laut.de-Kritik
Beck becomes Black.
Review von Philipp KauseDan Auerbach hat zurzeit viel um die Ohren. Im Mai erscheint ein von ihm produziertes Album, das für mich die bisherige Platte des Jahres ist und das selten beackerte Feld des Garage-Soul pflügt: Shannon Shaw und ihre Band The Clams jammen unter Auerbachs Regie ein außerordentliches Retro-Future-Werk über Leben, Liebe und den Tod namens "The Moon Is In The Wrong Place". Beim Pre-Listening schmolz man entzückt dain.
Ebenfalls im Mai lässt der ugandische Songwriter Jon Muq mit bebender Stimme ein ausgefeiltes Debüt vom Stapel. Auch ihn hat der geschmackssichere Dan Auerbach entdeckt und produziert. Im Juni folgt dann die beachtliche Psychedelic-Latin-Instrumental-CD "Sonido Cósmico" von Hermanos Gutiérrez, mit der Producer Auerbach seine Groove- und Experimentierfreude unter Beweis stellt.
Derweil kann sich auch die neue Black Keys-Scheibe sehen und hören lassen. "Ohio Players" klingt aber lange nicht so spektakulär, sondern nach ordentlichem Handwerk. Obwohl oder weil sich Beck Hansen an der Hälfte der Tracks als Co-Autor und teils Feature-Gast beteiligt: "Beautiful People (Stay High)", "This Is Nowhere", "Don't Let Me Go", "Please Me (Till I'm Satisfied)", "Live Till I Die", "Fever Tree", "Everytime You Leave" sowie im repetitiven "Paper Crown". Dort zerteilt eine zappelnde und in der Luft hängende G-Funk-Rap-Einlage den Song.
Ich schätze Beck zwar, aber bei den Black Keys bremst er das, was sich an Südstaaten-Flair und Rockigkeit vielleicht sonst noch entfaltet hätte, aus. Diese Stücke klingen irgendwie crunchy, jedoch leider auch unspannend. Oder, um im Bild des Artworks zu bleiben: Sie eignen sich als solide Berieselung im Bowling-Center.
Eigentlich klingt die Kombination dieser Artists erst mal interessant. Auf Dauer nutzt sich die gleich-tönende Nöligkeit verbunden mit schleppend schweren Riffs, wie sie Beck immer eigen war, aber ab und gerät zu vorhersehbar. Irgendwann nimmt man die Platte mehr als eine Beck-CD wahr. Das Experiment 'Beck becomes Black Keys' stellt sich als zu brav heraus. Das atmosphärische "Fever Tree" wirkt noch am frischesten.
An "Don't Let Me Go" wirken etliche weitere Autoren mit, darunter Dominic Glover, bekannt für seine Trompete in Katie Meluas grandiosem "Nine Million Bicycles". Trotzdem vergaloppiert sich der Track als euphorisch himmelhoch jauchzende Schnulze mit vornehmer Soul-Note. Am Ende weiß man nicht mehr, was man gehört hat, außer, dass es irgendwie laut und aufgeregt war.
An einigen Songs ohne Beck ist wiederum Leon Michels beteiligt, zum Beispiel bei "On The Game", dem farblosen 08/15-Tune "Only Love" und dem schon bemerkenswerteren "You'll Pay". Michels fiel zuletzt an der Seite von Norah Jones auf, hier scheint er fehl am Platze.
"Ohio Players" gerät dort am besten, wo das Album behutsame Dissonanzen wagt, etwa im Post-Grunge-Rhythm'n'Blues "Candy And Her Friends", einer spleenigen Mischung aus Eels und Bayou-Musik, die Dan mit seinem 70-jährigen Kumpel Robert Finley auf dessen Album produziert hat, inklusive einem depressiven Touch Soundgarden.
"Candy And Her Friends" behandelt die Liebe zu einer Narzisstin, die sich nur in einem roten Mercedes abholen lässt und besitzergreifend die Persönlichkeit ihres Verehrers ausradiert, während sie sich auf ihr Aussehen fokussiert. "I was stuck on your vibe / but then I realized / see, you got a passion / for being photogenic", analysiert der emotional ausgezehrte Ich-Erzähler und ewige Underground-Boom-Bapper Lil Noid den Anfang vom Ende der toxischen Liaison. Auerbachs Stimme kommentiert das Geschehen in der Hook aus der Vogelperspektive.
Als Anspieltipp erster Güte stellt sich der düster eingefärbte Wüstenrock "Read Em And Weep" heraus. Da knarzt es ordentlich, Mississippi-Schwüle trieft in indigoblauen Schweißtropfen. Bleibt noch ein weiterer Song ohne fremde Beteiligung. Das gelungene Cover "I Forgot To Be Your Lover". Den schwungvoll vibenden Klassiker aus der Feder von Booker T. machte Al Green zum Hit. Billy Idol interpretrierte den Track als Disco-Glam-Pop'n'Roll und Bruce Springsteen als maximal intimen Ballade.
Die Black Keys veredeln die anmutige Melodie des versatilen Lieds mit Streichern und betonen die Harmonielinien auf bisher noch nicht gehörte Weise, irgendiwe kontraintuitiv. So entsteht Reibung zwischen den süßlichen Geigen und dem rostig angekratzten Vortrag. Allerdings: Wenn das einzige Cover als bestes Stück des Albums durchgeht, hat die Band irgendwas falsch gemacht.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Geiles Album, Candy, Fever Tree & This is Nowhere sind direkt auf verschiedenen Playlisten von mir gewandert, die Leserschaft zeigt meiner Meinung nach mit den 4* das besser Näschen als die Rezi, die sich doch etwas zu arg auf Beck einschießt und dadurch den neutralen Blick verliert. Egal.
Tolles Album. Das auf die Zusammenarbeit mit Noel Gallagher und meiner Meinung nach wirklich guten Songs die daraus entstanden sind, in der Rezi nicht eingegangen wird, verwundert in wenig. Die Nieren Collabos sind auch super interessant.
Wenn Kettcar und Sum41 für Ihre Alben hier 4/5 erhalten, (beide wären bei mir irgendwo zwischen 3,3 und 3,7 angesiedelt) müssten für dieses Album in jedem Fall auch eine 4/5 drin gewesen sein. Finde dass die Keys hier deutlich mehr Mut, Innovation und Kunst im Allgemeinen abliefern als die Beiden Erstgenannten.
Was für ne lieblos hingerotzte Rezi für den neuen Longplayer von ner Band, die wie kaum eine andere seit Jahren konstant abliefert.
Beim Hit des Albums "Beautiful People" reichts nicht mal für nen Kommentar außer "da war Beck auch beteiligt"
Die beste Strategie in diesem Fall ist, sich vollkommen nutzlos drüber aufzuregen.
Die Kommentarspalte hier ist halt kein Platz für Stoiker.