laut.de-Kritik
Der Madsen-Sänger macht jetzt Soul.
Review von Simon ConradsSebastian Madsen erfindet sich auf seiner ersten Solo-Platte neu - als Soul Man. Mit Sonnenbrille und schwarzem Rollkragenpulli, mit Bläsern, Streichern und Piano, die die Madsen-typischen Schrammelgitarren ersetzen, lässt er den Pop-Rock seiner Band hinter sich. Laut Pressetext orientierte er sich dabei an Größen wie Otis Redding, Curtis Mayfield und Amy Winehouse. Über eingedeutschte Imitate der Vorbilder kommt er zwar nicht hinweg, trotzdem machen einige der Songs erstaunlich viel Spaß. Das Madsen-typische Phrasendreschen findet im Soul-Kontext sogar häufig ein besseres Zuhause als in der bekannten Pop-Rock-Kulisse, immerhin stehen sich Soul und Kitsch ohnehin sehr nah.
"Ein Bisschen Seele" ist ein Corona-Album, das Madsen als Resultat der räumlichen Trennung zwischen ihm und seiner Freundin zu Beginn der Pandemie beschreibt. Während er im heimischen Wendland ausharrte, arbeitete seine Freundin als Betreuungskraft in einem Seniorenheim in Berlin. Die Phasen, in denen sie sich in dieser Zeit nicht sahen, stürzten Madsen offensichtlich in eine große Unsicherheit über die Beziehung, die er in den zehn Songs des Albums so sehr auswalzt, dass man beim Hören regelmäßig peinlich berührt über die recht plump vorgetragenen Sorgen ist.
Gerade der kitschige Closer "Gefühle Für Dich" hat in dieser Hinsicht Cringe-Potential: "Ich hab' Gefühle für dich / Willst du sie vielleicht haben? / Die liegen hier sonst nur nutzlos rum". Der schamlose Vortrag Madsens - mitunter in Kopfstimme - ist bei solchen Zeilen fast wieder bewundernswert. Noch schmalziger ist "Baby, Ich Liebe Dich" mit Unterstützung von Lisa Who. Die Zeilen "Würde ich alles sagen, was ich fühl' für dich / Hätte ich für immer zu tun / Meine Liebe ist unendlich, Baby" machen betroffen und sind nicht zu entschuldigen. Was in englischsprachigen Soultiteln vielleicht noch passabel klingt, ist im Deutschen oft einfach drüber.
Wie bereits erwähnt funktionieren Madsens unverschämte Texte an anderer Stelle aber doch. "Als Bei Uns Sommer War" ist ein straighter Soul-Pop-Track, der vor allem dank der Streichermotive überzeugt. "Bist du allein, wie ich? / Sag nur Bescheid und ich / Hol' noch 'ne Flasche Wein / Und bin sofort da" singt Madsen in der launigen Hook und, ja, das ist lyrisch nun auch nicht der ganz große Wurf, passt in dem geradlinigen Pop-Stück aber ziemlich gut. Auch das lässige "Das Gewitter" funktioniert vor dem Soul-Hintergrund, die Instrumentals fangen die überbordende Gefühligkeit des Textes gut auf: "Lass uns das Gewitter teilen / Wo es blitzt und donnert, will ich mit dir sein / Wir waren lang genug allein / Komm wir stellen uns in den Regen". Letztlich ist das ein geschickt verpackter Schlagertext.
Die Platte ist soundtechnisch sehr rund, Mixing und Produktion gebührt großes Lob. Bläser und Streicher transportieren einen überzeugenden Soul-Vibe. Der Titeltrack eröffnet das Album gleich gut aufgelegt, erinnert musikalisch an die treibenderen Soul-Nummern von Wilson Pickett und bietet Madsen die Möglichkeit, mit mehr Druck zu singen. Mit Eva Briegel teilt sich Madsen bei "Ich Löse Mich Auf" das Mikrofon und auch dieser Song wird von den fetten Streichern getragen, die besonders in den instrumentellen Zwischenparts bestechen. "Die Einsamkeit" erinnert mit dem auftrumpfenden Refrain an Woodkid, steht aber in seiner Schwere und mit Madsens immer wieder etwas angestrengtem Gesang ein wenig sperrig zwischen den sonst recht leichten Stücken.
Mit Drangsal zusammen rätselt Madsen im stimmigen "Sei Nur Du Selbst", wer er ohne seine bessere Hälfte eigentlich ist. Das Album jedenfalls zeigt ihn einmal mehr als durchaus talentierten Musiker, aber völlig schmerzbefreiten Texter.
6 Kommentare mit 4 Antworten
Die zitierten Textzeilen sind Gold.
Höchstens Katzengold.
3/5? Bei den zitierten Textstellen? Ernsthaft?
Komm, geh weg.
1/5
Musik für Barbara Madsen
"Was in englischsprachigen Soultiteln vielleicht noch passabel klingt, ist im Deutschen oft einfach drüber."
Warum?
gute frage.
Nein.
Uff, als er noch bei den Beginnern war, gefiel er mir eigentlich besser. Aber derbe, dass er der Black Musik schlechthin huldigen tut. Das ist fresh wie Fisherman‘s Friend.
top!