laut.de-Kritik
Hat das Leben einen Sound?
Review von Christoph DornerNeulich hat Fever Ray bei den skandinavischen Grammys der Radiostation P3 Guld den Award für die beste Künstlerin gewonnen. Auf der Bühne erschien die eine Hälfte des Avantgarde-Pop-Duos The Knifeverschleiert, in einer Art orientalischem Kostüm. Als sie den Schleier zur Dankesrede hob, kam eine Maske, halb Schwein-Fisch, halb Alien zum Vorschein. Ihre Rede – ein kurzes Röcheln und Stöhnen. Was das sollte? Keine Ahnung.
Dabei passte der Auftritt einerseits zur Mystik um die Geschwister Olof Dreijer und Karin Dreijer-Andersson, die als The Knife nur maskiert auftreten und Interviews verweigern. Andererseits hatte das Duo zum 200. Geburtstag von Charles Darwin und der Veröffentlichung seines Werks "Die Entstehung der Arten" auch die Musik zu einer naturwissenschaftlich-emphatischen Evolutions-Oper beigesteuert, die im September 2009 ihre Weltpremiere in Kopenhagen feierte.
Was lag also für Dreijer-Andersson näher, diesen Bogen künstlerisch weiterzuspannen, sei es auch bei einer Beauty-Bussi-Gala. Nun ist The Knifes Musik zu der Inszenierung Darwins Kulturrevolution auch als 90-minütiges Doppelalbum erschienen, das sich eher den Regieanweisungen von Kirsten Delmholm verpflichtet fühlt als der hohen Erwartungshaltung des fantastischen Vorgängers "Silent Shout".
Hat das Leben einen Sound? Lässt sich die Evolution in Musik überführen? Diese Fragen haben The Knife unter der Mitarbeit der englischen Visual-Pop-Künstlerin Planningtorock und des Berliner Produzenten Mt. Sims beantwortet, indem sie Textfragmente Darwins neu zusammengesetzt haben und darüber einen experimentell-rauschenden Klangteppich haben laufen lassen, der materielle Field Recordings, räumliche Klanginstallationen, Klassik und Elektronikdistorsionen miteinander kreuzt.
Geradezu folgerichtig für die Theater-Gattung halten sich The Knife bis auf die elfminütige (!) Single "Colour Of Pigeons" am Gesang auch nahezu bedeckt und überlassen stattdessen Mezzosopranistin Kristina Wahlin Momme, der Schauspielerin Lærke Winther Andersen und dem schwedischen Musiker Jonathan Johansson das Mikrofon. Und deren Intonation innerhalb dieser mitgeschnittenen Galapagos-Exkursion klingt dann für die Ohren ungeschulter Pop-Fans auch nach Oper, nämlich hoch und schrill. Als Songs im weitesten Sinne funktionieren eh nur die letzten fünf Nummern der zweiten CD, die man eh zuerst hören sollte, um nicht allzu enttäuscht zu sein.
"Tomorrow, In A Year" ist ein Ausschnitt Hochkultur, das sich nicht darum schert, zu erklären, warum es so ist, wie es klingt. Wer darin nicht Darwin lesen will oder kann, hat Pech gehabt. So werden Musikfans ohne Affinität für Avantgarde-Elektronik und das Abstraktionsvermögen für das zugehörige, experimentelle Theater kaum eine Ahnung davon bekommen, warum dieses entrückte Album mitunter weitaus spannender ist als das oft so gewöhnlich erzählte Kino von Popmusik.
3 Kommentare
Bald kommt das nächste The Knife-Album, was gleichzeitig als Oper über Darwin geplant wurde.
Hier die Tracklist:
01. Intro
02. Epochs
03. Geology
04. Upheaved
05. Minerals
06. Ebb Tide Explorer
07. Variation of Birds
08. Letter to Henslow
09. Schoal Swarm Orchestra
01. Annie’s Box
02. Tumult
03. Colouring of Pigeons
04. Seeds
05. Tomorrow in a Year
06. The Height of Summer
07. Annie's Box (alt. vocal)
man kann auch schon reinhören:
http://rabidrecords.com/tomorrowinayear/
nachdem silent shout zu einem meiner lieblingsalben avenciert ist, war ich sehr gespannt und der erste eindruck ist auch schon nicht schlecht. klingt auf jeden fall interessant. auf die visuelle umsetzung des ganzen opern-konzepts, darf man sicherlich auch gespannt sein.
münster ist wohl fest als ort dafür einplant, aber für mich zu weit leider. mal schaun.
"colouring of pigeons" ist auf jeden fall sehr genial.
bin extrem gespannt drauf.
letztens sorgte karin dreijer-andersson ja für etwas aufregung bei einer preisverleihung
http://www.youtube.com/watch?v=ymCP6zC_qJU
edit:
album-stream:
http://theknife.net/
@Screwball («
album-stream:
http://theknife.net/ »):
steht doch schon oben ;P (also auf der seite ist er auch)
oh ja das fever ray album war auch toll, aber so geben die beiden von the knife sich doch immer (also maskiert), obwohl das bei der preisverleihung ja schon eher fast komisch anmutete
zum album: wird immer besser, je oft ich höre. find's wirklich faszinierend. aber ich denke ich mal ich werde jetzt auf das physische erscheinen anfang märz warten. colouring of pigeons ist wirklich genial. ich liebe auch diesen akzent^^