laut.de-Kritik

Der Helmut Lotti des Swing covert den Weltstar.

Review von

Exklusiv, modern und zeitlos im Design. Das schlichte Erscheinungsbild besticht, die perfekte Funktionalität richtet sich ganz nach Ihren Wünschen und Bedürfnissen. Das elegante Konzept, die moderne Beleuchtung und die extravagante Zusatzausstattung lässt Ihr Herz höher schlagen. Mit der 0%-Finanzierung können Sie "Cicero Sings Sinatra", das neue Live-Album der singenden Einbauküche Roger Cicero, sofort mit nach Hause nehmen.

Im Gegensatz zum Hutträger des Jahres 2015 existierte Frank Sinatra, der dieser Tage seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, auf unzähligen Ebenen. Der Crooner war Entertainer, Schauspieler, Kämpfer, Rassismusgegner. Sein Leben zwischen zahlreichen Affären, zwielichtigen Mafia-Vorwürfen, sozialem Engagement und unzähligen Ab- und Aufstiegen erzählte noch mehr Geschichten, als die Songs, die er interpretierte. All dies spiegelte sich in seiner Stimme, seiner Musik und in seiner perfekten Phrasierung wieder. Nur eines war Sinatra nie: aalglatt und langweilig wie Cicero.

Dies hindert den Helmut Lotti des Swing jedoch nicht, sich live in Hamburg vor der Legende zu verbeugen. Einen ganzen Abend lang gibt er den lästigen Gartenzwerg auf der Schulter eines Giganten. Dabei kommt Cicero zu Gute, dass die Evergreens von Cole Porter, Irving Berlin, George Gershwin, Kurt Weill und Bertolt Brecht wirklich niemand kaputt bekommt. Unzählige haben es bereits versucht, unzählige scheiterten. Dazu setzt ihn seine makellos aufspielende Band perfekt in Szene. Nur kann der Mann mit dem quietschenden Jürgen Drews-Timbre diese während des ganzen Abends nie mit Wärme und Persönlichkeit ausfüllen. Hier möchte Butzbach plötzlich Berlin und Berlin plötzlich New York sein.

Bezeichnend, dass jeder von Ciceros Gästen einen besseren Eindruck als der Gastgeber hinterlässt. Selbst Xavier Naidoo, der in "New York New York" deutlich mit dem Umfeld fremdelt und keine passende Intonation und Phrasierung findet, versprüht mehr Kraft und Ausdruck. Sasha schlägt sich in "Fly Me To The Moon (In Other Words) Schieß Mich Doch Zum Mond" und "Luck Be A Lady" als Crooner überraschend wacker.

Der Größe der Stücke zeigt sich letztlich aber nur Yvonne Catterfeld gewachsen. Wie zuletzt schon bei Udo Jürgens ("Mitten Im Leben - Das Tribute Album") beweist sie hier, dass in ihrer Stimme mehr Charisma steckt, als man es nach ihren eigenen Alben ("Meine Welt", "Lieber So") für möglich hielt. Still und heimlich entwickelt sich der ehemalige GZSZ-Star zu einer der talentiertesten deutschen Sängerinnen. Wie um dies zu unterstreichen singt sie Cicero im Duett "Somethin' Stupid" mit der eigentlich leichteren zweiten Stimme, wie geschaffen für die Qualitäten einer Nancy Sinatra oder Nicole Kidman, an die Wand. In jeder einzelnen Note ihres Beitrags steckt mehr Leidenschaft als in Ciceros ganzer Karriere.

Seine klägliche Scat-Einlage in "Cheek To Cheek" scheitert an seiner schalen Stimme und seinem banalen Improvisationstalent. "Mack The Knife" verkommt in seinen Händen zu einer piefigen Mitklatschnummer. Die abschließenden drei Studioaufnahmen kränkeln an der leblosen und blechernen Abmischung. Da können weder Viktoria Tolstoy ("Winter Wonderland") noch Paul Anka ("My Way") etwas retten.

