laut.de-Kritik

Mit dem Shlummutz in fünfdimensionale Psytrance-Sphären.

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Tripmusik kann abgedreht sein, kann dronig sein, kann tiefenentspannt sein, kann körperlich auslaugend sein. Aber selten ist sie so vielseitig wie bei Shpongle. Zum zwanzigjährigen Bestehen rufen Simon Posford und Raja Ram mal wieder zur psychedelischen Messe und klappern auf "Codex VI" die ganze Palette von Reggae, Ambient, Akustikrock, Latino- und Oriental-Rhythmik bis zur über allem liegenden Trance-Schicht ab.

Songtitel wie "Herr Gringerflapper's Secret Stash Box" und "I Woke Up As A Shlummutz" (es finden übrigens Foren-Diskussionen darüber statt, was denn nun eigentlich ein 'Shlummutz' ist) lassen keinen Zweifel daran, welches Gefühl Shpongle mit ihrer Musik einfangen wollen. Das gelingt ihnen so gut, dass man keine illegalen Substanzen braucht, um beim Hören bunte Bilder zu sehen.

Posfords Beats und Basslines lullen dich ein, blubbernde Sounds lassen merkwürdige neue Welten enstehen, in denen du laut Vocal-Samples mit "Menschheit und Ewigkeit" verschmilzt ("The Magumba State"). Raja Ram ist stets zur Stelle und erinnert dich mithilfe verschiedener akustischer Instrumente daran, dass du durch diese Welt auch schweben statt laufen kannst. So zieht sich durch "I Woke Up As A Shlummutz" eine kauzige Cello-Melodie, im Mittelteil greift eine Querflöte den Geist dieser dominant auf.

Wesentlicher Bestandteil von "Celestial Intoxication" bildet eine spanische Gitarre, die am Ende auch noch reichlich Platz zum Solieren bekommt. Ausnahmsweise hält sich DJ Posford hier für knapp anderthalb Minuten komplett raus. Auch im abschließenden Interlude "Hammock Therapy" ruhen die Knöpfe – diesmal, um die Zweisamkeit von Flöte und Piano nicht zu stören. So fahren Shpongle den Wahnsinn der vorangegangenen Albumstunde gekonnt wieder herunter und zeigen, dass sie trotz aller Virtuosität noch den Spannungsbogen des Albums als solches im Blick haben.

Überhaupt beweist das Duo fantastisches Timing, wenn es um dramaturgische Wechsel geht. Das wird in keinem anderen Track so deutlich wie in "Empty Branes". Nachdem sie mit einem fiesem Doom-Drop die Bassline einführen, fahren sie darauf ein ganzes Ensemble verschiedener Stimmungen ab – wahlweise spielen Flöte, Gitarre, fiepende Synthesizer und sogar eine gefilterte Babbel-Stimme den Übermittler der Nervenbotschaft. Mit dieser Ruhelosigkeit halten Shpongle die Intensität zehn Minuten lang kontinuierlich hoch und die Birne fühlt sich am Ende tatsächlich an wie "flat, empty branes in a five-dimensional space". Um sie freizuräumen schließt sich mit "Are We There Yet" eine verhältnismäßig entschlackte Nummer an, dessen Hauptteil Posford auch in einem Berliner Techno-Schuppen auflegen könnte.

Dass im Kern der Platte die Tracks im Zirpen der Synthesizer und ekstatischer Rhythmen zu einer einzigen quietschbunten Masse verschwimmen und auch die Schemata, nach denen Shpongle ihren Stilmix betreiben, sich wiederholen, lässt sich trotz exquisiter Umsetzung nicht verdecken. Dem Hörspaß schadet das aber nicht. Irgendwie bereichert die so entstehende Orientierungslosigkeit ja sogar das Gesamterlebnis. In Shpongleland gelten eigene Gesetzmäßigkeiten, und das ist auch gut so. Solange bis Raja Ram uns mit mit oben erwähntem Akustik-Outro wieder sanft vor die Tür setzt, dürfen wir das ruhig genießen.

Trackliste

  1. 1. Remember The Future
  2. 2. The Magumba State
  3. 3. Empty Branes
  4. 4. Are We There Yet
  5. 5. Herr Gringerflapper's Secret Stash Box
  6. 6. Strange Planet
  7. 7. I Woke Up As A Shlummutz
  8. 8. Celestial Intoxication
  9. 9. Hammock Therapy

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