laut.de-Kritik
Er steht seinen Fans bei - nicht nur bei der Kaisermania.
Review von Dominik LippeMit nun über 70 Jahren erlebt Roland Kaiser einen weiteren Frühling. "Perspektiven" bescherte ihm vergangenen Herbst das zweite Nummer-eins-Album seiner Karriere. Vor allem die schlüpfrige Auskopplung "Du, Deine Freundin Und Ich" entwickelte sich schnell zum Klassiker, den "TV total" allwöchentlich beworben hat. Nebenbei stimmte er über den Bundespräsidenten als SPD-Delegierter ab. Deren Generalsekretär Kevin Kühnert outete sich wiederum im Frühjahr bei Carolin Kebekus als leidenschaftlicher Anhänger des Sängers und häufiger Gast der Kaisermania am Dresdener Elbufer.
Pünktlich zu diesem alljährlichen Event eröffnet der Schlagersänger für seine besonders engagierte Anhängerschaft "Neue Perspektiven". "Gut, Dass Ihr Da Seid", begrüßt er sie mit Dudelsäcken im folkloristischen Glanz. Das Vertrauen in Gott und Regierung mag schwinden, der Kaiser steht seinen eingefleischten Fans bei. "Inmitten von Dramen und Flüchtigkeiten halten wir uns an der Hand", verspricht er mit einem Pathos, der nicht der Selbstüberhöhung dient, sondern entwaffnend die Bindungskraft stärken will, "Wir kennen uns so lange, fast schon ein Leben. Und ich liebe dieses Leben mit euch."
In eine ähnliche Kerbe schlägt er in "Da Musst Du Nicht Alleine Durch". Das Herz sitzt schwer in der Brust und die Streicher tragen dick auf, wenn er sich den Lebenskrisen seiner Hörerschaft widmet, die sich von ihm Antworten auf ihre "100.000 Fragen" versprechen. "Ich kann für dich Berge nicht versetzen, ich kann für dich Stürme nicht durch Sonnenschein ersetzen", gibt er demütig zu, doch bietet ersatzweise seine Musik als Stütze an, "wenn das Leben dich zerreißt". Das mag theatralisch klingen, wirkt aber erstaunlich aufrichtig und ausgesprochen effektiv.
Deutlich abgedroschener textet Roland Kaiser "Bis Ans Ende Der Welt". Selbstbesoffen schreitet er durch das Stück und erklärt der geliebten Person, welche Strecken er zu ihr zurückzulegen will. "Komm Mit Mir" wiederum behandelt als schwächster neuer Song den Ausbruch aus dem grauen Alltag: "Willst du ihm entfliehen, dem Schwarz und dem Weiß, vom Dorf nach Berlin und Feuer statt Eis?" Damit wanzt sich der Sänger gefährlich nah an die Hintergrundbeschallung peinlicher Liebeskomödien von Anika Decker oder Matthias Schweighöfer heran.
"Leidenschaft stellt keine Fragen", lautet sein eigentliches Lebensmotto, das er im gemächlich poppigen "Weil Du Es Bist" zum Besten gibt. "Bin keiner, der sich viel entgehen lässt", sing Kaiser nicht ohne Stolz, "Selten so schmerzlich den Wunsch verspürt, heute nicht allein zu schlafen." Im bereits bekannten Disco-Song "Du, Deine Freundin Und Ich" legt er die Latte seiner persönlichen Leistungsfähigkeit nochmal höher. "Lassen uns gehen, ohne einen Hauch Verbindlichkeit", freut er sich auf die Ménage-à-trois, wobei er trotz allem so gesetzt klingt, dass es nie schmierig herüberkommt.
Das ändert sich mit "Wir Spielten Immer Ohne Regeln". "Erinnerst du dich an das erste Mal? Letzte Reihe, voller Kinosaal, was ein Glück, dass es dort stockfinster war", schwelgt er im Liebesabenteuer, dessen Hinterlassenschaft für die unterbezahlte Reinigungskraft wohl weniger beglückend ausgefallen sein dürfte. Zudem nähert er sich dem Kirmes-Sound der talentlosen Konkurrenz. Das gilt auch für "Weil Du Es Kannst", in dem er von den "Waffen einer Frau" schwadroniert, oder "Sag Mir Wann", mit dem sich Roland Kaiser jenen wehrhaften Damen aufdrängt und ihnen explizit die Selbstbefriedigung madig machen will.
Auch "Gegen Die Liebe Kommt Man Nicht An" und "Freunde Bleiben" wären dank ihrer Sparpreis-Synthies Streichkandidaten gewesen. Die tränenfreie Kopf-hoch-Hymne "Es Ist Alles OK" und das versöhnliche "Zuversicht" hat er hingegen zurecht aus "Perspektiven" übernommen. "
4 Kommentare mit 6 Antworten
Was ich mich schon immer frage: Warum braucht jemand, der bürgerlich Ronald Keiler heißt, eigentlich einen Künstlernamen?
Echt. Versteht keine Sau.
Hätte bestimmt sonst zu viele Keilereien bei Konzerten gegeben
Es bleibt somit bei den genretypischen textlich "verklausulierten" Sauereien und allem, was Roland vor und hinter der Bühne daraus macht.
Lupenreiner Sozialdemokrat und Ehrenmann. Musikalisch und textlich selbstverständlich indiskutabel.
Schlagerpopbarden werden hier regelmäßig (zu Recht) aufgrund ihrer Kalenderspruchtexte abgewatscht.
Dieses Exemplar hier kommt aber mit allem durch.
Warum?
Hat man jetzt knapp 10 Jahre gebraucht einen möglichen Udo Jürgens Nachfolger hochzujubeln?
Oder ist das ein Ballermann Hype?
Ich versteh es nicht.
Vermute auch, man hat etwas zu spät erkannt, was man an Udo Jürgens hatte, und will den Fehler auf keinen Fall noch einmal machen.
Mit dem kleinen aber feinen Unterschied dass Udo Jürgens auch tatsächlich ein Könner auf seinem Gebiet war.
Absolut. Roland Kaiser ist längst nicht auf Jürgens' Niveau.
Roland da goat no cap