laut.de-Kritik
Mama hätte ihrem Bürschchen besser eine geschallert.
Review von Dani Fromm"18 Karat legt wirklich immer wieder einen drauf."
"Das wird so ein krankes Album."
"Yallah auf die 1 damit!"
Derlei Reaktionen springen einem aus den Kommentaren zum Snippet zu "Geld Gold Gras" dutzendweise entgegen. Man sollte eigentlich alle Flaggen auf Halbmast ziehen und einen Staatstrauertag ausrufen: Deutschland, weine um deine Jugend! Wie wenig muss eine ganze Generation vom Leben erwarten, wenn sie für ein solches Produkt Geld ausgibt - und das auch noch gern?
Ich versteh' es nicht. Genau genommen verstehe ich gar nichts an "Geld Gold Gras". 18 Karat ist "Immer Noch Kein Rapper". Er will auch keiner sein, sagt er. Seine Kohle, etwas anderes zählt ja nicht, macht er schließlich, wie er unentwegt beteuert, als "Hustla", "Global Player", "Intensivtäter" und all das.
Keine Veranlassung also, über so Nebensächlichkeiten wie Inhalt nachzudenken. Über eine Story am Ende sogar. Über Logik. Oder wenigstens über Spuren von Abwechslungsreichtum in Vortrag und/oder bei den Beats. Wozu auch? Die Fans fressen den faden Gangstereintopf ja auch so.
"Das einzige Album, wo jedes Lied ein Brett ist."
"Bruder, der Hype ist real!"
"Bester Rapper."
Meine Güte. Wie bescheiden können künstlerische Ansprüche ausfallen? Sie stehen jedenfalls im krassen Kontrast zu den himmelhochtrabenden Konsumzielen: Klamotten müssen von "Versace" sein, die die Uhr von "Hublot", die Karre mindestens ein Benzer, wenn nicht gleich ein Lamborghini. Kann zwar, wie auch die Schweizer Nobeluhrenmarke, keiner richtig aussprechen, macht aber wohl viel her.
Statussymbole zählen, sonst nichts. Geld und Gold eben, eigentlich ja das gleiche, reingeholt über Gras - und wenn der Rap noch etwas abwirft: Auch gut. Mit Geld lassen sich körperliche Zuwendung und Freundlichkeiten erkaufen. Praktischer Nebeneffekt: Das liefert gleich wieder Anlass, um über falsche Freunde und Weiber, die nur aufs Geld aus sind, herumzuflennen.
"Ihr liebt die Musik, ich rapp' nur, so lange ich Para kriege." Vorspiegelung falscher Tatsachen immerhin kann man 18 Karat nicht vorwerfen. "Geld Gold Gras" ist eine in einem Ausmaß lieblose Veranstaltung, dass es einem die Tränen in die Augen treibt, denkt man auch nur eine Minute darüber nach. Der Mann mit der Maske und seine Zuarbeiter betreiben kein bisschen Aufwand, weder für die Sache an sich, noch um zu verschleiern, wie wenig Herzblut in diesem Album steckt.
Im Grunde hab' ich alles, das ich zu "Geld Gold Gras" schreiben könnte, schon beim letzten Mal gesagt. Wenn aber 18 Karat einfach die gleiche Grütze wieder serviert, darf ich das auch, zumal es auch diesmal gilt: Er hat kein Interesse an, keinen Respekt vor und schon gar keinen Funken Liebe für die Kunst. Entsprechend kann er nichts beitragen, hat nichts zu erzählen, wie die an Einfallslosigkeit nicht zu überbietende Trackliste einem schon von weitem entgegenschreit.
