laut.de-Kritik
Bier, Thrash und Weltpolitik zum Jubelfest.
Review von Jürgen LugerthWelcher Metal-Jünger hätte jemals gedacht, dass die Frankfurter Krachschuster und Biervernichter Tankard trotz demonstrativ höchst ungesunden Lebensstils geschlagene 35 Jahre auf den Bühnen und an jedem Tresen der Republik durchhalten? Respekt, meine Herren!
Erst vor ein paar Tagen haben die inzwischen (rein körperlich gesehen) gestandenen Herren wieder einmal mit unbändiger Vitalität und heißem Herzen beeindruckt, wurde ihnen doch die Ehre zuteil, vor dem Anpfiff des diesjährigen DFB-Pokal-Finales in Berlin ihre heiß geliebte Eintracht Frankfurt beziehungsweise deren Fans mit wuchtigen Klängen live in Kampfeslaune zu bringen. Zwar hat die SGE am Ende knapp den Kürzeren gegen die Borussen aus Dortmund gezogen, aber Tankard steht seitdem auf jeden Fall der Ehrentitel 'Pokalsieger des Bier-Metals' zu. Immerhin haben sie die in der Halbzeitpause vom Publikum heftigst niedergepfiffene 'Menschmaschine' Helene Fischer lässig und mit links an die Werbebande gedrückt.
Aber auch außerhalb des grünen Rasens machen Tankard trotz der kaum mehr zu bändigenden Bierplautze ihres charismatischen Sängers und Frontmannes Gerre eine gute Figur. Ihr brandneues Jubiläumsalbum "One Foot In The Grave" ist das beste, das der versoffene Vierer seit etlichen Jahren auf den Markt gebracht hat. Neben dem bandtypischen Nonsens und Trinkerhumor finden auf "One Foot In The Grave" nämliche auch viele klare Aussagen zu den unzähligen Missständen auf dieser geplagten Erde ihren Platz. Der allem zugrunde liegende Lärm hält aber weiterhin ein sehr hohes Niveau, allerdings so vielfältig, punktgenau und differenziert wie schon lange nicht mehr.
Eine kurze, hymnisch getragene Einleitung à la Manowar geht über in das erste Stück "Pay To Pray", einen wütenden Thrasher, der die Senioren von Metallica recht blass aussehen lässt. Gerre nimmt die bigotten und geldgierigen US-amerikanischen Fernsehprediger aufs Korn, bis die in keinen Hut mehr passen. Etwas simpler, sozusagen punkiger, gestrickt ist "Don't Bullshit Us", das all diesen lapprigen Radiosendern und ähnlichen medialen Weichspülern in den Hintern tritt, die uns rund um die Uhr mit Plastikmusik ins geistige Koma lullen.
Der Titelsong bedarf wohl kaum einer Erklärung. Wir werden alle nicht jünger. Aber 'senile with style' tapfer rockend gegen das Unvermeidliche ankämpfen, wer will das nicht? Musikalisch ein weiterer Kracher mit schönen, teils gedoppelten Gitarrenlinien. Weiter geht es mit kritischen Texten in Thrash-Granaten wie "Syrian Nightmare", "Arena Of The True Lies" oder der offensichtlichen Trump-&-Co.-Demagogenschelte "Lock 'Em Up": meist gewohnt brachial, trotzdem des Öfteren auch mit etwas feinerer Klinge gefochten und soundtechnisch so transparent wie noch nie.
Wirklich ein tolles Jubiläumswerk, das dann auf die unvermeidliche Hopfentee-Hommage doch weder verzichten kann noch will. Aber siehe da, die Reinheitsgebots-Hymne "Secret Order 1516", die ein striktes Verbot von untauglichen zusätzlichen Substanzen in unserem seit jeher jungfräulich reinem deutschen Bier fordert, ist fast schon ein Longtrack, der nach etwa sieben Minuten geradezu pastoral-choral zu Ende geht. Da schmeckt das schäumende Gerstengetränk gleich doppelt so gut!
Irgendwann muss der mürrisch-konsequente Mann im Hintergrund der Krawallbrüder auch einmal ins rechte Licht gerückt werden. So ehrt der Abschlusstrack "Sole Grinder" auf die übliche hyperschnell krachende Art und Weise und mit einem ironischen Unterton das langjährige Bandfaktotum beziehungsweise den Manager Uwe 'Buffo' Schnädelbach für seine unschätzbaren Verdienste. Das wurde ja auch mal Zeit!
Der treue und umfangreiche Fan-Kreis der Humpen-Metaller wird trotz ungewohnter neuer Ernsthaftigkeit begeistert sein. "Irgendwann im Laufe der Zeit muss man fast gezwungenermaßen vom reinen Blödsinnmachen abweichen", bemerkte Bassist Frank Thorwart bei der offziellen Vorstellung der neuen Platte, die schon am 17. Februar in der heimeligen Frankfurter Szene-Kneipe 'Alte Liebe' stattfand. "Die Welt ist so verdammt hart geworden, davor kann man die Augen nicht verschließen. Und überhaupt ist es bei Tankard so: Wir nehmen uns selbst zwar nicht besonders ernst, aber unsere Musik, unsere Fans und unsere Mission sehr wohl." Darauf wollen wir einen heben!
4 Kommentare
Verträgt sich wahnsinnig gut mit Dosenbier
1990 "Meaning of Life" sehr gefeiert. Das es die noch gibt.
Extrem geiler Trash Metal! Prost!!!
243 mal geteilt? Respekt!