laut.de-Kritik
Nimm mich mit, Tommy!
Review von Dani Fromm"Wo soll ich anfangen?" Mit dieser Frage leitet Thomas D seinen "Erklärungsversuch" ein, den einem Vorab-Videotrailer, Promo-Begleitschreiben und CD-Booklet wieder und wieder um die Ohren hauen. Wo anfangen? Das frage ich mich auch.
Bei "Aufstieg Und Fall Des Tommy Blank" handelt es sich, das hätte man dem wenig subtilen Titel nach auch ohne ellenlange Erläuterungen angesehen, um ein Konzept-Album. Besagtes Konzept empfinden aber offenbar sogar der geistige Vater und seine Bundesgenossen im Musikgeschäft als so schwach, dass es nicht für sich sprechen darf. Schon vorab latschen die Erklärbären von Tür zu Tür. Vielen Dank. Immer ein schönes Gefühl, für blöd gehalten zu werden.
Schon bevor der erste Ton der Platte in die Welt entfleucht, haben sie die Story schon erschöpfend kaputt-erläutert. Eine Geschichte, die ohnehin keinen Deut mehr hergibt, als Thomas D schon im allerersten Werbe-Video für dieses Album ausgebreitet hat: "Aufstieg Und Fall ..." soll seinem Freund Harvey, pardon, Tommy Blank ein Denkmal setzen. Einem "Phantom", das Fans und Kollegen angeblich "frenetisch bejubelt" haben, hinter dem zudem Verlage und Plattenfirmen hergewesen sein sollen, wie der Teufel hinter der armen Seele, von dem nichtsdestotrotz aber kein Schwein je gehört hat.
So bedeutungsschwanger, wie die Inszenierung tut, als so banal entpuppt sich der Plot. Tommy Blank kam, siegte, ließ sich korrumpieren, stürzte ab und verschwand: Stoff, aus dem sich durchaus ein großes Drama hätte stricken lassen, hätte man die dürre Handlung nicht vorab bereits in allen Einzelheiten in die Welt posaunt. Statt ihr Leben einzuhauchen, erstickt Thomas D seine ohnehin schon schwachbrüstige Idee in ausgelutschten Allgemeinplätzen. "Erfolg Is A Bitch", und Obacht! "Nach dem Aufstieg kommt der Fall, irgendwann, überall." Für solche Erkenntnisse brauch' ich eigentlich keinen Straßenphilosophen.
Das noch größere Problem: "Aufstieg Und Fall Des Tommy Blank" soll eine Huldigung des "authentischsten Rappers" von allen darstellen, wirkt dabei aber auf ganzer Länge dermaßen konstruiert, unecht und aufgesetzt, wie man es sich schlimmer gar nicht hätte ausmalen können. Thomas D preist den unbequemen, rebellischen, aufmüpfigen Geist seiner Hauptfigur - und benutzt dafür durch und durch angepasste, mainstreamtaugliche Stilmittel? Da stimmt doch etwas nicht. Auch, wenn er die Stimmbänder zur Faust krampft und trotzig "Ihr Könnt Mich Mal" in die Runde blökt, wirkt seine Schimpftirade so zahm und zahnlos wie diese Drohung: "Richtig in Rage tret' ich schon mal 'ne Schrankwand ein oder fang' an zu schrei'n." Auweia, jetzt aber in Deckung!
Nur das "Intro", in dem Thomas D ganz klassisch den Hype-Man für seinen Helden gibt, und das mit gerade einmal gut zwei Minuten auch recht fragmentarisch erscheinende "Der Tod Ist Mein Bodyguard", kommen ohne Schützenhilfe am Mikrofon aus. Die überbordende Gästeliste soll vermutlich repräsentieren, welchen Genre-übergreifenden Einfluss der sagenhafte Tommy Blank nahm. Sie untermauert am Ende aber lediglich eine auch nicht ganz neue Feststellung: "Erfolg Is A Bitch". Wer mitten im Pop-pop-populär-Pop angekommen ist, muss offenbar nur rufen, und es kommt zusammen, was dann halt trotzdem nicht zueinander passt.
Gibt es Kopfnicker, die nur darauf gewartet haben, dass Herbert Grönemeyer endlich einmal eine Seefahrer-Metapher in einen Hip Hop-Track bringt? Welcher Rap-Fan will schon wirklich indie-berockte Hooks von Cäthe oder dem Jupiter Jones-Sänger Nicholas Müller oder autogetunen Mist von Herrn Sorge hören? Wahre Rap-Fans können aber vermutlich mit Thomas Ds monotonen Flow, bei dem sich seit "Rückenwind" nichts getan hat, ohnehin schon wenig anfangen. Ihnen bleiben gerade einmal der kurze Gastauftritt von Chefket und die hörbar teure, aufwändige, detailverliebte Produktion, für die federführend Farhot verantwortlich zeichnet.
