laut.de-Kritik

Als wir einst Satanisten waren ...

Review von

Entombed und Entombed A.D., Luca Turilli's Rhapsody und Rhapsody Of Fire, und jetzt also Venom und Venom Inc. Als Cronos Ende der Achtziger mit neuer Band loszog, betrieben Mantas und Abaddon die Black Metal-Erfinder vier Jahre lang gemeinsam mit Tony "Demolition Man" Dolan an Mikro und Bass. Dieses Line-Up reaktivierten sie 2015 für eine Sondershow, und, schwuppdiwupp, wurde daraus eine richtige Band. Als solche hatte das Trio keine bescheidenen Ziele: Einen Metalklassiker, ein "neues 'Black Metal'" schreiben, das wollten sie.

Zum Klassiker reicht "Avé" zwar mit ziemlicher Sicherheit nicht. Dafür sind die goldenen Zeiten des traditionellen Heavy Metal einfach schon zu lange vorbei. Zumindest Genrefans, denen eine volle Breitseite Klischees nicht nur nichts ausmacht, sondern die sie idealerweise sogar geil finden, dürfte die Platte aber bestens unterhalten.

Großen Pluspunkt der Scheibe stellt die Produktion dar. Mantas selbst zeichnet dafür verantwortlich und bläst "Avé" mit Dampfhammer-Sound aus den Boxen. Dagegen klingt Cronos' jüngstes Machwerk "From The Very Depths" beinahe wie ein Demo. Gerade der Druck, den das Schlagzeug mitbringt, schließt "altbacken"-Vorwürfe von vornherein kategorisch aus. Mit so einem Sound haben Venom Inc. 2017 definitiv ihre Daseinsberechtigung verdient.

Was man von den Songs leider nur bedingt behaupten kann. Vor dreißig Jahren wäre ein "Ave Maria"-Intro mit Sauron-Voiceover vielleicht badass gewesen, heute ist es cringeworthy. Leider verfällt die Band immer wieder solchen Sperenzchen. Der Bass in "Dein Fleisch" strahlt auch allein genug Bösartigkeit aus. Sexsklaven-Gestöhne im Hintergrund trägt nicht wirklich dazu bei, dass man es noch ernst nimmt, ebenso wenig Demolition Mans bedeutungsschwangeres Flüstern und sein Rammstein-Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch.

Dabei können es die Herren ja durchaus noch. Wenn sie sich auf die Musik konzentrieren. "War" brettert als unerbittliche Thrashwalze durchs Kriegsgebiet. "Ave Satanas" ist über weite Strecken ein wahr gewordener Headbanger-Traum, und Demolition Man entfesselt im Refrain seine gesamte Stimmgewalt. Auch "Preacher Man" tut sich als positives Beispiel für die groovige Seite von Venom Inc. hervor, allerdings auf ganze andere Weise:

Während "Ave Satanas" mit purer Heaviness angerollt kommt, meint man bei "Preacher Man", ein Schelmengesicht erkennen zu können. Statt sich zum Ungeheuer aufzurichten, schüttelt sich Demolition Man hier den Refrain ganz locker und mit Augenzwinkern aus der Hüfte: "Don't listen to the preacher man / Don't listen to a word he says / If you listen to the preacher man / He's gonna get inside your head!"

Für über eine Stunde Spielzeit sind die echten musikalischen Bringer dann aber doch etwas rar gesät. Zu oft spielen Venom Inc. nur im Mittelfeld der Genreklasse und liefern zwar solide, aber eben auch austauschbare Kost. Riffs und Leads haben oft wenig Wiedererkennungswert. Songs wie "Forged In Hell" und "Time To Die" rauschen zunächst einfach durch. Um sie im Gedächtnis zu verankern, muss man sich fast schon anstrengen. Zu oft hat man diese Riffstrukturen schon gehört.

Musikalisch ebenfalls wenig spannend, dafür ein Launegarant: "Black N Roll". Demolition Man sollte dringend seine eigene Motörhead-Coverband starten (sofern er nicht eh schon heimlich eine betreibt). Abaddon drischt in bester Philthy Animal-Tradition auf seine Felle, Mantas lehnt sein Riff wohl ganz bewusst an "Ace Of Spades" an, und am Mikro gibts nicht nur eine Anspielung auf den erwähnten Song, sondern gleich einen Rundumschlag, der auch Iron Maiden ("The number of the beast has got us running to the hills") und Metallica nicht auslässt ("We ride the lightning and the puppet master sings, hell yeah").

In den Momenten, in denen Venom Inc.s musikalische Argumente über ihren bisweilen sehr aufdringlichen Jahrmarktsatanismus dominieren, überzeugt "Avé" – wie im monumentalen Refrain des Titelsongs. Ebenso dann, wenn klar erkennbar ist, dass die Mannen eben doch nicht alles so bierernst nehmen, wie es zu oft klingt ("Black N Roll"). Der gute Sound täuscht dazu über so manche Schwäche im Songwriting hinweg. An sich ödes Leersaitengeschrammel tönt eben gleich viel beeindruckender, wenn es aus den Boxen ordentlich bollert ("Blood Stained").

So wird "Avé" zwar bestimmt kein zweites genredefinierendes Werk wie "Black Metal", doch es übersetzt die essentiellen Tugenden des traditionsreichen Venom-Sounds doch recht stimmig ins Heute. Die Coolness sollten sie zwar beim nächsten Mal auch noch updaten, aber Papa hat man ja auch noch lieb, wenn er mal wieder die alten Cowboystiefel rausholt und damit im Dorf belustigte Blicke auf sich zieht.

Trackliste

  1. 1. Ave Satanas
  2. 2. Forged In Hell
  3. 3. Metal We Bleed
  4. 4. Dein Fleisch
  5. 5. Blood Stained
  6. 6. Time To Die
  7. 7. The Evil Dead
  8. 8. Preacher Man
  9. 9. War
  10. 10. I Kneel To No God
  11. 11. Black N Roll

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3 Kommentare mit 11 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Nichts für ungut, aber das Genre haben andere definiert ;) wo bleiben eig die Meilensteine für blasphemy und bathory? :trusty:

  • Vor 7 Jahren

    Vor Kurzem erst wieder Venom ohne Inc. live auf der Bühne gesehen. Geil! Es ist einfach Cronos, der das Erbe verwaltet und die Karten der Hand hat. Er hat die weitaus besseren Musiker dabei, das Charisma und unabsprechbare Lemmy-Qualitäten. Dagegen haben diese Inc-.Ies keine Chance. Nur kurz zum Vorkommentierer. Sowohl Blasphemy als auch Bathory (R.I.P. Quorthon, you were best!) beziehen sich ausdrücklich auf Venom als Inspiration. Dass es in der Folge deutlich bösartigere und durchschlagendere und auch präzisere Black Metal Bands gab, ist unbestritten. Der Genre-Begriff gehört aber Venom, da kann man nix machen ;-)

  • Vor 6 Jahren

    Egal, wer in den 80ern die Haupptkreativkraft bei Venom war. Eingebrannt hat sich (wie so oft) der Frontmann bzw. seine Stimme. Und das ist eben Cronos. Genau wie für mich Dirkschneider irgendwie immer noch mehr Accept ist als die heutigen Accept. Habe letztes Jahr Venom mit Cronos igesehen und mir war ehlich gesagt total egal, wer die anderen Typen auf der Bühne waren. Genauso ging es mir bei Dirkschneider.