Es bleibt dabei, dass sich nur ein deutscher Künstler in seinem beschwipsten Größenwahn Sinatra annähern konnte: Harald Juhnke. Dies gelang ihm durch seine Unverwechselbarkeit und seiner Passion für die Vorlagen. Seine tragische, von Abstürzen gezeichnete Persönlichkeit, verlieh seinen aufschneiderischen Interpretationen eine Seele. Roger Cicero bleiben die Schuhe auf "Cicero Sings Sinatra" dagegen um einige Nummern zu groß. Dem auf Hochglanz polierten Pop im Jazz-Gewand fehlt die Authentizität. Letztendlich perfektioniert der Coverbube Roger Cicero nicht die Songs, sondern ausschließlich die eigene Spießigkeit.

Trackliste

CD

  1. 1. Come Fly With Me
  2. 2. I've Got You Under My Skin
  3. 3. Cheek To Cheek
  4. 4. Somethin' Stupid
  5. 5. I've Got A Crush On You
  6. 6. It's All Right With Me
  7. 7. September Of My Years
  8. 8. Mack The Knife
  9. 9. Let's Face The Music And Dance
  10. 10. Fly Me To The Moon (In Other Words) Schieß Mich Doch Zum Mond
  11. 11. Summer Wind
  12. 12. Luck Be A Lady
  13. 13. Where Or When
  14. 14. Angel Eyes
  15. 15. New York New York
  16. 16. Bad, Bad Leroy Brown
  17. 17. My Way
  18. 18. Somethin' Stupid
  19. 19. Winter Wonderland
  20. 20. My Way

DVD

  1. 1. Come Fly With Me
  2. 2. I've Got You Under My Skin
  3. 3. Cheek To Cheek
  4. 4. Somethin' Stupid
  5. 5. The Best Is Yet To Come
  6. 6. For Once In My Life
  7. 7. I've Got A Crush On You
  8. 8. It's All Right With Me
  9. 9. September Of My Years
  10. 10. Mack The Knife
  11. 11. Let's Face The Music And Dance
  12. 12. Fly Me To The Moon (In Other Words) Schieß Mich Doch Zum Mond
  13. 13. Summer Wind
  14. 14. Luck Be A Lady
  15. 15. Where Or When
  16. 16. I Wish You Love
  17. 17. Angel Eyes
  18. 18. New York New York
  19. 19. Bad, Bad Leroy Brown
  20. 20. My Way
  21. 21. Behind The Scenes
  22. 22. Interview

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LAUT.DE-PORTRÄT Roger Cicero

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8 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor 8 Jahren

    Du schlüpfst in die Puschen und hörst Bausparer-Soul
    Ist das noch Roger Cicero, oder schon Dr. Helmut Kohl?

    • Vor 8 Jahren

      Du stehst auf Roger Cicero, Bausparersoul
      Beim Sex ersetzt du mein Gesicht mit Doktor Helmut Kohl
      Ich erzähle dir von Demos, von Knüppeln und von Tränengas
      Als du Paul Coelho lasst, da warst du den Tränen nah

  • Vor 8 Jahren

    Sorry, aber wer in Yvonne Catterfelds Stimme die überzeugendste Leistung hört, hat gar keine Ahnung von Gesang und Musik! Mit dieser Aussage hat sich der Redakteur deklassiert.

    • Vor 7 Jahren

      Absolut. Yvonne Catterfields völlig austauschbare kleine Stimme kann man bestenfalls als "nett" klassifizieren. (Als Schauspielerin ist sie übrigens viel besser, wie ich angenehm überrascht feststellen konnte) Verglichen mit Cicero's weitreichender Musikalität, ist sie ein Zwerg. Die Albumkritik von Sven Kabelitz ist nichts anderes als ein widerwärtiges, peinliches Pamphlet. Er sollte sich zu Roger Cicero mal bei renommierten Musikern in Deutschland umhören...

  • Vor 8 Jahren

    Cicero goes American Songbook - Yes, he can! 4/5

  • Vor 8 Jahren

    Chapeau! Wirklich perfekt auf den Punkt gebracht.

