Okzident, ähnlich der "No Quarter: Jimmy Page and Robert Plant Unledded"-Ära Mitte der neunziger Jahre. Live lassen insbesondere die Neuinterpretationen bewährter Zeppelin-Klassiker aufhorchen, die den Spagat zwischen künstlerischer Vergangenheit und gewünschtem Soundgewand in Vollendung demonstrieren. Früher war eben doch nicht alles scheiße.
Genau das hat offenbar auch Plant gemerkt. Sein neues "Carry Fire" setzt diesen Kurs nun nahtlos fort. Schon das vorab ausgekoppelte "The May Queen" verbindet typische Zeppelin-Elemente wie ein leicht angebluestes Riff, einen extrem coolen John-Paul-Jones-Gedächnis-Break und den butterweichen Chorus mit Ethno-Grooves und akustischen Instrumenten. Heißt: Auch wenn die ganz brachiale Hardrock-Keule nach wie vor im Schrank bleibt, so lassen sich in Struktur und grundsätzlicher Dynamik der Songs oft Parallelen zu Plants bisherigem Schaffen ziehen. Wenn auch in unterschiedlichster Ausprägung.
Wo die Melodiebögen des eher verhaltend schleppenden "New World" nur leicht vertraut klingen, verströmt der "Season's Song" recht deutlichen "Going To California"-Stallgeruch. Auch die afrikanisch-arabischen Vibes des Titeltracks kennt man in vergleichbarer Form bereits von Page/Plant-Großtaten wie "City Don't Cry" oder "Yallah".
Schadet das? Absolut nicht, im Gegenteil. Diese Besinnung auf vergleichsweise kompakte (und bewährte) Songstrukturen erlaubt trotz ungewohnter Klänge und unerwarteter Schnörkel einen durchgängigen roten Faden. "Keep It Hid" gerät deswegen von einer reinen Fingerübung am Sampler zu einem modernen, fast federnd groovenden Bar-Jazz, "Dance With You Tonight" gemahnt dann leicht an düstere Brit-Sounds der Marke Joy Division oder Southern Death Cult.
Vor diesem Hintergrund geht "Carving Up The World Again... A Wall And Not A Fence" als beinahe ursprünglicher Blues durch. Man darf sich auch nicht von den Autoscooter-Keyboards bei "Bluebirds Over The Mouintain" irritieren lassen. Spätestens wenn Chrissie Hynde (Pretenders) zum Gastgesang ansetzt, ergibt auch diese Nummer absolut Sinn.
Stimmlich gibt sich Plant ohnehin keine Blöße, glänzt aber besonders bei dem verhalten begleiteten und deshalb unfassbar intim wirkenden "A Way With Words". Und überhaupt: Der alte Tamburin-Schamane mag zwar (wie auf dem Cover gnadenlos ehrlich gezeigt) inzwischen das Gesicht einer Satteltasche haben, aber wenn er "Sweet Salvation" (oder ähnliches) stöhnt, dann donnern die Schlüpfer generationsübergreifend zu Boden.
Abgesehen davon: Wenn Plant den Mund aufmacht, dann wird man immer an Led Zeppelin denken. Dass er mit seiner eigenen Vergangenheit als selbstproklamierter 'goldener Gott des Rock' offenbar seinen völligen Frieden gemacht hat, steht ihm und diesem Album außerordentlich gut.
9 Kommentare mit 4 Antworten
die Grenze zwischen amossphärisch und gepflegter Langeweile ist leider fließend und der gute Robert testet sie regelmäßig aus.
wobei Heaven Sent ein guter Song ist. Na, vielleicht geb ich dem Album mal ne Runde.
Kann mich nicht entscheiden, ob Seiltänzer mit Netz oder Tanz auf der Rasierklinge, beides hat was nur was gibt mir mehr?
epic!
"...dann donnern die Schlüpfer generationsübergreifend zu Boden"
Der is gut
Ein klassischer Meurer. :'^)
Trau Dich, schreib etwas!
Erstes Lied gut, danach klingt alles irgendwie lahm und müde.
Kann man machen, für sich selbst, aber veröffentlichen ?
nonono
Ja, dass kann man so machen! Entspannend mit durchaus zulässigen Querverweisen in die eigene Vergangenheit(die Phase nach Led Zeppelin 2).