laut.de-Kritik
Seelischer Schmerz lässt Ufuk endlich reifen.
Review von Johannes JimenoSeit der "Berliner"-Trilogie 2016/2017 gab es das bei Ufo361 nicht mehr: Die Fortsetzung eines thematischen Überbaus. Normalerweise springt er von Sound zu Sound und versucht, gerade in den USA stattfindende Trends aufzunehmen. Doch dieses Mal wurde erneut sein Herz gebrochen, was in einen zweiten Teil von "Nur Für Dich" mündet. Rein thematisch versteht sich. Musikalisch unterscheidet es sich doch stark, denn Sonus030 fehlt komplett, dafür treten unter anderem 10am, Lucidbeatz und 808 Mafia als Produzenten auf, die langsame Indie-Beats servieren. Auch die Destination des Verarbeitens ist ein anderer, nicht mehr Italien, sondern Japan.
Vielleicht für viele überraschend: Ufo hat sich auf "NFD2" den Lo-Fi-Beats verschrieben. In groß angelegten Interviews mit dem Spiegel und dem Rolling Stone gibt er zu Protokoll, dass er alleine um Mount Fuji flanierte und diese Art von Musik vornehmlich konsumierte. Etliche Tracks sind deshalb vom Bengalen Monty Datta produziert. Auf "Say Goodbye" sampelt Ufuk dessen gleichnamigen Hit sogar. Ebenfalls mehrfach zu hören ist der noch weitgehend unbekannte indonesische Künstler Kehard, der in dieser Bubble seine Heimat findet.
Obwohl der Berliner super viel ackert und inflationär mit Alben um sich wirft, hat er hier in sich reingehört und Introspektion betrieben. Endlich kein stumpfes Namedropping mehr, keine Aneinanderreihung von Luxusgütern, keine pompöse Darstellung seiner Kunstfigur. Stattdessen erhalten wir einen Einblick in die Person Ufuk Bayraktar und wie er mit seinen Emotionen kämpft. Am Ende einer Beziehung herrscht stets ein Gefühlschaos und er rappt über eine Myriade Gefühle: Grundsätzlich verletzt und verloren, gibt er mal ihr und mal sich sich selbst die Schuld, verspürt Antriebslosigkeit, verliert sich in geplatzten Träumen, schwärmt von besseren Zeiten, erkennt die bittere Wahrheit, dass eine Trennung das Beste wäre. Selten zeigt sich Ufo so reflektiert. Natürlich badet er auch in seinen Emotionen und schlägt mancherorts lyrisch etwas über die Stränge, wenn er selbstzerstörerische Gedanken äußert, doch jeder von uns durchlebt beizeiten eine starke seelische Unwucht.
Wie geht Ufo damit um? Er ertränkt und betäubt seine Pein oder gibt sich den kurzweiligen Endorphinschüben des Kapitalismus hin: "Ich rauch' ein ganzes Pack, weil ich es anders nicht gekannt hab' / Und wenn das noch nicht reicht, kipp' ich Lean in meine Fanta / Finde keine Ruhe mehr und greif' zu Opiaten" oder "Doch bevor ich reflektiere, kauf' ich fünf neue Ketten" oder auch "Ich weiß nur, wenn das Glas nicht rеicht, Mann, dann das nächste bestimmt." In besagten Interviews gibt er zu, dass er noch nie einen Therapeuten besuchte, obwohl es vielleicht angebracht wäre. Einzig die Musik sei sein Heilsbringer.
Die absolute Highlights kommen alle mit hervorragend ausgesuchten Featuregästen daher. Im ätherischen "Liebe" positioniert sich Nina Chuba erwachsener als sonst zu schweren Synthies, im Duett kredenzen sie eine schöne Pre-Hook. Ein traurig-hübscher Pop-Song. Im langsamen Trap "Blades" übernimmt die Schweizer Sadpop-/Alternative-Sängerin Julia Alexa den Refrain. Ufo lässt dem inneren Sadboi gehörig freien Lauf.
