laut.de-Kritik
Da treiben sie davon, die Songs.
Review von Rinko HeidrichBald feiert The Wombats-Debüt "A Guide To Love, Loss & Desperation" sein zwanzigjähriges Jubiläum. Wer bei dem Gedanken zusammen zuckt, darf sich als alt bezeichnen. Jep, die Nullerjahren sind für die Kids ein obskures Classic-Rock-Jahrzehnt, mit vielen Typen in Skinny Jeans und The-Pflicht beim Bandnamen. Die Wombats wirkten schon damals wie eine Band aus dem Potter-Universum und im Gegensatz zu dem verqualmten Heroin-Rock der Libertines wie die Typen aus der Naturkunde AG.
Ihr schrulliger Humor, der rechtzeitige Schwenk Richtung modernem Alternative Rock und sechs gute Alben trugen dazu bei, dass die sympathische Band aus Liverpool immer noch dabei sein darf. Nicht mehr so überdreht wie noch "Let's Dance To Joy Division"-Zeiten, dafür psychedelisch wie in "Can't Say No" und immer noch mit einem Gespür für eine mitreißende Melodie. Die Band um Sänger Matthew Murphy war vor allem auch immer eine gute Pop-Band, die schon in ihrer exzentrischen Frühphase immer um die richtige Dosierung aus Dance-Momenten und Rock wusste. Da sie nun auch in den Vierzigern ankommen, weicht der Humor-Anteil eher der Melancholie.
"Oh! The Ocean" als Ausdruck eines Familienvaters, der mit lauten Seufzen auf die endlose Weite schaut. In so mancher Hollywood-Produktion steht die Hauptfigur gedankenverloren am Strand und blickt mit zusammen gekniffenen Augen auf das endlose Weit des Ozeans. Dieses Sehnsuchts-Bild dürfte wohl zu den meistgenutzten und wirkmächtigen Bildern in der Popkultur gehören. "Es war wirklich eine starke Erfahrung. Ich hatte das Gefühl, alles zum ersten Mal neu zu sehen, und mir wurde bewusst, dass ich so egoistisch gewesen war, nicht wahrzunehmen, wie verrückt die Welt und das Leben sind", raunt Sänger Murphy über diese Erfahrung und klingt dabei wie ein Off-Text aus einer Telenovela. Wenn er später sogar noch über den Duft von Blumen spricht, möchte man zum besagten Strand fahren, ihm die Hand auf die Schulter legen und ... genau das Gleiche fühlen und mit ihm synchron den nächsten Seufzer ausatmen. "Midlife-Crisis, Buddy?"
Genau für dieses sentimentale Gefühl passt ansonsten die Musik von Death Cab For Cutie. Die erwachsene Emo-Nummer "My Head Is Not My Friend" ähnelt dem gefälligeren Sound der amerikanischen Indie-Band, und es ist fast nicht möglich, deren Sänger Ben Gibbard noch von James Murphy zu unterscheiden. "Kate Moss" möchte gerne The Postal Service, das andere Standbein von Gibbard, kopieren. Die Band, die den zarten Sound von Death Cab in ein noch fragileres Indietronic-Klang destillierte, hält als Pate für den Song her. Dabei sieht man hinter dem Schönklang durchaus eine große Verbitterung über die Entfremdung der wohlhabenden Vorstadt-Bewohner, die in "Kate Moss", genauso so traurig und verlebt wie das ehemalige Supermodel mit aller Macht an dem kapitalistischen Traum festhalten möchten. Auch hier gelingt die Imitation des Originals ziemlich perfekt, aber es gibt bereits die genannten Bands schon.
Die Zeiten verhärten inzwischen auch The Wombats, was zeigt, in welchem Schlamassel wir uns befinden. Die Band hat mal die Ironie zelebriert, zu Joy Division zu tanzen, und kommt nun an den Punkt, wo auch sie nicht mehr so wirklich weiter weiß. Das ist das perfekte Abbild einer Generation und ihrer Desillusion, aber wabernden Dad Pop wie in "Lobster" benötigt die Welt halt auch nicht. Songs für die Playlist, nachdem man die Kinder zur Schule gebracht hat und auf dem Parkplatz einsam im Auto weinen möchte. So treiben die Songs auf dem allzu erwachsenen "Oh! The Ocean" gemächlich im Ozean davon und Murphy defäkiert vielleicht eine Taube beim nächsten Standbesuch auf den Kopf. Er und wir alle brauchen dringend wieder Glück im Leben.
1 Kommentar
Insgesamt tolles Album, leider wird in der Rezension nicht auf den neuen Produzenten eingegangen. Ich mag die nachdenklichen Texte in Kombination mit deren Humor.
Bis jetzt hat die Band in ihrer Geschichte immer kontinuierlich abgeliefert. Ich finde die Bewertung mit 3 ein wenig zu niedrig.
Sie haben immer noch den Hang zu schönen Melodien und Songs wie „My Head Is Not My Friends“ sind einfach fantastisch.
Bitte weiter so!!!