18 Karat glorifiziert, was er "multikriminellen Lifestyle" nennt, immer schön auf den Spuren der ausgelutschtesten Ganovenidole Pablo Escobar und Tony Montana (die beide ein derart erbärmliches Ende fanden, dass ich mich wirklich frage, was an deren Weg nachahmens- oder erstrebenswert erscheinen könnte, aber das nur am Rand). Letztendlich gehts dann aber doch nur um etwas, das jeder dritte Gymnasiast auf dem Schulhof schon verbrochen hat: ums Grasticken. Himmel, hilf. Ein Vergehen, dessen krass krimineller Flavour knapp über Illegal-Filme-Streamen oder Am-Kiosk-umme-Ecke-Pornoheftchen-Klauen rangiert.
So oder so: Rap interessiert hier niemanden auch nur die Bohne, Rapper nur, um ihnen die Realness abzusprechen oder sie ins Café zu zitieren. Der ersten Einladung scheint bisher niemand gefolgt zu sein, weswegen 18 Karat und sein Oberbanger Farid die ungeliebten Kollegen von Azet bis Zuna ein weiteres Mal zum Tee bitten. So weit, so langweilig.
Die Beats haben durchaus Wumms und Atmosphäre, klingen aber halt einer exakt wie der andere. Gleiches gilt für die Tracktitel: Aus "Pusha" mach' "Hustla", sonst ändert sich nichts. Eine rührselige Ode an die enttäuschte Mutter, beim letzen Mal "Dieser Weg", gibts auch wieder. Sie trägt den bezeichnenden Titel "Mama Ist Nicht Stolz".
Ach, guck! Nicht? Ist es nicht der feuchte Traum einer jeden Mutter, einen Kleinkriminellen großzuziehen, dessen einziges Bestreben darin besteht, an Geld zu kommen, an viel Geld, ohne Rücksicht auf Verluste, mit allen Mitteln, solange es nur ja keiner ehrlichen Arbeit bedarf?
Träumt nicht jede Mutter davon, dass die Frucht ihres Leibes zu einem ekelhaften Großmaul heranwächst, in dessen Weltsicht Frauen nichts weiter sein dürfen als das lästige Fleisch rund um das Loch, in das man sein Gemächt rammen kann? "Mama Ist Nicht Stolz", ja, Mensch, mach' Sachen. Gewaltfreie Erziehung in allen Ehren: Für Sprüche, wie sie im Titeltrack fallen, hätte Mama ihrem Bürschchen mal besser eine geschallert, dass es die Engel singen hört. "Wann Hör Ich Endlich Auf"? Ja, berechtigte Frage. Anschlussrätsel: Warum hat er überhaupt angefangen?
So lange die Kundschaft diesen uninspirierten, gedankenlosen, dummen, rückständigen Mist aber nicht nur kauft, sondern auch noch als das Nonplusultra abfeiert, so lange hat 18 Karat sogar Recht, wenn er behauptet: "Ich bin Ghetto-Prominenz und für deutschen Rap die Konsequenz." Wenn deutscher Rap nicht bald anfängt, sich gegen derlei Vereinnahmung entschieden zu wehren, dann hat er solche Platten wirklich verdient, und auch diese Aussichten: "Ich bin Gangstaraps Zukunft." In dem Fall hielte ich Staatstrauer tatsächlich für angebracht.
22 Kommentare mit 11 Antworten
Herrliche Rezi!
Der Typ ist eine Schande für die Pott-Szene. Würde ich bei Banger noch unterhalb von Majoe einschätzen.
ouwh, das ist hart.
aber ... aber ... ja.
Dieser Möchtegernkleinkriminelle hat es aber auch nicht anders verdient, als von Dani so zusammengestaucht zu werden. Köstlich.
verdiente 1/5. schaurige fremdschammusik.
Dafür ist Gianni Versace nicht gestorben. 1/5
geniales album, meine vorredner sind spießer, die sich wieder lieber in ihre alternative-ecke verziehen sollten.
Schon wesentlich schlimmere und ununterhaltsamere Deutschrap-Alben gehoert (Fler). Seine Stimme erinnert mich leider zu sehr an irgendwen anders, ansonsten recht stabile 3/5 dafuer.