laut.de-Kritik
Wahrhaft ekelerregende Missachtung von Talent.
Review von Dani Fromm"Ich danke Dieter Bohlen, der mir die Möglichkeit gegeben hat, seine Lieder zu singen, ich bin besonders stolz, die Lieder eines so tollen Produzenten singen zu dürfen."
Diese Danksagung liest sich wie ein schlechter Witz. Oder wie der Boulevard-Kenner unter den Kollegen spekuliert: als habe Bohlen-Ghostwriterin Katja Kessler sie verfasst. Sollten diese Zeilen tatsächlich - im Gegensatz zu allem anderen auf "Heartbeat" - auf Sarah Engels' eigenem Mist gewachsen sein: Mein Beileid. Gehirnwäsche geglückt.
DSDS ist - keiner weiß das besser als Dieter Bohlen - eine Gelddruck-Maschine. Was liegt aus Produzenten-Sicht also näher, als mit der Zweitplatzierten gleich den zweiten Reibach zu machen? Dass Sarah Engels im Vergleich zu Final-Konkurrent Pietro Lombardi die um Welten bessere Stimme hat, kann bei dieser Entscheidung keine Rolle gespielt haben: Ihr Talent begräbt Bohlen hemmungs- wie mitleidlos unter einem dampfenden Haufen Scheiße, der die Bezeichnung "Musik" wirklich nicht mehr verdient.
Man möchte es nicht für möglich halten: "Heatbeat" erscheint, gerade weil Sarah Engels Talent und Stimme besitzt, noch grausamer als Pietro Lombardis "Jackpot". An Lieblosigkeit schenken sich beide Veröffentlichungen nämlich nichts. Das für das Debüt des DSDS-Gewinners ausgespuckte Konzept muss auch für die Zweitplatzierte herhalten.
Man nehme: den Sieger-Song "Call My Name", vier Coverversionen aus den Motto-Shows, ein "Liebes-Duett" mit Pietro, und fülle dann mit Bohlen-Grütze auf Album-Länge auf. Weniger Aufwand geht nicht mehr. Wozu auch? "Jackpot" hats bewiesen: Die Leute kaufens eh. Es ist zum Verzweifeln.
Kein Quäntchen Mühe ist Sarah Engels ihrem Produzenten wert. Die völlige Missachtung eines aufstrebenden Talents spiegelt sich schon in der Wahl der Single: Ausgerechnet "I Miss You" musste es sein, in dem Sarah an der Seite des knödelnden Karlsruhers - "Pietro-Styyyyle" - zum Hookline-Mäuschen degradiert wird. Den Refrain und "aha", "hmmmm", "woo-hooo" und "yea-eah!" darf sie zu "ihrer" ersten Single beisteuern. Herzlichen Glückwunsch.
Wo Sarah Engels - wie in den Strophen von "Hearts On Fire" - mühsam ein wenig Stimmung generiert, walzt ein durch und durch unsensibel aus Kirmestechno-Synthies zusammengerotzter Chorus jede Emotion erbarmungslos platt. Gleiche Wirkung erzielen ohne Rücksicht auf Verluste eingesetzte 4/4-Stampfbeats. Überhaupt scheint Bohlen seine Effekt-Kiste aus den frühen 90ern wieder entdeckt zu haben: Chris Normans angejahrte "Midnight Lady" klingt moderner, abwechslungs- und einfallsreicher als jede einzelne Nummer auf "Heartbeat".
Wenn einem die gedanken- und gefühlsbefreite Musik noch nicht die Zähne ausschlägt: Die sogenannten "Lyrics" geben jeder Kauleiste den Rest. "You are my destiny" tönt es - wieder einmal - aus mindestens drei von zehn Bohlen-Nummern. Unsinn des Kalibers "Can't stop thinking every day about you baby / Going crazy boy it's true / Can't stop thinking every day about you baby / Du du du du" lässt sich eigentlich nur mit der kritiklosen Verwendung eines Reimgenerators erklären. Die Verantwortlichen entblöden sich trotzdem nicht, diesen Dreck im Booklet abzudrucken. Viel Spaß beim Mitsingen.
Selbst erklärten Verächtern dramatischen Bombast-Pops erscheint es als wahrer Ohrenschmaus, wenn Bohlen einmal nicht die Feder führt. Sarahs Cover-Versionen von Leona Lewis' "Run" oder Anastacias "One Day In My Life" geraten zwar nur zu handwerklich gut gemachten Kopien der Vorlagen, von Eigenständigkeit keine Spur. Dennoch: Über die Stimmgewalt, um "Hurt" von einer Christina Aguilera abzukupfern, muss man auch erst einmal verfügen.
Sarah hat sie, keine Frage. Um so ärgerlicher, dass ihr ihr eigenes Debüt nicht den Hauch einer Chance einräumt. Der grausame, Künstler wie Publikum verachtende Umgang mit einer begabten jungen Sängerin erreicht auf "Heartbeat" einen neuen, einen wahrhaftig ekelerregenden Tiefpunkt.
31 Kommentare
überrascht, du bist?
würde Yoda sagen.
PS: arme Dani, was du dir alles in die Birne pfeiffen musst geht auf keine Kuhhaut.
Übrigens ist Heartbeat nichts anderes als ein 10 Jahre alter Bohlen Song aus dem Grand Prix Vorentscheid: http://www.youtube.com/watch?v=MaZWFxwoPu8
ich bin schockiert
Ließ vorhin im Hintergrund die 'neu'-Playlist bei Simfy laufen, irgendwann kam so ein ultrascheußlicher Song, bei dem ich mich nur fragen konnte: Was zur Hölle ist denn das? Und siehe da, Bohlen hat das Teufelswerk verrichtet. Ich kann nicht genau sagen, welcher Song von Engels das war - vermutl. die Single - ich habe sofort weiter gedrückt. Ich finde, das sagt alles.
@Sancho: Word!
so viel Text für so viel Müll - Respekt