laut.de-Kritik
Lockdown? Ist Politexperte Waters da nicht etwas spät dran?
Review von Alex KlugMoment mal, Lockdown? Ist Politexperte Waters da nicht etwas spät dran? Nein, das passt schon so, sind "The Lockdown Sessions" doch das Bindeglied, das seine "Us + Them"-Tournee 2017/18 und die berüchtigte, aktuelle "This Is Not A Drill"-Konzertreise miteinander verknüpft.
So funktioniert das neueste Waters-Release im Grunde als Schwester-EP zum Livealbum von 2019 – genauer gesagt, indem es die Tracks des dort fehlenden Zugabenblocks als neu eingespiele halbakustische Home-Office-Versionen serviert.
"Mother" von "The Wall" erklingt wie eh und je als unspektakulärer, aber stimmiger Wandergitarren-Folksong. Den traditionell weiblich besetzten Part der Mutterrolle übernimmt das Indie-Duo Lucius – bis 2018 auch Waters' Live-Background-Sängerinnen.
In jener Zeit schlichen sich hier und da auch die beiden Kernstücke der Wall'schen Antikriegsbotschaft im Zugabenblock ein – und untermauern so auch hier den düsteren Grundtenor der "Lockdown Sessions". Der große Militärpomp von "Bring The Boys Back Home" weicht Waters' tiefgedrosselter Erzählstimme, und schon das "We'll Meet Again"-Zitat in "Vera" verdeutlicht: Waters hat seine retrospektive "American Recordings"-Phase erreicht.
Wie gut oder schlecht die ausfällt, steht und fällt natürlich mit der Qualität des Materials. Und da hat Waters doch noch einige diskografische Appetithappen aus der Keksdose gezogen: "The Bravery Of Being Out Of Range" (vom Soloalbum "Amused To Death") mäandert im doomigen Schneckentempo vor sich hin ("Old man what the hell you gonna kill next"), doch die wahren Perlen schlummern auf Waters' finalem Floyd-Album von 1983: Denn ja, tatsächlich ließ er zum finalen Südamerika-Tourleg 2018 erstmals seit vielen Jahren "The Final Cut"-Stücke von der Leine.
Mit dem inneren Monolog eines sich im Absturz befindenden Schützen spinnt "The Gunner's Dream" das zynisch-verbitterte Pazifismus-Manifest des damals 39-Jährigen gekonnt weiter und überzeugt auch als schleppende Klavierballade – immerhin: der legendäre Waters-Stimme-wird-zum-Saxofon-Morph wird her zumindest angeteasert.
Herzstück der "Lockdown Sessions" ist jedoch das apokalyptische "Two Suns In The Sunset", das satte 35 Jahre auf seine Live-Premiere (oder eine Neuaufnahme) warten musste. Das nennt man dann wohl ein hidden gem: Mit seiner vertrackt-balladesken Struktur und seinen wärmend nukleardystopischen Lyrics (hier stirbt nicht einer, sondern alle) hat es der Track auch ans Ende seiner aktuellen Setlist geschafft.
Diese beginnt übrigens mit dem skandalös gitarrenfreien "Comfortably Numb 2022", das den Schlussakkord dieses Releases bildet: Kamen die vorherigen Songs schon mit spärlichen Gitarreneinsätzen aus, so legt Waters' Live-Band den Fokus jedoch hier jedoch voll und ganz auf die Vocals.
Welches Kaufversprechen den "Lockdown Sessions" innenwohnt? Nun, eine gelungene Sichtbarmachung vergessenen Materials im Soundgewand des letzten Waters-Soloalbums – und vermutlich auch eine Aussicht auf das bereits angekündigte "The Dark Side Of The Moon"-Re-Recording. I do believe it's working. Good.
3 Kommentare mit 13 Antworten
"Politexperte"? Nennt man bei laut.de so jemanden, der den BDS unterstützt und gegen Israel agitiert?
Das war ironisch, du Knuffelbärchen. Aber davon abgesehen wäre es ziemlich schwierig, ein Politexperte zu sein, wenn man die Tatsachen ausblendet, die die rechte israelische Militärregierung auf eine ziemlich unsanfte Weise schafft.
