laut.de-Kritik

In Asien steht die 88 für "Double Happiness".

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Wer sich im Hip Hop nur ein bisschen trendbewusst wähnt, der hat im vergangenen Jahr den massiven Impact gespürt, den das amerikanisch-asiatische Label 88rising in der kontemporären Szene hinterlassen hat. Die Mischung aus viralen Stars wie Rich Brian und Joji, Hipster-Affiliates wie Yaeji und Unmengen an YouTube-freundlichen Content waren prädestiniert für den Erfolg im digitalen Zeitalter.

Doch trotz Kollaborationen von Ghostface Killah bis hin zu Ski Mask The Slump God hat bislang das Profil gefehlt, das den Schirm von 88rising als Marke festigt. "Head In The Clouds" ist das Compilation-Album, das diese Flagschiff-Rolle ausfüllen soll. Es liefert einen Schlag handwerklich sehr sauberer Songs um die Protagonisten Joji, Brian, die Higher Brothers und NIKI, die für sich zumeist überzeugen, sich in der Summe aber etwas zu spürbar am Zeitgeist anbiedern.

"Which way? Money Way!" heißt es zum Beispiel schon von Higher Brother-Mitglied Melo auf dem dritten Track, "Swimming Pool". Das Kredo sind Sommerhits, irgendwo zwischen Trap, alternativem R'n'B und Bedroom-Pop. Dieser Plan geht auch immer wieder auf, ganz besonders zum Beispiel auf "Midsommer Madness", einem der wirklich vollwertigen Posse-Cuts der Platte.

Jojis endlos eingängige, melancholische Falsetto-Hookline bildet Fundament, um einschlägige Rapparts auf einem Beat mit stampfenden Kickdrums und nostalgischer Gitarrenline zwischenzuschieben. Gerade mitsamt dem Musikvideo kommt hier in der Vintage-Nostalgie die ehrliche Sympathie der ganzen Gruppe zum tragen. All die Hipness beiseite ist es die gewisse Bodenständigkeit, die sowohl Brian, als auch Joji und die Higher Brothers zu so interessanten Charaktern macht.

Da ist es schade, dass sich darüber hinaus die Sparten der Musiker schon etwas zu klar verteilt anfühlen. Die Higher Brothers, eine chinesische HipHop-Gruppe, funktionieren in der Verwendung ihrer Verses am ehesten wie ein Migos-Pendant, die kerzengerade Parts auf 2018-Trap ablegen. Tracks wie "Red Rubies" oder "Nothing Wrong" sind Material, das sich bei Cole Bennett oder WorldstarHipHop nahtlos anschmiegen würde und die Persönlichkeit vor allem durch Gastbeiträge der Sunnyboys Yung Bans, Yung Pinch oder Goldlink bezieht.

NIKI hält als einzige Frau der Gruppe (Yaeji ist leider nicht vertreten) die Pop-Sensibilität am klarsten oben. "Warpaint", "Poolside Manor" und "Plans" knüpfen nahtlos an ihr Debutalbum "Zephyr" an, bestechen mit einer warmherzigen Lebensfreude und von 2000er-Nostalgie inspirierter Produktion. Das ist Musik, wie sie ein Clarence Clarity mit Rina Sawayama machen würde, ein bisschen Bazzi, ein bisschen Clairo. NIKI spielt genau auf der Wellenlänge eines Popstars, wie 2018 es nach großen Flops des konventionellen Modelle zulassen würde.

Der potentielle Breakout-Star des Rasters ist erwartungsgemäß Joji. Nach seiner schwer depressiven "Tongues"-EP zwingt ihn "Head In the Clouds" nun zu Sommersongs, denen er mit seiner leichtherzigen Melancholie überraschend potent Tiefgang verleiht. Natürlich reiht er sich musikalisch recht nahtlos in den Trap-Soul-Trend ein, irgendwo zwischen Bryson Tiller, The Weeknd und Landon Cube, dafür hat er aber auch ein paar der herausragenden Songs der Platte. Nicht nur trägt er "Midsommer Madness" maßgeblich mit, auch "Peach Jam" mit BlocBoy JB und Titeltrack "Head In The Clouds" sind ein paar der eindrucksvolleren Songwriting-Momente der Platte.

Dass diese so herausragen, liegt aber eher am unterdurchschnittlichen Abschneiden vom bisherigen Musterschüler Rich Brian. Der bekommt für Songs wie "History" zwar zum einen quirlige Produktion, auf "Beam" mit Playboi Carti einen hochkarätigen Feature-Gast, die Songs machen es sich mit den sehr linearen Parts und unbeeindruckenden Refrains aber deutlich zu einfach. Die Konsequenz ist, dass (auch abseits von ihm) viele der raplastigen Nummern wie Fett in der Tracklist zurückbleiben. Es fehlt der Nachdruck, die Persönlichkeit, das Risiko.

Highlights an dieser Front kommen hingegen gleich zwei mal von den Higher Brothers, die auf "Let It Go" mit einem glänzend aufgelegten BlocBoy JB irre tanzbare Pharrell-Type-Beats oder auf "Lover Boy 88" organischen Funk und eine verdammt eingängige Hook abbekommen. Dass diese etwas individuelleren Ausreißer so positiv herausragen, ist wiederum symptomatisch für das vergebene Potential auf "Head In The Clouds".

Wären die Artists des 88rising-Rasters nämlich noch ein wenig dichter zusammengerückt und hätten statt der Adaption von Trends mehr darauf vertraut, dass ihr eigenes musikalisches Potential interessant genug ist, hätte diese Platte noch einmal richtig Dampf machen können. Denn es sind gerade die Tracks wie "Midsommer Madness", "LoverBoy 88" oder "La Cinega", die durch die Synergie der Mitglieder nachhaltig Spaß machen, während sich viele Flirts mit dem Zeitgeist aufgesetzt und überflüssig anfühlen. Was bleibt ist eine Mixtape-Complilation, die etwa gleichviel trifft und verfehlt. Wenn sie aber mal trifft, sind durchaus ein paar sehr lohnenswerte Nummern dabei.

Trackliste

  1. 1. La Cinega
  2. 2. Red Rubies
  3. 3. Swimming Pool
  4. 4. Peach Jam
  5. 5. Midsummer Madness
  6. 6. Plans
  7. 7. History
  8. 8. Lover Boy 88
  9. 9. Poolside Manor
  10. 10. Beam (feat. Playboi Carti)
  11. 11. Let It Go
  12. 12. Disrespectin
  13. 13. Warpaint
  14. 14. I Want In
  15. 15. Japan 88
  16. 16. Nothing Wrong (feat. Goldlink)
  17. 17. Head In The Clouds

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