laut.de-Kritik
Alle Farben zusammen ergeben grauen Matsch.
Review von Yannik GölzDas hier hätte ein Selbstläufer sein sollen. Unter all den Berliner Newcomern des letzten Jahres stach $oho Bani heraus: Sympathieträger, konstant gute Songs, starkes Debüt. Er hätte Ski Aggu sein können, sobald die Overexposure Ski Aggu abgesägt hätte. Aber trotz eines viralen Megahits und einer eigentlich klar weitergeführten musikalischen Richtung hittet "Ein Schritt Und Ich Falle" nicht annähernd so sehr wie "Kids Aus Dem Versteck". Trotz der weiterhin eigentlich ausgezeichneten Pop-Rap-Produktion fühlt sich das Album deutlich unkonzentrierter und wässriger an. Es gibt verschiedene Baustellen, aber die größte ist eine sehr typische: Wie so viele kam $oho Bani zu dem Trugschluss, dass die Musik automatisch roher und authentischer werden müsse, je weniger Mühe er sich gibt.
Sein Album fährt vor allem auf einer Aussage: In seinem Kopf ist Chaos. Er lebt eine Phase seines Lebens, in der von Freunden über Karriere bis hin zur Liebe alles von überwältigenden, widersprüchlichen Gefühlen bestimmt wird. Das kann man nachvollziehen, und oft versteht man, worauf er auf diesen Tracks hinaus will: Alles passiert die ganze Zeit und gleichzeitig, überall und ständig. Die Tracks wollen psychedelische, druffe 4-Uhr-Morgens-Memos sein. In Theorie würde sich das wunderbar an die nokturnale House-Produktion von Ericson schmiegen.
In Theorie klappt das alles super. Andere Rapperinnen und Rapper haben das auch schon genau so durchgezogen. Aber als Gegenstück, eine kleine Anekdote: Ich war vor ein paar Monaten mit einem Kumpel raven, der quasi die ganze Nacht durch irgendwelches Zeug gezogen hat. Um fünf Uhr morgens, ich sitze gelangweilt am Rand und warte, dass wir heim können, kommt er mir entgegengestürmt, zieht mich vor den Club und verkündet, er habe gerad ein Gedicht geschrieben. Er habe dafür 45 Minuten das Klo blockiert. In dem Gedicht ging es um seine Ex, es ging um deutsche Politik, es ging um Palästina, es ging um seine Beziehung zu Drogen, um seine Eltern und vermutlich noch um viel mehr. Er hat es mir holprig und verklatscht vorgetragen und war sehr stolz.
Man muss ihm zu Gute halten: Dieses Gedicht war seinem Lebensgefühl entsprechend unglaublich roh und authentisch. Es hat wirklich alle Fragen thematisiert, die seine Generation beschäftigen. Und trotzdem war das Gedicht kinda ass, genau, wie quasi alle Lyrics von $oho Bani auf diesem Tape kinda ass sind.
Bani hat ein paar grundsätzliche Farbtöpfe, aus denen er schöpft. Flexen, Beziehungs-Angstiness, das Rapgame, Weltschmerz, Politik. Aber weil er an keinem Punkt dieser Tracks länger als zwei Lines den Blick für das Bigger Picture seines Tracks hat, schlonzt er stets einfach irgendeine Kelle aus irgendeinem der Töpfe obendrauf, bis statt sorgfältig angeordneter Wasserfarben nur noch ein dubioser grauer Matsch von fragwürdiger Konsistenz auf seinem Textblatt klebt. Er verbindet ständig Lines mit "und", als hätten diese Freetype-Stoner-Gedanken auch nur den kleinsten Bezug zueinander.
Das führt zu faszinierenden Stilblüten: "Ich habe meine Psyche gefickt / Ich hab einen Bruder mit Übergewicht" ("Jersey Pop (Genies)"), "der Raum dreht auf wie ein Karussell" oder "Ich pack Moves aus wie ein Babybel" ("Babybel"), oder diese borderline dadaistische Hook: "Und ich hab Skylines in meinem Lächeln / Weil auf Skylines bin ich so / als hätte ich Skylines in meinen Augen und die Leute gucken alle zu mir hoch / und ich pack eine Sache auf meine Mama, ich brauch diese Scheiße nicht, egal wie groß / bau deine Skylines irgendwo anders, bau deine Skylines irgendwo". Hä?