Na ja, Waters ist ein Antisemit. Das hat auch nix mit der aktuellen rechten Regierung zu tun. Er spricht den Juden das Recht auf ihren Staat ab. Aber immerhin geht es hier um Kunst nicht Politik.
Der einzige Politexperte welchen ich kenne ist Ragi
@Wudo: Öhm... Wann hat er das denn gemacht? Und selbst wenn ich sage, die Zoroastrer sollten nicht unbedingt einen Staat bekommen, wo andere Gruppen vorher gelebt haben, was sowohl die Sicherheit der Zoroastrer als auch die der Ureinwohner enorm gefärdet - bin ich dann antizoroastrisch?
@Wudo Du bist auf jeden Fall kein Politikexperte.
Kritik am Staat Israel ist nicht gleich Antisemitismus und vice versa. Ich habe nach intensiver Suche nirgends Aussagen von Waters finden können, die antisemitisch sind, jedoch biele in denen er sich eindeutig von Antisemitismus distanziert. Was Wudo hier erzählt entbehrt jeder Grundlage. Darum auch hier die dringende Empfehlung zur Selbstlöschung. Ist lange überfällig.
Beim Thema "Antisemitismus" lohnt sich der Blick auf die Bevölkerungsschichten, die eifrig dem Staat Israel lästern - und dessen Fahnen in Deutschland ungestraft öffentlich verbrennen.
Der "Deutsche Michel" dürfte überrascht sein, dass unter den Demonstrierenden kaum noch Bio-Deutsche zu finden sind ...
Kein Wunder: Der "Ewige Jude" taugt in Europa eben kaum noch als valides Feindbild. In der islamischen Welt dafür umso mehr ...
Au weia. Der deutsche Biomichel ist ebenso anfällig für Judenhass wie für jenen anti-islamischen Rassismus, dem Du hier zumindest bedenklich nahe bist.
@CAPSLOCKFTW
WOW. Aber was glaubst du bringt ein Boykott der Bürger Israels um die Regierung zu treffen ? Nichts. Oder meinst du wenn Künstler das Land boykottieren und z.Bsp. keine Konzerte geben treffen sie die Regierung ? Nö. Der ist das egal. Eher das Gegenteil ist der Fall. Man bestraft Bürger die gegen zum Beispiel die Gesetzesänderungen auf die Straße gehen. Und die ultraorthodoxen erreicht man damit nicht. Die sind zufrieden mit der Regierung.
Nachtrag: Die ultraorthodoxen gehen eh nicht auf Konzerte. Ausserdem gehen viele davon keiner Arbeit nach sondern studieren den Talmud. Sie dienen auch nicht in der israelischen Armee. Viele leben eben aus dem Grund das sie keiner Arbeit nachgehen an der Armutsgrenze. Sie können nur überleben weil sie Arbeitslosenversicherung, Altersrenten und Überlebendenrenten bekommen.
Inwiefern ist das relevant wenn es darum geht, ob Waters ein Antisemit ist?
Yuikato, ja, relevant ist es nicht für die Frage. Ein Kulturboykott bringt vermutlich nicht so viel. Aber ein wirtschaftlicher umso mehr. Einer Regierung ist es nämlich überhaupt nicht egal, wenn seinen Unternehmen Schaden entsteht. Und das wird im Zweifel viel wichtiger sein als die ultraorthodoxen Faschos, da ein Boykott nun mal viel mehr Menschen trifft.
Ja, es ist nicht gleichzusetzen. Aber in Südafrika waren internationale Boykotte ausschlaggebend - auch wenn man dort das Argument hätte bringen können, damit treffe man auch die Menschen im Lande, die gegen Apartheid sind.
Ich hatte mich bei Waters vertan; aufgrund so wie er im Biz sich bisher gegeben hat, war das nicht zu erwarten.
btw. wisst Ihr, dass Pachtverträge für Land bis 99 Jahre laufen? Und dass, wenn geendet, man räumen muss. Aber dafür muss erst woanders Platz geschaffen werden...
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
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