  • Vor 7 Jahren

    Herr Kabelitz, ihre Albumkritik ist ihnen entgleist zum peinlichen Pamphlet. Man spürt mit jedem Wort eine bösartige Absicht - nicht nur was Cicero betrifft, auch was die Beurteilung der unzweifelhaft hervorragenden Cicero-Bigband betrifft, die Abmischung der Bonustracks, usw. Weiß der Teufel, was sie geritten hat. Ihre Kritik steht auch im krassen Gegensatz zu den anderen, doch ziemlich positiven Cicero-Rezensionen bei laut.de. Kann es denn sein, dass Cicero plötzlich auf dem Sinatraalbum plötzlich nur noch grottenschlecht singt? Man muss Cicero nicht mögen, dessen intensive Stimme und Gesang das Gegenteil von "schal" ist, und dessen Scat der beste ist den ich jemals von einem deutschen Sänger gehört habe, (ich höre seit über 50 Jahren Jazz, ich denke ich bin kompetent, was Jazzgesang betrifft)....man muss auch Ciceros Sinatra-Interpretationen nicht mögen... aber was Sie, Herr Kabelitz machen, liest sich leider nur wie ist ein hasserfüllter Rundumschlag, mit geradezu absurden Argumenten...Es gibt auch andere Beurteilungen: http://www.koeln-news.com/cicero-sinatra/2…

  • Vor 7 Jahren

    Zitat Sven Kabelitz: "In jeder einzelnen Note ihres Beitrags steckt mehr Leidenschaft als in Ciceros ganzer Karriere". meine Meinung dazu: Yvonne Catterfields völlig austauschbare kleine Stimme kann man bestenfalls als "nett" klassifizieren. (Als Schauspielerin ist sie übrigens viel besser, wie ich angenehm überrascht feststellen konnte) Verglichen mit Cicero's weitreichender Musikalität, ist sie ein Zwerg. Kabelitz sollte sich zu Roger Cicero mal bei renommierten Musikern in Deutschland umhören...Ich vertraue professionellen, kreativen Musikern weitaus mehr, als Kritikern. Ich habe Cicero duzende Male live in concert erlebt, sowie auch das Sinatraprogramm in Berlin. Die Argumente in dieser Kritik sind -Geschmack hin oder her - schon verleumderisch !

    • Vor 7 Jahren

      2 Jahrzente kenne ich die Stimme von Cicero durch mein seinerzeit umtriebiges Nachtleben ziemlich gut. Ich habe hier sogar prof. aufgezeichnete Konzert-Aufnahmen (bevor es richtig losging) von ihm bei denen er leider nicht einmal den Text im Griff hat und Original Sinatra Moderationen wörtlich ins Deutsche übersetzt und es dabei schafft ihnen jeden Humor mit Nachdruck auszutreiben - nicht ohne ein "Ha, Ha" hinter zu schieben. Ich kann gar nicht sagen, wie man sich fühlt, wenn man das zig mal live erleben darf und das Original doch ziemlich gut kennt und schätzt. És spiegelt jedoch auch auf bedrückende Weise die künstlerische Potenz. Sie haben Recht, der Autor hat sich da ein wenig rein gesteigert. Aber auch ich empfand die für meine Ohren unangenehm nasale Stimme häufig farblos. Im wesentlichen lag es doch wohl daran, dass er das was er da sang nie wirklich selbst gefühlt zu haben schien oder das nicht preisgeben wollte (das muss man aber!). Er kam mir vor wie eine dieser super trainierten 7-jähringen die eine Ballade von Whitney Housten mit jeder Note korrekt singen, doch im Grunde gar nicht wissen was das soll. Respekt zollt mir ab, mit welcher Ruhelosigkeit offenbar ständig produziert wurde und dass er wohl wirklich etwas schaffen wollte. Nur geht das leider nicht ohne die Beteiligung der eigenen Seele, Persönlichkeit, oder wie immer Sie diese Zutat nennen möchten. Ich kann´s mir leider absolut nicht anhören.