Es fühlt sich tatsächlich ein bisschen pedantisch an, bei Vibe-Musik so am Text zu korinthenkackern. Aber, auch wenn das jetzt komisch klingt: Auch Lyrics für Songs, denen der Text egal ist, kann man falsch schreiben. Wenn er sich wie ein Future nur von Phrase zu Phrase hangeln würde, so, dass es nur um den Flow geht, dann wäre es das eine.
Aber "Ein Schritt Und Ich Falle" wirkt die ganze Zeit so, als wolle es irgendetwas kommunizieren. Aber es ist dabei so extrem schlecht zusammengebaut, dass es scheitert, dieses Etwas zu kommunizieren. So viele Lines kommen schief, so viele Formulierungen sind um ein Mü off, oft schießen Bilder daneben oder passen überhaupt nicht zum nächsten, die ganze Zeit sind seine Gedanken gleichzeitig zu verkopft, um intuitiv Sinn zu ergeben, aber auch zu halbgar, dass es sich lohnen würde, wirklich darüber nachzudenken. Seine sehr pathetischen Skits illustrieren die dargebotenen Gedanken ausreichend. Kurz zusammengefasst klingen die so: "Bro. [dramatische Kunstpause] Das Leben. [dramatische Kunstpause] Krass."
Das wird übrigens nirgends schlimmer als auf dem großen Hit: "Zeit Dass Sich Was Dreht" war riesengroß, ist aber einer der ganz furchtbar nutzlosen Nostalgie-Hits, die gerade die Charts plagen. Hätte es nicht das geile Grönemeyer-Sample, ginge da überhaupt nichts. Es lebt zu einhundert Prozent von diesem Chor. Der Rest des Songs schreibt supersloppy Quasi-Freestyle darüber, dass gerade irgendetwas Wichtiges passiert oder so - aber würde uns nicht im Hinterkopf das Wohlwollen und das Adrenalin des eigentlichen Hits im Kopf schweben, würden diese belanglosen Parts absolut gar nichts ergeben.
Das ist alles sehr schade, denn sonst ist die Produktion von Ericson durch die Bank superstark. Immer wieder fragt man sich, ob er nicht "Honestly, Nevermind" von Drake auf seine starken Momente abgehört hat. "Story Of My Life", "Block Therapie" und das recht opulente Intro "WIMC" sind klanglich supergute Songs, und Bani hat ja durchaus die Stimme und die Aura, solchen Songs gerecht zu werden. Aber sie werden auf diesem Tape absolut nicht zu ihrem ganzen Potential gebracht.
Immer wieder verlautbart Bani auf "Ein Schritt Und Ich Falle", dass er Gedanken über unsere Generation hat. Aber das einzige zeitgeistige, das dieses Album gelungen kommuniziert, ist unsere komplett frittierte Aufmerksamkeitsspanne. Alle zwei Lines wechselt er das Thema. Nicht nur zeichnet er Bilder nicht zu Ende, er beginnt sie meistens gar nicht so recht. Sein ganzes Auftreten auf diesem Album ist unkonzentriert und hingebungslos. Im Vergleich zum ersten Tape wittert man einen Kerl, der es nicht mehr für nötig hält, Songs zu filtern, oder sich ein zweites Mal an einen Part zu setzen. Es ist essentiell ein sehr ähnliches Album wie "Kids Aus Dem Versteck", was es um so schräger macht, wie sehr die Qualität seitdem abgefallen ist.
3 Kommentare
Ja, ziemlich genau so habe ich mir Gölz' soziales Umfeld auch vorgestellt.
komm wir gehen auf nen rave, dave. kommen wir gehen auf nen rave...dave.
Wack lurch. Sein interview unterirdisch, dumm wie brot der jung. Sein herbert hit mag ich.