laut.de-Kritik
Eines von drei Alben für die Insel.
Review von Christoph DornerJonathan Meiburg hat mal bei Okkervil River Piano gespielt und Vogelkunde studiert. Er hat seine Band nach dem Großen Sturmtaucher benannt, auf Konzerten singt er vom Lebenskampf der Tiere und empfiehlt die lokalen Naturkundemuseen. Nun hat der Sänger von Shearwater seine beiden Leidenschaften, Musik und die Wunder der Natur, zu einem beeindruckenden Konzeptalbum über Inselleben zusammengebracht.
Unter dem Titel "The Golden Dossier" hat die Band dafür sogar einen 50-seitigen Katalog drucken lassen, den man auch auf ihrer Homepage downloaden kann. Darin sind unter anderem Fotografien von Flora und Fauna, von Eingeborenen und zivilisierten Abenteurern zu sehen, die neben Satellitenbildern von Inseln, Karten, Bauskizzen von Schiffen, literarischen Textauszügen und den Lyrics von "The Golden Archipelago" abgebildet wurden.
Auch musikalisch sind Shearwater noch mehr ins Detail gegangen. War der Vorgänger "Rook" bereits ein verblüffend arrangiertes Stück Folk-Rock, hat Meiburg nun endgültig die Entdeckungslust der Seefahrer gepackt. Man kann es wohl nur empathischen Progressive Rock nennen, was Shearwater hier mit den Möglichkeiten von Piano und Gitarren, Field Recordings-Kulissen, dem klassizistischen Pathos von Sigur Ros und einer organischen Produktion von Paper Chase-Frontman John Congleton geschaffen haben. Pink Floyds "The Final Cut" lässt grüßen.
Von den Eingeborenen-Gesängen zu Beginn des Openers "Meridian" bis hin zu den ausklingenden Klavierklängen des letzten Songs "Missing Islands" erscheint das gesamte Album wie ein hochwertig gedruckter, großformatiger Bildband, in dem Inseln als freie und doch darwinistisch geordnete Mikrosysteme in all ihrer erhabenen, farbenfrohen Schönheit dargestellt werden. Denn nach Naturgesetzen scheint sich auf dem Album auch die Lautstärke zu regulieren.
Ein Stück weit liegt diese tiefe Sehnsucht nach Wildnis auch in der croonenden Tenorstimme von Meiburg, die zwischen Owen Pallett, Jeff Buckley und einem jungen Scott Walker changiert. Sie segelt in Songs wie dem getrieben "Black Eyes", dem von dynamischem Glockenspiel umschmeichelten "Hidden Lakes" oder der wunderschönen Streicher-Ballade "God Made Me" wie ein stolzer Sturmtaucher über den Arrangements hinweg.
"The Golden Archipelago" ist ein zeitloses Rock-Album geworden. Ein Album für Entdecker. Eines von drei Alben für die immer wieder beschworene einsame Insel.
4 Kommentare
Klingt Interessant!
Shearwater sind okay. Mir würden die Songs aber besser gefallen, würde eine Frau hinter'm Mikro stehen.
Die Falsetto-Stimme des Sängers geht mir in letzter Zeit ziemlich auf die Nerven. Habe wohl zuviel Tom Waits gehört.
war nach dem hören von Hidden Lakes angefixt, auch wenn ich zunächst mit der stimme nicht klar kam. hat sich dann doch richtig gut eingefügt. ist übrigens auch ne tolle neuerung von laut 3.0, dass man sich die videos direkt unter der rezension angucken kann.
wunderbare Platte. (Punkt)