laut.de-Kritik
Gegen so viel gute Laune gibt's wenig zu sagen.
Review von Philipp KauseShania Twains Protagonistin hat ihr Herz an jemanden irgendwo in einem Kaff in Ohio an verloren, wo sie sich besoffen herumtreibt. Schwindlig vor Verliebtheits-Taumel, schwindlig von einem schnellen Auto, ist bei ihr besinnungslose Party angesagt. Wem Dystopie in der Popmusik überhand genommen hat, dem schlägt auf "Queen Of Me" eine Flut an Lebenslust, Frische und knackigen Beats inmitten unkomplizierter Eyecatch-Melodien entgegen.
Ob im Bubblegum-Pop von "Brand New", im Disco-Style von "Number One" oder in den Gute Laune-Songwriter-Strophen von "Not Just A Girl", überall fließen die Harmonien geschmeidig, heizen die Beats krachledern ein. Man hört Shania ihre 57 selten an, allenfalls in einigen rauen Kratzern auf "Number One", ansonsten klingt sie wie eine 29-Jährige, die es noch mal krachen lassen will, bevor ihr die Ü30-Partys zuwinken.
Klar legt "Queen Of Me" keinen hohen Anspruch an sich selbst an. Es gibt hin und wieder Tracks, die man so nur bei Twain hören wird: "Last Day Of Summer" als folkige Love Story auf Club-Beats funktioniert erstaunlich gut, und ist auf dem Markt zwischen LeAnn Rimes und Kacey Musgraves, Lindsay Elle und Morgan Wade einzig bei der Kanadierin verfügbar. Die neue Scheibe ist trotzdem 'nur' eine weitere, aber eine der besseren im Katalog der Sängerin, deren freches Markenzeichen "That Don't Impress Me Much" wie aus grauer Vorzeit wirkt. Trotz des Albumtitels und Songs mit Namen wie eben "Not Just A Girl" kann man der Platte nicht mal trendy Radikal-Feministisches attestieren, sie ist ein schlichtes Unterhaltungsprodukt.
Die Tracks sind so flauschig wie rhythmusstark produziert, die Musik steht klar im Vordergrund. Die Texte laufen überwiegend nebenbei und spielen sich in einem engen Wortschatz-Rahmen ab. Sie überraschen nicht, sind aber nüchterner, klarer, geradliniger als beim Gros des deutschen Mainstream-Pop und lassen Geschraubtes und Peinlichkeiten beiseite. Dem Schlagzeug (und seltener Drum Programming) kommt eine treibende Kraft zu, denn die Songs pumpen fast ausschließlich upbeat und mischen die Schläge weit nach vorne. Auf "Brand New" schlängelt sich mal ein E-Piano in die ansonsten recht einheitlichen Instrumentierungen, aus denen sich wenige Zutaten klar heraus hören lassen, bis auf Shanias Stimme. In ihr vernimmt man nur selten die metallischen Brüche, die im Cowgirl-Gesangsstil so typisch sind.
Im Korsett der Standards, die Madonna mit ihrem "Music" einst vorgab, vereinen sich Dance-Beats und Country-Ästhetik nicht immer ganz glücklich. Das Titelstück wirkt da manchmal realsatirisch, als parodiere es diese alte Rezeptur. Meistens kann man dieses Klebenbleiben am alten Musterbeispiel getrost überhören, weil es nur mal für ein paar Millisekunden den Sound stört, sich auf einzelne Töne beschränkt. Einmal kann man's nicht ignorieren, im miserablen "Waking Up Dreaming". Immerhin, außer dieser flachen Brutal-Synth-Stampferei, bei der kein Mensch in Ruhe träumen kann, tun sich sonst keine Abgründe auf.
Mögen sollte man in erster Linie 'Pop' im engsten Sinne der Definition, um von der CD etwas zu haben. Country gut zu finden ist nicht erforderlich, auch wenn man einzelnen Momenten etwa in "Best Friend" anhand einiger Details die Handschrift des Nashville-Labels anhört: "yeah-youh-hu"-Ausrufe, Background-Gesänge, die man nur im Modern Country und in Collegefilm-Soundtracks so wie atemlose Cheerleaders drüber tänzeln lässt, Abmischung der Lead Vocals maximal plakativ, in "Pretty Liar" gar mit stumpfen Handclappings kombiniert.
Gerade besagtes "Pretty Liar" ist aber auch eine großartige Reinkarnation alten Tanz-Rock'n'Rolls mit Doo-Wop-Arrangements im Gesang, bezogen auf heutige Produktionstechnik. Und der Clou: Mit "Inhale/Exhale Air" und "The Hardest Stone" und liefert die Platte sogar richtig gute, rundum sauber produzierte, eingängige, mitsingbare, lebhaft gesungene und glaubhaft powervolle Lieder. "The Hardest Stone" flirtet gekonnt mit R'n'B und rollt Clavinet-artige tiefe Tastentöne, die gute alte Talkbox für verwaschenen Sprachklang, einen starken schiebenden Drive zu Jojo-Beats, ätherischen Chorgesang und eine unwiderstehliche Melodie aus.
"Inhale/Exhale Air" schlägt mit Unplugged-Intro den schlichtesten Kurs des Albums ein und mündet nach der bereits charismatisch vorgetragenen ersten Strophe in eine kompakte und saftige Hook. Der Refrain endet fragend, die Stimme geht in einer seltsamen Akkordfolge mit einem komischen Tonsprung nach oben, und plötzlich ist da wieder ein "That Don't Impress Me Much"-Effekt. 'Shania' aus der indianisch-kanadischen Sprache Anishinaabemowin bedeutet 'die ihren Weg geht'. Dass sie den trittsicher beschreitet geht, ohne die Welt mit allzu viel Output zu langweilen, beweist das siebte Studioalbum in 30 Jahren, mit vehement fröhlichen Stücken und Kurzweil.
1 Kommentar
Mal wieder sauber laut.de, wohlwollende Einschätzungen fast zu jedem Song des Albums, aber den mit Abstand besten und bei den Plays mit Gitty Up meilenweit vorne liegenden Song die Existenberechtigung absprechen