laut.de-Kritik
Nostalgisches Schwelgen im Glanz der Großtaten.
Review von Yan VogelSo ziemlich jeder Artikel über The Whos neues Alterswerk nimmt Bezug auf die Zeile "Hope i die before i get old". Wie begegnet ein Musiker, der vor über 50 Jahren den Soundtrack des Sommers von 68 mitgeschrieben hat, dem zunehmenden Zelltod?
Zunächst einmal mit Arbeit. Sänger und Ex-Stahlschweißer Roger Daltrey veröffentlichte 2018 sein Soloalbum "As Long As I Have You". Pete 'die Windmühle' Townshend schrieb ein Buch. Die beiden verbliebenen Gründungsmitglieder trotzen auch gemeinsam der Rente und geben mit dem schlicht "Who" betitelten Album das erste Studio-Statement nach dreizehn Jahren ab - zuletzt war 2006 "Endless Wire" erschienen.
Alles fließt, das wusste nicht zuletzt Keith Moon, der eines natürlichen Rockertodes gestorbene Drummer. Satte 41 Jahre nach Moons Ableben erklingt hier ganz klar ein Alterswerk statt Petechens Modfahrt. Revolution nimmt den betagten Herren sowieso niemand ab, deswegen gibt es ein nostalgisches Schwelgen im Glanz der Großtaten.
Die Knittel-Verse im Opener "All This Music Must Fade" mit einem stolpernden Daltrey üben den Schulterschluss mit den Fans: "What's yours is mine, what's mine is yours. Große raumgreifende Chords der Marke "Pinball Wizard" im Windmill-Style gespielt folgen der Attitüde 'Alles, was auf der Gitarre über den fünften Bund hinausgeht, bringt kein Geld'. Townshend kokettiert in den Lyrics mit dem tristen Daseins des alten weißen Mannes und gibt der Zielgruppe damit zumindest einen Klaps auf den faltigen Hintern.
Wenn Tom Petty-Pianist Benmont Tench die Tasten rollen lässt und Daltreys brüchige Stimme von Guantanamo, dem Sinnbild der Doppelmoral des Westens, erzählt, dann hat diese Mischung aus "Baba O'Riley", Springsteen und Morricone tatsächlich seinen Charme ("Ball And Chain").
"I Don't Wanna Get Wise" gibt sich überschwänglich und hymnisch, bevor "Detour" tatsächlich in seiner ersten Zeile unzweideutig einen der größten Hits der Modgrandfathers referiert. "My Generation" klingt in der Call And Response-Machart mit seinen Stakkato-Riffs und polternden Drums durch. Zudem lehnt sich der Titel an den Bandnamen der ersten Zusammenkunft Townshends mit Entwistle und Daltrey an. Auch die flirrenden Elektronica am Ende gemahnen an die Hochphase Anfang der Siebziger mit "Who's Next".
"Beads On One String" huldigt lyrisch dem indischen Guru Meher Baba. Townshends Spiritus Rector prägte für die verschiedenen Religionen die Metapher der Perlen an einer Schnur. Musikalisch ist dieser Schlager-Verschnitt hingegen ein Tritt in den Allerwertesten des Allmächtigen.
"Hero Ground Zero" lautet auch der Name einer Band in Townshend neuem Buch "The Age Of Anxiety". Das klassische Instrumentarium geht sicherlich auf die jüngst absolvierte Orchester-Tour zurück und verleiht dem Track einen pfiffigen Charakter. Der Brand im Wohnturm Greenfell Tower in London mit seinen 72 Toten steht Pate für den "Street Song". Dessen flirrend-repetitive Synthie-Arpeggien evozieren den freien Fall, in dem sich die menschliche Moral angesichts einer durchkapitalisierten Welt befindet.
Das letzte Drittel des Albums versinkt dagegen in allzu schwülstigen Abgründen. "I'll Be Back" sagte auch einst Arnies Terminator zu donnerndem Soundtrack. Bei The Who klingt das leider wie der Abspann einer längst vergessenen Serie. Auch wenn das Harp-Solo zumindest die Mundwinkel wieder nach oben zieht.
"Break The News" fällt als Folktronica Export noch in die Kategorie hörenswert. "Rocking In Rage" atmet Musical-Flair, leider weniger dramatisch als in "Tommy" und mit mehr Kitsch versehen wie am Broadway halt üblich.
Die Polarität und Rivalität zwischen den beiden verbliebenen Mitgliedern lässt sich zumindest auf dem Endresultat kitten, auch wenn sie auf dem Weg dorthin tonangebend war. Townshend arbeitete die Demos mit Ringo Starrs Sohn Zak Starkey an den Drums und Pino Palladino am Bass in Mark Knopflers British-Grove-Studios aus, während Daltrey mit Produzent Dave Enriga in einem eigenen Studio logierte.
Ganz so schlimm wie Kollege Ringo Starr auf "What's My Name" stellen sich The Who nicht an. Immerhin wissen sie bezogen auf den Albumtitel trotz des betagten Lebensabschnitts noch wer sie sind. Die Platte aus Townshends Feder mit Daltreys Vortrag macht Laune und ist einfach was sie ist: weder zeitlos noch aus der Zeit gefallen, einfach eine kleine Krachmusik.So ziemlich jeder Artikel über The Whos neues Alterswerk nimmt Bezug auf die Zeile "Hope i die before i get old". Wie begegnet ein Musiker, der vor über 50 Jahren den Soundtrack des Sommers von 68 mitgeschrieben hat, dem zunehmenden Zelltod?