Maxim höre ich jederzeit gerne zu. Dabei stören erheblich die in "Segen & Fluch" zwischen die Hooks gestreuten Strophen, in denen sich Thomas D zu allem Überfluss auch noch wiederholt. "Tommy hat es kommen sehen, und so beschloss er, zu verschwinden." Der Glückliche, hat er doch rechtzeitig die Kurve gekratzt, bevor Haudegen auch noch einen Chorus krächzen und Moses Pelham sein Hip Hop-Historienwissen raushängen lässt und dabei wirkt, wie der als Experte für alles und jedes in jede zweite Musik-Doku geladene Heinz Rudolf Kunze. Nimm mich mit, Tommy!
21 Kommentare mit 40 Antworten
Ungehört 1/5. "Erfolg Is A Bitch" reicht für einen Gesamteindruck und der ist ziemlich beschissen.
musik für den lautuser
Der du bist.
Word. Halt für ewiggestrige Wackboys, die sich die lange Wartezeit zum nächsten Beginner-Album versüßen möchten.
Ansonsten wundert mich eigentlich nur, dass es kein Sido-Feature gibt.
Nächstes Beginer-Album??? Wann??? Wo???
Hab's mir gerade bei Spotify angehört. Find's zu 50% geil, z.B. Aufstieg und Fall, das is doch gute Musik. Ich denke nicht, dass es Thomas D's Ambition ist sich mit Sido und Kollegah zu messen, die waren noch nicht geboren als er Hip Hop in Deutschland eingeführt hat. Pro: Kann "ch" und "sch" deutlich unterschiedlich aussprechen: Besser als 75% des aktuellen Deutschen Rap. Der monotone, aber gute Flow stört doch garnicht. Er ist wahrscheinlich der dienstälteste noch erfolgreiche deutsche Rapper. Arbeitet mit Samy Deluxe zusammen. Ist ne coole Sau.
nein
doch
Also ehrlich gesagt kann ich vieles was hier geschrieben wird nicht nachvollziehen. Da stellt sich mir die Frage: Was erwartet ihr von Thomas D? Ich glaube nicht dass man anfangen muss darüber zu diskutieren ob Thomas D etwas kann oder nicht, denn das hat er nicht nur auf einem Album bewiesen. Wenn hier jemand über Flow und Rap dikutieren will ist das ein ganz anderes Thema, denn darum geht es bei dem Album nicht in erster Linie und darum ging es auch nie bei Thomas D. Es gibt Musiker in Deutschland die einfach für sich selbst stehen und eine Marke sind, die Zeiten der battles sind für manche Gott sei Dank vorbei und die Jugendzentrum-Hip-Hop-Attitüde ist vergessen. Thomas D kommt aus einer anderen Zeit und spielt in einer anderen Liga. Wozu also diese Vergeiche?
Und nun zum Artikel: Ich finde ein wenig konstruktiver könnte man vorgehen wenn man die Platte schon so kaputt redet. Für mich ist das keine nachvollziehbare Kritik sondern lediglich eine Attacke. So wie das Album hier behandelt wird kommt einem schnell der Gedanke, dass fast "alles" an der Platte schlecht geredet wird. Da bekommt man das Gefühl, dass man das insgesamt nicht ganz ernst nehmen kann. Dass es sich hier nicht unbedingt um einen Thomas D Fan handelt merkt man schnell, und so scheint er auch an die Platte herangegangen zu sein.
Muikalisch ist das Album ziemlich ausgefeilt und mühevoll produziert, hier könnten sich manche deutsche "Rapper" mal ne Scheibe von abschneiden. Und ehrlich gesagt, ich habe keine Ankündigungen für das Album verfolgt und aus diesem Grund haben mich auch fast alle Tracks überraschen können. Es ist ein Album dass man sich von vorne bis hinten anhören sollte, so wie man einen Film an einem Stück sehen sollte, dann gewinnt man auch Zugang zu dieser Platte. Hier steckt mehr Dramaturgie drin als man bei den einzelnen Stücken erkennen kann. Thomas D ist einer von wenigen etablierten Rappern in Deutschland der seinem Stil treu geblieben ist und dafür meinen Respekt verdient. Und wenn man das Album mit seinen alten Soloalben vergleicht, hört man sehr wohl dass sich auch seine Skills verändert und erweitert haben. Aber alle vergleiche mit dem deutschen Rap der heutigen Zeit sind natürlich Schwachsinn, denn man vergleicht Torch doch auch nicht mit Cro. Wenn man die Musiker die auf dem Album als Feature zu hören sind nicht mag, findet man das Album natürlich noch schlechter. Man kann froh darüber sein, dass es in der heutigen Zeit jemanden wie D gibt, mir fallen hierzulande nicht viele ein, die so einen besonderen Wiedererkenneungswert haben und Qualität abliefern.
Ich mag vieles von den Fantas, aber das Album ist einfach nicht gut. Diese "Wut" in vielen Songs ist einfach so dermaßen gekünstelt...
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