Der druckvollste Beitrag kommt von Henning May im düsteren "7 Leere Zimmer", wenn er nach gelungener Pre-Hook emotional den Chorus zementiert. Das sollte hoffentlich der Startschuss dafür sein, dass Henning ab sofort häufiger Deutschrap-Refrains veredelt und weniger mit seiner Stammband Annenmaykantereit unternimmt. Paula Hartmann möchte man auf einem vor Melancholie triefenden Album nicht missen, beide harmonieren prächtig im wehmütigen "Red Cups", vor allem bei der dritten Hook, wenn hysterische Ufo-Adlibs hereinbrechen und die sehr gelungene Dynamik auf die Spitze treiben.
Quasi ein Novum stellt mit einer Länge von über fünf Minuten "Ocean" dar. Beim Rage-Rap-Gewitter vom Vorgänger "Sony" wären das bis zu vier einzelne Songs gewesen. Dank Vogelgezwitscher und atmosphärischem Lo-Fi entsteht ein kohärentes Bild, bei dem der Beat auch seine Zeit bekommt, entspannt auszulaufen. Etwas hellere Töne gibt es im fluffigen "Denk Zu Viel Nach", bei dem Ufo im Refrain "Listen To Your Heart" von Roxette interpoliert. Irgendwie schon süß, aber im Albumkontext leicht deplatziert, was mich zu den Lowlights führt.
Zunächst die andere, schlimmere Interpolation auf "Forever", bei dem Ufo "Don't Speak" von No Doubt als Melodieführung nimmt, mit enttäuschendem Ergebnis. Das nebelverhangene, drogeninduzierte "Töte Mich" mit Levin Liam, der kürzlich auf Bazzazians Producer-Tape "100Angst" mit Apsilon vertreten war, ist definitiv Geschmackssache. Musikalisch zwar in Ordnung, jedoch geraten Vortrag und Vibe allzu schicksalsschwanger und melodramatisch. Generell gesprochen hätten es auch zwei bis drei Lo-Fi Songs weniger sein dürfen, um mehr Präzision im Albumaufbau herzustellen.
Zudem kann Ufo dann doch nicht ganz aus seiner Haut, denn Japan dient ihm zwar als Ort der Reflexion. Das will er hier auch einfließen lassen, schmückt sich indes lediglich mit Versatzstücken. Im verträumten "Japanese Romance" ertönt ein Anime-Gesprächssample, er sippt natürlich "Yamazaki, kein Jacky", fährt auf der Yamaha, geht in Ginza spazieren und in Shibuya kiffen, fühlt sich "tot so wie Issey (Miyake)" und sampelt mit "Stay With Me" von Miki Matsubara einen City Pop Banger in leicht veränderter Form beim Ambient-Schlussakt "Warum Ist Es So Schwer Dich Zu Vergessen". All das kann man eleganter und durchdachter lösen.
Nichtsdestotrotz bildet "Nur Für Dich 2" das perfekte Herbstalbum: nachdenklich, ruhig, intensiv. Ufo361 läuft hier tatsächlich zur Bestform auf, sein Seelenleid lässt ihn emotional wie künstlerisch wachsen. "Ihr wisst Bescheid!" - In der Tat.
3 Kommentare mit einer Antwort
Ist für Ufuk tatsächlich ziemlich naise, die Beats gehen schon sehr klar...aber bleibt halt Ufo, mehr als 3/5 kann das aus Prinzip nicht sein.
Danken wir den Produzenten, die machen seit langen einen Top Job. Ufo will ich mir jedoch nicht mehr geben
Seine ersten Trapsachen mochte ich ja, weil das Genre da noch verhältnismäßig unverbraucht war, dann hat es sich in Rekordzeit abgenutzt. Bin auch nicht wirklich interessiert am 1274. Rapper, der völlig überraschend feststellt, dass Reichtum und maßloser Konsum ja überhaupt nicht Alles ist und -jetzt kommt's- für innere Leere sorgt.
Puh, ich muss zugeben, dass mich das mehr catched als ich zugeben will...Ja, die Texte sind - deutschraptypisch - großteils fremdschaminduzierend, aber der Sound is genuin am slappen, ma sagen.