Zunächst einmal mit Arbeit. Sänger und Ex-Stahlschweißer Roger Daltrey veröffentlichte 2018 sein Soloalbum "As Long As I Have You". Pete 'die Windmühle' Townshend schrieb ein Buch. Die beiden verbliebenen Gründungsmitglieder trotzen auch gemeinsam der Rente und geben mit dem schlicht "Who" betitelten Album das erste Studio-Statement nach dreizehn Jahren ab - zuletzt war 2006 "Endless Wire" erschienen.
Alles fließt, das wusste nicht zuletzt Keith Moon, der eines natürlichen Rockertodes gestorbene Drummer. Satte 41 Jahre nach Moons Ableben erklingt hier ganz klar ein Alterswerk statt Petechens Modfahrt. Revolution nimmt den betagten Herren sowieso niemand ab, deswegen gibt es ein nostalgisches Schwelgen im Glanz der Großtaten.
Die Knittel-Verse im Opener "All This Music Must Fade" mit einem stolpernden Daltrey üben den Schulterschluss mit den Fans: "What's yours is mine, what's mine is yours. Große raumgreifende Chords der Marke "Pinball Wizard" im Windmill-Style gespielt folgen der Attitüde 'Alles, was auf der Gitarre über den fünften Bund hinausgeht, bringt kein Geld'. Townshend kokettiert in den Lyrics mit dem tristen Daseins des alten weißen Mannes und gibt der Zielgruppe damit zumindest einen Klaps auf den faltigen Hintern.
Wenn Tom Petty-Pianist Benmont Tench die Tasten rollen lässt und Daltreys brüchige Stimme von Guantanamo, dem Sinnbild der Doppelmoral des Westens, erzählt, dann hat diese Mischung aus "Baba O'Riley", Springsteen und Morricone tatsächlich seinen Charme ("Ball And Chain").
"I Don't Wanna Get Wise" gibt sich überschwänglich und hymnisch, bevor "Detour" tatsächlich in seiner ersten Zeile unzweideutig einen der größten Hits der Modgrandfathers referiert. "My Generation" klingt in der Call And Response-Machart mit seinen Stakkato-Riffs und polternden Drums durch. Zudem lehnt sich der Titel an den Bandnamen der ersten Zusammenkunft Townshends mit Entwistle und Daltrey an. Auch die flirrenden Elektronica am Ende gemahnen an die Hochphase Anfang der Siebziger mit "Who's Next".
"Beads On One String" huldigt lyrisch dem indischen Guru Meher Baba. Townshends Spiritus Rector prägte für die verschiedenen Religionen die Metapher der Perlen an einer Schnur. Musikalisch ist dieser Schlager-Verschnitt hingegen ein Tritt in den Allerwertesten des Allmächtigen.
"Hero Ground Zero" lautet auch der Name einer Band in Townshend neuem Buch "The Age Of Anxiety". Das klassische Instrumentarium geht sicherlich auf die jüngst absolvierte Orchester-Tour zurück und verleiht dem Track einen pfiffigen Charakter. Der Brand im Wohnturm Greenfell Tower in London mit seinen 72 Toten steht Pate für den "Street Song". Dessen flirrend-repetitive Synthie-Arpeggien evozieren den freien Fall, in dem sich die menschliche Moral angesichts einer durchkapitalisierten Welt befindet.
Das letzte Drittel des Albums versinkt dagegen in allzu schwülstigen Abgründen. "I'll Be Back" sagte auch einst Arnies Terminator zu donnerndem Soundtrack. Bei The Who klingt das leider wie der Abspann einer längst vergessenen Serie. Auch wenn das Harp-Solo zumindest die Mundwinkel wieder nach oben zieht.
"Break The News" fällt als Folktronica Export noch in die Kategorie hörenswert. "Rocking In Rage" atmet Musical-Flair, leider weniger dramatisch als in "Tommy" und mit mehr Kitsch versehen wie am Broadway halt üblich.
Die Polarität und Rivalität zwischen den beiden verbliebenen Mitgliedern lässt sich zumindest auf dem Endresultat kitten, auch wenn sie auf dem Weg dorthin tonangebend war. Townshend arbeitete die Demos mit Ringo Starrs Sohn Zak Starkey an den Drums und Pino Palladino am Bass in Mark Knopflers British-Grove-Studios aus, während Daltrey mit Produzent Dave Enriga in einem eigenen Studio logierte.
Ganz so schlimm wie Kollege Ringo Starr auf "What's My Name" stellen sich The Who nicht an. Immerhin wissen sie bezogen auf den Albumtitel trotz des betagten Lebensabschnitts noch wer sie sind. Die Platte aus Townshends Feder mit Daltreys Vortrag macht Laune und ist einfach was sie ist: weder zeitlos noch aus der Zeit gefallen, einfach eine kleine Krachmusik.
2 Kommentare
mogwei, Who? xD
Überraschend gutes Album geworden!